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Review: #2.05 Bruchschäden

Foto: Dean Norris, Breaking Bad - Copyright: 2009 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
Dean Norris, Breaking Bad
© 2009 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.

Nachdem #2.04 Ganz unten gänzlich ohne Hank auskam und damit für "Breaking Bad"-Verhältnisse ungewöhnlich düster daher kam, wird nun in #2.05 Bruchschäden auch bei dem Humorlieferant Nr. 1 der Faden wieder aufgenommen und auf eine Art und Weise weiter gesponnen, die man aufgrund seiner bisherigen Charakterzeichnung wohl kaum erwartet hätte. Dazu kommt eine Neuausrichtung des Geschäftsgebarens von Walter und Jesse, die bereits früh Titelgeber dieser Episode ist, und zu weiteren Spannungen zwischen den beiden führt, sowie ein neuer Charakter, der noch ziemlichen Einfluss auf Jesse haben könnte. Damit fehlt vielleicht der große Durchbruch, aber Grundsteinlegung für künftige Entwicklungen und Ereignisse muss ja auch mal erlaubt sein.

"HOPE is the best medicine"

Man sollte meinen, dass es eine gute Nachricht wäre, wenn der behandelnde Arzt Anlass zu vorsichtigem Optimismus im Zuge der eigenen Krebserkrankung gibt. Im Fall von Walter jedoch sorgt die Verbindung aus ungewissen Zukunftsaussichten und einer Rechnung des Krankenhauses, die sich gewaschen hat, dafür, dass er sehr schnell sehr viel Geld verdienen muss, auch um seiner Frau Skyler weiterhin vorgaukeln zu können, dass Gretchen und Elliott für die Kosten aufkommen. Damit ist der Weg geebnet für eine weitere und mittlerweile durchaus auch mittel- bis langfristige Zusammenarbeit zwischen Walter und Jesse. Letzterer hat unterdessen alle Hände voll damit, sein Leben auf die Reihe zu bekommen.

"What's DBAA?" - "Don't be an asshole."

Nach dem unschönen Rausschmiss aus dem Haus seiner Tante durch seine Eltern ist Jesse nicht nur auf der Suche nach einer neuen Bleibe, sondern besorgt sich nebenher von Clovis (den er mit viel Geld für seinen waghalsigen Ein- und Ausbruch nicht nur besänftigen, sondern auch davon überzeugen kann, den Wohnwagen bei ihm zu bunkern) auch einen unauffälligen fahrbaren Untersatz. Jesses neue Doppelhaushälfte wird gemanagt von Jane, der Tochter des Gebäudebesitzers, einer gleichwohl nicht auf den Mund gefallenen wie interessanten jungen Dame, die offensichtlich in der Vergangenheit zumindest ähnliche Probleme zu bewältigen hatte wie Jesse, weil sie auf dessen Geständnis mit ungewohntem Verständnis reagiert. Jane als Jesses Love Interest? Wahrscheinlich.

"So, let me get this straight. You call in sick the day after receiving a long awaited career boosting promotion so you can play Oktoberfest in your man cave?"

Hank ist wieder da! Nachdem er sich seit der unfreiwilligen Konfrontation mit Tuco kurzzeitig rar machte, ist er in seiner altbewährten Art wieder voll da, Großmaul, Sprücheklopfer und Lieferant des wohl niveaulosesten Humors in einem. Wie sich herausstellt, soll Hanks furchtloses Eingreifen belohnt werden, und so winkt eine Beförderung, die ihn nach El Paso bringen soll, um die dortige Einheit zu unterstützen. Nach anfänglicher Euphorie und vielen Schulterklopfern von Seiten der Kollegen kommt jedoch die andere Seite Hanks zum Vorschein, die für dessen weitere Charakterzeichnung so unheimlich wichtig ist. Er bekommt im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten nämlich eine Panikattacke, ein Anzeichen dafür, dass eine erneute Konfrontation mit Tuco (in Form einer Unterhaltung über ihn beim Chef) Wunden aufriss, die er am liebsten bedeckt gehalten hätte. Dass er sich zunächst nichts anmerken lässt und versucht, business as usual zu betreiben, entspricht dabei natürlich einmal wieder genau seinem Charakter.

Als er dann jedoch in seiner Garage nur einen Tag nach der Beförderung eigenes Bier braut und dafür blau macht (hier übrigens ganz herrlich die zahlreichen Parallelen zu Walters und Jesses Meth-Labor), wird Marie misstrauisch, auch wenn sie es zunächst nur für eine der vielen dummen Ideen und kindischen Aktionen Hanks hält, und keineswegs als Manifestation eines psychischen Problems. Aber das kann ja noch kommen. Vielleicht würde sie anders denken, wenn sie gesehen hätte, wie eine Flasche in Hanks Hand beim Versuch, sie zu verschließen, zerbricht. Denn dass dies nicht aus Ungeschick geschieht, sondern weil sich Hank für einen kurzen Moment nicht unter Kontrolle hat, wird rasch deutlich. Aber diese Szene gepaart mit der Panikattacke im Aufzug bleiben vorerst das Geheimnis Hanks und des Zuschauers. Ebenso wie auch der Grill Tucos, den Hank in den Rio Grande in Albuquerque wirft und der später in El Paso wieder auftaucht. Hank eilt also nicht nur sein Ruf voraus, sondern auch sein Briefbeschwerer.

"A cockroach comes out from under a fridge. What do you do? I mean, you don't think about it. You stomp him down."

Hank tut entsprechend auch sein Bestes, um zu kaschieren, wie es ihm in manchen Momenten so geht, und redet sogar freimütig vor Walter, Jr. davon, wie er Tuco zur Strecke brachte und vergleicht dies mit einer Kakerlake, bei der man auch nicht darüber nachdenke, wie man mit ihr verfahren solle, sondern sie einfach platt trete. Hank ist durch diese Episode wieder voll im Geschehen, und auch der Figur Marie wird die Möglichkeit gegeben, wieder mehr in die Handlung integriert zu werden. Das beginnt bei der oben angesprochenen Szene mit Hank und dessen "man cave" und endet in dieser Episode mit Skylers Drängen auf eine Entschuldigung ihrer Schwester für den Diebstahl des Baby-Diadems. Nach anfänglichem Zögern entschuldigt sich Marie unter Tränen für ihr Verhalten, womit sowohl der Grundstein für weitere Storylines mit Marie gelegt sein dürfte als auch die Etablierung der Figur Marie als jemand, der auch in dramatischen Situationen zu glänzen weiß.

"There's a third way: We got to be Tuco."

Wer dachte, dass sich die angespannte Situation zwischen Walter und Jesse mit dem Frühstücksangebot und der Einsicht, dass die beiden so schnell nichts auseinander bringen kann, beruhigen würde, der wird einmal wieder eines Besseren belehrt. Die beiden streiten zunächst über die grundsätzliche Strategie ihres Drogengeschäfts und dabei vor allem um die Frage, ob sie einen Distributor wie Tuco wieder benötigen oder Jesse selbst für die Deals verantwortlich ist. Wie so oft entscheidet man sich am Ende für die dritte Option: die Deals übernimmt jemand anders (in dem Fall Kumpel Jesses) und Walter und Jesse nehmen eine ähnliche Position ein, wie sie Tuco vor seinem Ableben inne hatte. Interessant an diesem Konflikt ist vor allem die Dynamik zwischen Walter und Jesse. Denn die dritte Option ist auf Jesses Mist gewachsen und wird trotz aller Bedenken Walters akzeptiert. Der Grund? Jesse ist der Meinung, dass Walter ihn mehr brauche als er ihn, weswegen er darauf beharrt, dass man es so mache, wie er möchte, weil er sonst aussteigt. Bisher war Walter nahezu alleiniger Entscheidungsträger in einer Geschäftsbeziehung, die niemals wirklich den Eindruck der Gleichberechtigung machte. Doch jetzt ist Jesse gefestigt und selbstbewusst genug, um sich nicht nur einzubringen, sondern sogar darauf zu drängen, dass seine Vorschläge befolgt werden. Vielleicht kommt in diesem Zusammenhang der Begriff "Emanzipation" allein anhand dieses einen Moments zu früh, aber Hoffnung für eine in Zukunft zumindest gleichberechtigtere Beziehung keimt schon ein wenig auf.

"You asked me what I want you to do. I want you to handle it."

Jesses Wille geschehe, und so lädt er seine drei Kumpels, Badger, Skinny Pete und Combo, in seine neue Wohnung ein und verwöhnt sie mit kleinen Laugenbrezeln und Cola (man bekommt bei dieser neckischen Einstellung fast den Eindruck, als würde er eine Tupper-Party abhalten), während er ihnen seine Geschäftsidee unterbreitet. Diese fußt im Endeffekt darauf, dass die drei den Stoff verticken und dafür ein Fünftel behalten dürfen und den Rest an Jesse weitergeben, der diesen wiederum mit Walter teilt. Es kommt, wie es angesichts der offen zur Schau gestellten Unzuverlässigkeit der drei kommen muss, und Skinny Pete wird bei einem Deal von einem Junkie-Pärchen überfallen und verliert sein Geld.

Walter bekommt von dem Vorfall Wind, als Jesse ihm dessen Anteil gibt, da 1.000 $ von Skinny Pete fehlen, und ist alles andere als begeistert. Der zweite große Streit um die grundsätzliche Ausrichtung des gemeinsamen Drogengeschäfts ist daher entbrannt und diesmal ist Walter nicht bereit, klein bei zu geben. Im Gegenteil, er beharrt auf aggressivste Art und Weise auf seinem Standpunkt, dass jegliche Form von "breakage", wie es Jesse ausdrückt und mit Gepflogenheiten in Supermärkten vergleicht, inakzeptabel ist. Während sich sowohl Jesse als auch die Zuschauer fragen, was an einem Reingewinn von 15.000 $ pro Tag ohne großes persönliches Risiko eigentlich so schlecht ist, begibt sich Walter charakterlich immer mehr in die Nähe von Tuco, insbesondere als er offen anspricht, dass es so einen Verlust bei jemandem wie Tuco nie gegeben hätte. Sie dürfen keine Schwäche zeigen und müssen sich auf der Straße eine Reputation aufbauen, die sich aus Furchtlosigkeit und Härte speist. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf bittet Walter Jesse darum, sich um die Sache zu kümmern – was in Anbetracht der Tatsache, dass Walter Jesse dabei eine Waffe gibt, keinerlei Fragen offen lässt.

Fazit

Zugegeben, #2.05 Bruchschäden bietet keinerlei spektakuläre Auflösung von bestimmten Storylines oder großartige Momente. Sie ist dennoch alles andere als ereignisarm. Es wird momentan nur an so vielen Fronten gekämpft, dass eine durch den Plot bedingte unmittelbare Belohnung des Zuschauers noch ein wenig verzögert wird. Und dennoch bekommen zwei zwischenzeitlich an den Rand gedrängte Figuren die Möglichkeit, sich wieder zunehmend einzugliedern und dabei zu glänzen, wird ein neuer Charakter eingeführt und verschlimmert sich die Beziehung zwischen zwei Hauptfiguren weiter. Und als ob das nicht schon alles wäre, kommt es auch noch zu einem weiteren Streit zwischen Skyler und Walter, der die große Distanz zeigt, die sich zwischen den beiden mittlerweile auf tut. Dass diese Szene in der Review zu einer Episode, die als Übergang oder Vorbereitung zu (vermeintlich) spannenden Ereignissen bezeichnet werden kann, gar nicht ausführlich angesprochen wird, sollte alles darüber aussagen, wie gut es "Breaking Bad" mittlerweile gelingt, mehr als nur gelungene Unterhaltung zu bieten.

Andreas K. - myFanbase

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