Review: #1.04 Auge um Auge
Mit der Episode #1.04 Auge um Auge bekommt nicht nur ein Charakter aus "Chicago Justice" mehr Profil, sondern der Mord an Richter Ray Kenzie offenbart auch, dass die Bewältigung einer Vergewaltigung nicht nur dem Opfer ein jahrelanges Trauma einbringt, sondern auch nahestehenden Personen, die manchmal sehr viel mehr darunter leiden und zu unglaublichen Taten fähig sind.
Verstrickungen
Bezüglich der letzten Folge hatte ich mich darüber beschwert, dass man sich zu sehr auf einen Fall konzentrieren und ihn dabei unnötig in die Länge ziehen würde und es besser wäre, mehr auf die (Haupt-)Charaktere einzugehen. Mein Unmut darüber spiegelte sich dann auch in der Bewertung. Allerdings muss ich zugeben, dass die Autoren bei dieser Folge den richtigen Weg gegangen sind und an ihrem Schema festgehalten haben.
Denn auch jetzt hat man sehr viel Zeit für den Mordfall von Ray verwendet. Wobei es mir deutlich besser gefiel, dass die Suche nach dem Mörder so verstrickt wurde, dass praktisch jeder, der mit Ray zu tun hatte, die Tat begangen haben könnte. Ein erstes Indiz dafür, dass möglicherweise seine Ehefrau die Mörderin sein könnte, gab uns die erste Szene und die Aussage von Anna Valdez, die Ray danach fragte, ob er es ihr schon gesagt habe. Die Tatsache, dass die beiden ein sehr vertrautes Verhältnis zueinander hatten und es sich bei Annas Frage um eine Frau handelte, mit der Ray zu tun hatte, ließen wahrscheinlich jeden vermuten, dass damit seine Ehefrau gemeint war, die er möglicherweise verlassen sollte. Zugegeben, wäre es nicht das erste Mal, dass eine eifersüchtige Ehefrau zur Mörderin wird und dennoch habe ich nicht eine Sekunde diese Variante in Betracht gezogen. Zum einen lag es daran, dass diese Handlung in meinen Augen schon sehr ausgelutscht ist und ich ehrlich gesagt, den Machern der Chicago-Serien deutlich mehr zutraue.
Interessanter wurde es dann, als die Pflegetochter der Kenzies – Kaitlin – zum Thema wurde. Kaitlin ist ein Teenager mit einer schlimmen Vergangenheit, die nicht nur aufgrund der Pubertät Wut auf die Welt und Ray hat. Nachdem sie von Antonio Dawson und Laura Nagel, die mir im Übrigen bei Verfolgungen immer sehr gut gefällt, geschnappt wurde, erfahren wir nämlich, dass Ray ein großer Beschützer seiner Pflegetochter war und er ihren Kleidungsstil kritisiert und ihr Handy kontrolliert hat. Teenager sind dafür bekannt, so einen Eingriff in ihre Privatsphäre nicht gutzuheißen. Doch aus diesem Grund jemanden zu ermorden, der nur das Beste für einen wollte? Konnte ich mir auch nicht so ganz vorstellen, wobei ich kurze Zweifel daran hatte, als Kaitlin Anna wiedererkannt hat. Einen kurzen Moment war ich in der Annahme, Kaitlin wusste etwas von dem Verhältnis und es war eine Kurzschlussreaktion. Aber wie gesagt, hatte ich diesen Gedanken nur einen kurzen Moment. Als man dann erfuhr, dass Ray sich wünschte, seine Pflegetochter würde später einmal so wie sie werden und Kaitlin ihm für die vielen Dinge dankbar ist, die Ray für sie getan hat, war sie für mich ebenfalls aus dem Rennen.
Die Letzte, die als Mörderin infrage kam, war das Vergewaltigungsopfer Zoe Buttler. Vor sieben Jahren wurde sie vergewaltigt, der Täter hat aber nur eine fünfmonatige Haftstrafe für seine Tat bekommen. Für ein Opfer eines solchen Verbrechens durchaus ein Schlag ins Gesicht und es ist für mich nachvollziehbar, dass das Opfer dann auf Rache schwört. Aber: Nach sieben Jahren?! Sicherlich hinterlässt ein Trauma immer tiefe Spuren in der Seele, die womöglich nie verheilen werden. Aber einen Mord nach so einer (langen) Zeit zu begehen und damit vielleicht alles noch einmal alles durchleben zu müssen, wenn man des Mordes überführt wird und vor Gericht landet? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen und Zoe hat auf mich einen sehr positiven Eindruck gemacht, der gezeigt hat, dass sie die Tat zwar nie vergessen wird, aber mit der Zeit gelernt hat bzw. stark genug geworden ist, das Geschehene hinter sich zu lassen und ein neues Leben anzufangen. Schon bei ihrem Verhör im Gerichtsaal machte Zoe auf mich den Eindruck, als wolle sie von anderen nicht als Opfer gesehen werden, weil sie dadurch immer wieder an die schreckliche Zeit erinnert wird. Daher konnte ich auch gut verstehen, dass sie sich von ihrem Ex-Mann Jon getrennt hat, der sie nicht nur immer wieder daran erinnert hat, sondern sie auch regelrecht in die Enge mit seinem Beschützerinstinkt gedrängt hat. Wenig überraschend war dann auch, dass er der Mörder von Ray Kenzie gewesen ist.
Co-Trauma
Mich hat zwar wenig überrascht, dass Jon der Mörder ist, dafür aber, warum er zum Mörder wurde. Bei Alkoholikern, die verheiratet sind, weiß man, dass es beim Partner zu einer Co-Abhängigkeit kommen kann. Die Co-Abhängigen unterstützen den Alkoholismus des Partners, ohne sich dabei wirklich im Klaren darüber zu sein, dass sie damit nur noch mehr in den Strudel geraten.
Bei dem hier aufgegriffenen Thema Vergewaltigung ist es ähnlich, denn nicht nur Zoe selbst wurde durch die schreckliche Tat traumatisiert, sondern auch ihr Ex-Mann Jon. Zoe hätte wahrscheinlich durchaus Grund gehabt, Ray zu töten, da ihr Vergewaltiger durch ihn nur eine fünfmonatige Haftstrafe bzw. ein Jahr bekam und er nach fünf Monaten aus der Haft entlassen wurde. Allerdings fehlte uns eine entscheidende Informationen, die erklärt, warum Zoe nicht die Mörderin ist und es nur eine fünfmonatige Haft gegeben hat: Zoe hatte Mitleid mit ihrem Peiniger und wollte sein Leben aufgrund einer jahrelangen Haftstrafe nicht zerstören, nur weil er einen Fehler gemacht hat. Mich wundert allerdings schon, dass es nie publik wurde, dass eigentlich Zoe für diese kurze Haftstrafe verantwortlich war.
Auf der einen Seite ist es schon in gewisser Weise lobenswert, dass sie die Stärke besessen hat, ihm die Chance zu ermöglichen, ein recht gutes Leben zu führen und ihm diesen 'Fehler' zu verzeihen. Auf der anderen Seite ist es aber unglaublich dumm von ihr gewesen! Nicht nur, weil sie sich meiner Meinung nach zu sehr für ihn eingesetzt hat, sondern auch, weil sie doch gar nicht wissen kann, ob sie das einzige Opfer war oder besser gesagt geblieben wäre. Gut, dass sie ihren Fehler dahingehend eingesehen hat und nach vorn blicken kann. Ganz im Gegenteil zu ihrem Ex-Mann Jon.
Irgendwie fand ich es interessant und erschreckend zugleich, was letztlich dazu geführt hat, warum er Ray getötet hat. Ähnlich wie bei Zoe ist es schon lobenswert, dass er seine Frau vor einem erneuten Angriff schützen wollte, allerdings hat er dabei das Wesentliche völlig außer Acht gelassen: Dass Zoe eine Überlebende ist, die nicht daran zerbrochen ist und nach vorne blickt. Wobei man Jon keinen Vorwurf machen kann, denn nach Aussage von Daniel Charles hat er zumindest seelisch das Gleiche erlitten wie Zoe und fühlt sich hilflos, dass er ihr nicht helfen konnte (obwohl sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal zusammen waren). Das Erschreckende an der ganzen Sache für mich auch, dass Jon vielleicht den Mord nicht mal begannen hat, um Zoe zu schützen, sondern weil er sie mit ihrem neuen Mann gesehen hat und erkannt hat, dass sie keinen Schutz mehr nötig hat und tatsächlich ein neues Leben begonnen hat. Etwas, was ihm selbst noch immer unmöglich zu sein scheint, weshalb er auch die 30 Jahre Haft hingenommen hat, weil er wahrscheinlich ohnehin keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht.
Schützen der Privatsphäre
Ich bin schon ein bisschen überrascht von Anna. Auf mich hat sie bisher nicht wirklich den Eindruck gemacht, auf ältere Männer zu stehen. Aber jedem das Seine. Dass sie mit Ray geschlafen hat, steht für mich eigentlich außer Frage. Ich finde aber nicht, dass sie in dem Mordfall befangen war und finde daher auch gut, dass sie in dem Punkt ihre Privatsphäre gewahrt hat. Letztlich lieferte sie die entscheidenden Hinweise, damit Peter Stone überhaupt sein Wissen und die Fakten dahingehend kombinieren konnte. Trotz dessen fand ich die Szenen zwischen Peter und Anna sehr toll, da die beiden für mich einfach eine großartige Chemie miteinander haben.
Randnotiz
- Mir gefiel es sehr gut, dass man Daniel mit in den Fall einbezogen hat. Ich sehe Oliver Platt unglaublich gerne in der Rolle und finde auch, dass er mit jedem gut harmoniert.
Fazit
"Chicago Justice" hat eine großartige Folge darüber abgeliefert, was passieren kann, wenn man ein Trauma nicht überwinden kann und hat besonders durch die Suche nach dem eigentlichen Mörder bei mir punkten können. Ich hoffe, man hält dieses Niveau über die restliche Staffel und lässt die Charaktere weiter so gut agieren, wie man es bei Anna und Peter gesehen hat.
Daniela S. - myFanbase
Die Serie "Chicago Justice" ansehen:
Vorherige Review: #1.03 Ein amerikanischer Held | Alle Reviews | Nächste Review: #1.05 Operation Omega |
Diskussion zu dieser Episode
Du kannst hier mit anderen Fans von "Chicago Justice" über die Folge #1.04 Auge um Auge diskutieren.
Informationen zur Episode
Englischer Titel: Judge NotErstausstrahlung (US): 12.03.2017
Erstausstrahlung (DE): 21.12.2018
Erstausstrahlung (Pay-TV): 23.05.2017
Regie: Elodie Keene
Drehbuch: April Fitzsimmons
Links
Meistgelesen
Aktuelle Kommentare
22.11.2024 21:56 von Chili_vanilli
Cruel Intentions: Cruel Intentions
Hat schon jemand reingeschaut? Bin akutell bei Folge 1... mehr
20.11.2024 15:18 von Catherine
Liebeskolumnen: Rory & Dean, Teil 3
Ich glaube, es wurde während des "Gilmore... mehr