Bewertung

Review: #4.05 Die Stunde der Wahrheit

Die zentrale Storyline bei "Chicago Med" ist aktuell die Undercover-Ermittlung von Dr. Will Halstead gegen Ray Burke, die ich mit sehr gemischten Gefühlen sehe, da sie scheinbar für einige Folgen angelegt ist und somit nur unweigerlich für eine Katastrophe sorgen wird, die vermutlich auf Kosten seiner Beziehung zu Dr. Natalie Manning gehen wird. Diesen Eindruck unterstreicht die aktuelle Folge sehr deutlich.

Bei Natalie und Will ärgert mich vor allem, dass man die beiden wirklich kaum mal über einen längeren Zeitraum wirklich glücklich miteinander erlebt, weil sie sich entweder über medizinische Fälle in die Haare bekommen oder weil ständig dunkle Gewitterwolken über ihnen hängen. Im Zusammenhang ihrer bevorstehenden Hochzeit stößt es mir dann besonders bitter auf, weil es ja in erster Linie Will ist, der alles vorantreibt und der auch schon hat durchscheinen lassen, dass er diese große Feier will, weil er so etwas im Gegensatz zu Natalie noch nicht erlebt hat. Jedoch erhält man nun mehr und mehr den Eindruck, dass nur noch Natalie sich wirklich freuen kann, weil Will in erster Linie mit anderen Sorgen beschäftigt ist. Eine bezeichnende Szene ereignet sich ja gleich zum Anfang der Folge, als die beiden zusammen einen Vorbereitungskurs besuchen, der von der Kirche veranstaltet wird. Es wird deutlich, dass das vor allem Wills Wunsch war, doch er kann diesen Schritt, wie offensichtlich auch einige andere, überhaupt nicht genießen, weil ihm ständig sein schlechtes Gewissen im Weg ist. Hinterher ist es dann selbst für mich als Zuschauerin fast schon körperliche Qual mitzuverfolgen, wie Will sich gegenüber Natalie immer mehr um Kopf und Kragen redet. Wie soll das nur ausgehen???

Als Ausgleich bekommt Natalie noch nicht einmal einen überzeugenden Patientenfall. Die Grundidee, dass sowohl Mutter als auch Tochter sexuell missbraucht wurden, finde ich eigentlich sehr interessant. Jedoch habe ich insgesamt das Gefühl, dass bei diesem sensiblen Thema nicht tief genug vorgedrungen wird. Der Fokus schien eher auf der Tatsache zu liegen, dass die sehr intime Untersuchung nach einer Vergewaltigung nur durchgeführt werden kann, wenn das Opfer dazu auch wirklich bereit ist. Die wirklich entscheidende Auseinandersetzung, nämlich das Gespräch zwischen Tonya und Neela, wird ausgespart. Dabei wäre es doch wirklich sehr interessant gewesen, nachvollziehen zu können, was es mit Tonya gemacht hat, dass sie zu ihrer Vergewaltigung geschwiegen hat und warum sie sich daher das Gegenteil für Neela wünscht. Zudem war es auch einfach kein Fall, in dem sich Natalie entscheidend hervortun konnte.

Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass nach dem Moment, wo Dr. Ethan Choi Bernie vorerst als Mann an der Seite seiner Schwester Emily akzeptiert hat, etwas passieren muss, das Bernie ins schlechte Licht rückt. Das erfolgt nun gleich doppelt dramatisch, da Bernie einerseits einen Alkoholrückfall hat und als Patient von Ethan endet und dabei wird dann auch noch offenbart, dass er verheiratet und bereits Vater einer jugendlichen Tochter ist. Das waren natürlich geniale Paukenschläge für die Handlung, leider machen sie Bernie in meinen Augen zu einem erbärmlichen Schwächling. In der letzten Folge war er Ethan gegenüber noch selbstbewusst aufgetreten und hat ehrlich angekündigt, dass er immer auf Emily und ihr gemeinsames Kind Acht geben wird und das tritt er nun mit eigenen Füßen, weil er sich als Feigling erweist, das sich nicht von seiner Ehefrau trennen kann und sie sogar noch im Glauben gelassen hat, mit ihr ein gemütliches Eigenheim aufbauen zu wollen.

Für Ethan ist das natürlich ein gefundenes Fressen, da er Emily durch seine Erfahrungen mit ihr, vermutlich am liebsten für immer in Watte packen würde. Seine Frustration über Bernie habe ich sehr gut nachvollziehen können, aber leider hat er seine Sorge um Emily dann auch auf ihrem Rücken ausgetragen, was sich als großer Bruder einfach nicht gehört. Ich hätte von ihm nicht erwartet, dass er die Offenbarungen zu Bernie vor ihr verheimlicht, aber dass er sie unter falschen Vorwänden ins Krankenhaus gelockt hat, damit sie dann selbst von Ashley und Jamie erfährt, das war wirklich rücksichtlos! Spätestens als Ashley Emily dann noch öffentlich bloßstellt, ist der Gaudi perfekt. Daher kann ich sehr gut nachvollziehen, dass sie am Ende vorerst mit Ethan bricht. Ich verstehe auch, dass sie Bernie als Vater ihres Kindes nicht einfach fallenlassen will. Aber dennoch fällt er mir nach dieser Folge sehr schwer, so einen schwachen Mann für immer an Emilys Seite zu sehen.

Ein richtig starker Patientenfall ergibt sich für Dr. Ava Bekker. Anfangs musste man noch denken, dass Keith Yates, der nach einem Motorradunfall eingeliefert wird und jegliches medizinisches Eingreifen verweigert, ein Fall von Dr. Connor Rhodes wird. Da aber die OP ausgesetzt wird, damit Dr. Daniel Charles den Wunsch des Patienten psychiatrisch bewerten kann, hat er keinen Notfallstatus mehr und fällt in Avas Hände. Diese Entwicklung finde ich in der Gesamtbetrachtung richtig gut, da Ava in der bisherigen Staffel wieder nur als Gegenpol von Connor genutzt wird. Ihr nun einen eigenständigen Fall zuzuweisen, ist für ihre Figur wirklich sehr förderlich. Als herauskommt, dass Keith eine Chorea Huntington-Erkrankung verheimlicht hat und partout nicht will, dass sein Sohn Max davon erfährt, da er diese Krankheit geerbt hat und aus eigener Erfahrung weiß, dass man nicht mehr in vollen Zügen lebt, weil man die tödliche Krankheit immer im Hinterkopf hat. Daran hat sich eine wirklich spannende Frage gebunden: will man wissen, dass man tödlich krank ist oder lieber nicht?

Ich bin doch sehr deutlich auf Avas Seite, die sogar für einen Moment Keiths Leben rettet, damit er es Max selbst sagen kann. Sie und Daniel können es aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht übernehmen. Ich fand es sehr spannend bei Ava mitzuerleben, wie sehr sie sich in diesen Patientenfall emotional hineingesteigert hat und dass sie schließlich eine Verbindung zu Max aufbaut und daher unbedingt erreichen will, dass er von seinem Schicksal erfährt. Am Ende bekommt Keith eigentlich seinen Willen, da er stirbt und seine Patientenakte für 50 Jahren hat versiegeln lassen, doch Daniel ist eben ein Fuchs mit einiger Erfahrung. Er rät Max am Ende zu einer Autopsie, die die tödliche Erbkrankheit entlarven wird. Vor allem Daniels finales Argument ist wirklich sehr überzeugend, denn Erbkrankheiten spielen bei der Kinderplanung der nächsten Generation immer eine Rolle.

Wir kommen bei Ava aber nicht nur durch ihren medizinischen Fall einen Schritt weiter, sondern es gibt auch endlich eine Entwicklung, die der Offenbarung des anonymen Spenders des neuen OP-Saals für Connor näherkommt. Dieser will eine weitere teure Gerätschaft für seinen OP erwerben und hofft auf die Preisgabe des Spenders, um so um eine erneute Geldspende zu bitten. Ava befürchtet daraufhin natürlich sofort, dass ihr Deal mit Cornelius Rhodes auffliegt und ist erst halbwegs beruhigt, als Sharon Goodwin versichert, dass der Name unter Verschluss bleibt. Dennoch ist sie so aufgeschreckt, dass sie mit Connor in einen Streit gerät, der wiederum ihn aufrüttelt. Er entschuldigt sich aufrichtig bei ihr und gesteht, dass er vor allem wegen ihr Chicago nicht verlassen habe. An dieser Stelle war ich aufgrund dieses ehrlichen Geständnisses erstmal sehr verblüfft, da es wirklich sehr unerwartet kam, auch wenn man es natürlich erahnen konnte. Wenn man an dieser Stelle nun gehofft hat, dass Ava ihm überglücklich um den Hals fällt, der wird bitter enttäuscht. Natürlich ist sie über diese Offenbarung glücklich, aber vielleicht ist ihr Gewissen aufgrund der Geheimnisse, die zwischen ihnen stehen, doch zu groß, da sie daraufhin nichts erwidert. Auf jeden Fall eine ungewöhnliche Entwicklung!

Fazit

In dieser Folge habe ich wirklich das Gefühl, dass über ihr eine große Gewitterwolke gehangen hat, da sämtliche Geschehen eine negative Grundstimmung hatten. Sei es Will, der sich gegenüber Natalie immer mehr in seine Lügen verstrickt oder sei es Ethan, der seiner Schwester rücksichtslos vor den Kopf stößt. Wenigstens hatte Ava endlich mal einen Patientenfall ohne Connor im Nacken. Insgesamt bleibt bei mir jedoch ein unnötiges Gefühl von Hoffnungslosigkeit zurück.

Lena Donth - myFanbase

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