Bewertung

Review: #1.02 Die Katze ist im Sack...

Foto: Bryan Cranston, Breaking Bad - Copyright: 2008 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
Bryan Cranston, Breaking Bad
© 2008 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.

Die zweite Folge von "Breaking Bad" geht genau dort weiter, wo der Pilot aufgehört hat – bei einem sichtlich aufgeregten bzw. erregten Walter, der aufgrund des ungemeinen Adrenalinkicks, der ihn nur kurze Zeit vorher ereilt hat, leidenschaftlich wie schon lange nicht mehr mit seiner Frau Skyler schläft. Unmittelbar danach wird der Zuschauer mit einem Stilmittel konfrontiert, das er aus der ersten Episode nur allzu gut gewohnt ist und das auch nun wieder wunderbar funktioniert: einem Zeitsprung. Dieses Mal jedoch sind es keine drei Wochen, sondern lediglich zwölf Stunden, die aufzeigen, was mit Walter und Jesse geschehen ist, nachdem sie mit ihrem Drogenlabor/Wohnwagen in der Wüste gestrandet sind, und ein Walter in Unterhosen und mit einer Pistole in der Hand darauf wartete, dass die tönenden Sirenen näher kommen. Und sie kommen näher, doch stammen sie nicht von Polizeiautos, sondern von den zahlreichen Feuerwehrfahrzeugen, die den Brand zu löschen versuchen, den der mittlerweile tote Emilio verursacht hat. Walter und Jesse sind also erst mal aus dem Schneider, schließlich ist ihnen nicht wie befürchtet die Polizei auf den Fersen. Und die einzigen beiden, die ihnen noch gefährlich werden könnten, Emilio und sein Cousin Krazy 8, liegen, augenscheinlich tot, hinten im Wohnmobil.

"After we finish cleaning up this mess, we go our separate ways. Our paths will never cross."

Natürlich sind weder Walter noch Jesse sonderlich begeistert davon, welche Konsequenzen bereits ihre erste kleine Meth-Koch-Aktion hervorgerufen hat. Dementsprechend logisch ist auch die Schlussfolgerung, dass beide es nicht mehr miteinander tun möchten. Ist das vielleicht schon das vorzeitige Ende einer vor allem für den Zuschauer vielversprechenden Partnerschaft? Davor jedoch müssen sie sich um die beiden Leichen hinten in ihrem Wohnmobil kümmern. Beide Leichen? Nein, denn wie sich herausstellt, hat Krazy 8 die Begegnung mit dem höchst giftigen Monophosphan, das Walter in der Pilotfolge hergestellt hat, überlebt! Doch nachdem Walter davon ausgeht, dass Krazy 8 an der Vergiftung noch sterben wird, lässt er ihn im Wohnwagen liegen. Und an diesem Punkt schließt das Geschehen an den Vorausblick am Anfang der Episode an.

"Yo, yo, yo! 1-4-8, 3 to the 3 to the 6 to the 9! Representin' the ABQ! What up, biatch! Leave it at the tone!"

Das idyllische Frühstück der Whites wird unterbrochen von Jesse, der Walter die fürchterliche Nachricht bringt: Krazy 8 hat die Nacht überlebt. Nun müssen beide eine Entscheidung treffen, was sie mit dem toten Emilio und dem quicklebendigen Krazy 8 anstellen, dem es zwischenzeitlich sogar gelingt, aus dem Wohnmobil auszubrechen. Doch währenddessen funkt ein anderer Charakter dazwischen, Walters Frau Skyler. Nicht nur, dass sie die Nummer des vermeintlichen Werbeanrufers, der das Frühstück stört, zurückruft und damit Jesses Nummer wählt, der sich als dieser ausgegeben hat. Nach einer kleinen Recherche trifft sie auf Jesses MyShout-Page und bekommt von Walter die Lügengeschichte aufgetischt, dass er sein Marihuanadealer sei. Nun wird ein Clou der "Breaking Bad"-Verantwortlichen offensichtlich: Nachdem sich Zuschauer in Serien zwangsläufig nach Sympathiefiguren umsehen, nimmt man einen wichtigen Charakter aus dem Spiel, denn Skyler verhält sich derart bevormundend, dass man in ihr unmöglich Identifikationspotential sehen kann. Indem die Sympathien ganz offensichtlich weg von Skyler gelenkt werden, muss sich der Zuschauer jemand anderen suchen und bleibt dabei nahezu zwangsläufig aufgrund des immer wieder stattfindenden Schürens von Mitleid bei Walter hängen, der zudem mit dem Zitat "Will you please, just once, get off my ass?" die Stimme des Zuschauers zu sein scheint. Ein äußerst kluger Schachzug. Skyler konfrontiert sogar Jesse und teilt ihm mit, dass er kein Marihuana mehr an ihren Mann verkaufen soll, womit sie endgültig beweist, dass sie ihren Mann immer wieder wie ein unverantwortliches Kind behandelt. Die Tatsache, dass sie zusätzlich einem wildfremden Menschen Karrieretipps gibt, zeugt ebenso von einer ordentlichen Portion Selbstüberschätzung.

"Krazy 8? What does that even mean?"

Jesse jedoch hat Besseres zu tun, als sich mit Skyler abzugeben, insbesondere nachdem eine Entscheidung darüber ansteht, was mit Krazy 8 und Emilio geschehen soll. Schließlich treffen er und Walter die einzig konsequente Entscheidung, wenn man sich nicht der Polizei stellen will, und möchten Emilios Leiche beseitigen und Krazy 8 töten. Ein Glück, dass die Autoren der Serie diesen Mut aufweisen und nicht den einfachen Weg gehen. Denn auch wenn Walter kurz in Erwägung zieht, dass er Krazy 8 leben lassen kann, da dieser ja auch nur Geschäftsmann sei, weiß er selbst, dass er sich damit sein eigenes Grab schaufeln würde. Es wäre schlicht unglaubwürdig gewesen, wenn er anders gehandelt hätte. Bryan Cranston kann vor allem hierbei einmal wieder vollauf begeistern. Selten wurden die innere Zerrissenheit und das Ringen mit den eigenen Entscheidungen eines Charakters überzeugender verkörpert.

"I'm sorry, what were you asking me? Oh yes, that stupid plastic container I asked you to buy. You see, hydrofluoric acid won't eat through plastic. It will, however, dissolve metal, rock, glass, ceramic. So there's that."

Walter, ganz Chemiker, schlägt zusätzlich vor, Emilios Leiche in Säure aufzulösen. Doch leider kommt ihm die undankbare Aufgabe zu, Krazy 8 zu erledigen, nachdem er im Münzwurf gegen Jesse verlor. Dieser sorgt wiederum für eine ordentliche Portion an Humor in der Episode. Nicht genug, dass Jesse keine Plastikwanne findet, die groß genug ist, um den gesamten Körper von Emilio aufzunehmen, er kommt sogar zu dem Schluss, dass seine Badewanne ja eigentlich eine viel bessere Lösung sei. Dass es durchaus einen Grund dafür gibt, dass Walter explizit auf eine aus einer bestimmten Plastikverbindung bestehende Wanne bestand, wird spätestens dann klar, als sich die teilweise aufgelösten Überreste Emilios durch die Keramikwanne Jesses hindurch ihren Weg ins untere Stockwerk bahnen. Jesses Inkompetenz und Walters folgende zynische Kommentare in Verbindung mit der optischen Sauerei, die sich dem Zuschauer da bietet, sind eine interessante Mischung, die durch den anklingenden Song im Hintergrund (Glen Phillips mit dem nicht nur aufgrund des Titels extrem passenden "The Hole") wunderbar unterstützt wird.

Dass die "Breaking Bad"-Macher auch durchaus cineastische Fähigkeiten haben, haben sie bereits im Piloten bewiesen. Mit der Schlussszene, als ein spielendes Mädchen die Gasmaske, die Walter und Jesse in der Wüste vergessen haben, aufzieht, haben sie es wieder geschafft.

Fazit

Nach dem großartigen Piloten war die zweite Episode vor allem dazu da, die Konsequenzen aus dem Handeln Walters und Jesses zu zeigen, was vollauf gelungen ist. Denn obwohl in der vorliegenden Folge so manche Serienmechanismen griffen, die zu einer Verlangsamung des Erzähltempos führten, bleibt "Breaking Bad" eine Mischung aus Drama, tollen Dialogen und perfekt getimtem Humor, die sich nicht davor scheut, mutige Entscheidungen zu treffen und seinem Hauptdarsteller schauspielerisch alles abzufordern. Die spannende Frage ist, was mit Krazy 8 geschehen wird, da dies maßgeblich für die Charakterzeichnung Walters sein wird, und ob Walter und Jesse trotz der Ereignisse dieser Episode wieder miteinander arbeiten möchten. Man kann sich letzteres nur wünschen, wenn das jedes Mal so präsentiert wird.

Andreas K. - myFanbase

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