Bewertung

Review: #1.17 Entzugserscheinungen

Kurz vor dem Staffelfinale werden bei "Chicago Med" die ersten Weichen für die zweite Staffel gestellt. Dabei muss sich vor allem Will Halstead entscheiden, wie wichtig ihm seine berufliche Karriere ist. Natalie Manning erkennt hingegen, dass sie endlich nach vorne schauen muss und Sharon Goodwin zeigt eine vollkommen neue Seite an sich, die besonders Will nicht fassen kann.

Nicht aus der Haut können

Fangen wir doch mal mit dem Handlungsstrang an, der vor allem Sharon in ein neues Licht rückt. Will und April Sexton behandeln den alkoholabhängigen Chuck Gleason, der nicht zum ersten Mal im Chicago Med ist. Obwohl er sich ein Bein gebrochen hat, steht vor allem sein Alkoholismus im Vordergrund, was mir von der Thematik bzw. der Entwicklung des Handlungsstranges sehr viel besser gefallen hat. Durch die lange Zufuhr vom Alkohol hat Chuck nicht nur eine Abhängigkeit entwickelt, sondern auch eine Leberzirrhose. Trotz des schlimmen Befundes, schafft er es einfach nicht, den Wunsch zu haben, endlich clean zu werden. Ich glaube, wenn man schon über so viele Jahre abhängig ist und dadurch sogar eine Krankheit bekommen hat, die über kurz oder lang sowieso tödlich endet, kann man die Kraft für einen Entzug einfach nicht aufbringen. Zumal es bei einem Entzug ohnehin erst einmal darum geht, dass der Patient es selbst will, weil es sonst so oder so sinnlos wäre. Dass Chuck diesen Wunsch überhaupt nicht hat, wurde mehr als einmal deutlich.

Ich fand es gut, dass April erkannt hat, wie man ihm am besten helfen kann, auch wenn das in Wills Augen gegen den Eid ist, den alle vom Krankenhaus einmal geschworen haben. Es mag richtig sein, dass Ärzte die Pflicht haben, Leben zu retten. Ebenso haben sie aber auch die Pflicht, sich dem Wunsch des Patienten zu beugen, wobei es völlig gleichgültig ist, ob sie anderer Meinung sind. Gerade bei Will konnten wir schon mehrmals miterleben, wie wichtig es ihm ist, das Leben von Patienten zu retten und er hat dabei immer wieder deutlich gemacht, genau aus diesem Grund Arzt geworden zu sein. In diesem Zusammenhang gefiel mir die Auseinandersetzung zwischen Will und April sehr gut, in der sie beide ihren Standpunkt klar gemacht haben. Besonders bei April war zu erkennen, dass ihr das Seelenheil ihrer Patienten wichtiger ist, als Vorschriften. Ich denke, selbst wenn sich ihr irgendwann mal die Möglichkeit bieten würde, ein Studium als Ärztin in Angriff zu nehmen, würde sie dieses ablehnen. Dafür denkt sie meiner Meinung nach viel zu sehr als Krankenschwester und könnte nicht aus ihrer Haut.

Ähnlich ergeht es in diesem Punkt auch Sharon. Ehrlich gesagt hat es mich doch sehr überrascht, dass sie selbst einmal Krankenschwester gewesen ist. Vielleicht liegt es einfach daran, weil ich sie mir als solche noch nie vorgestellt habe. Durch diese neue Erkenntnis sehe ich Sharon in einem ganz neuen Licht, welches sie mir einfach noch einmal sympathischer macht und sich dadurch für mich auch ihr vertrautes Verhältnis zu Maggie Lockwood erklärt. Dennoch hat es mich dann doch überrascht zu erfahren, dass sie es gewesen ist, die Chuck den Alkohol gegeben hat. Anders als Will denke ich aber nicht, dass sie ihm Vorhaltungen gemacht hätte, hätte er an ihrer Stelle ebenso gehandelt. Schließlich hat Sharon deutlich gemacht, dass es bei einem Entzug vor allem erst einmal darum geht, diesen selbst zu wollen und dies war bei Chuck nun einmal nicht der Fall.

Das Broken-Heart-Syndrom

Seit dem Start von "Chicago Med" wissen wir, dass Natalie ihren Mann Jeff verloren hat und seitdem noch immer schwer mit dem Verlust zu kämpfen hat. Zeitweise sah es für mich aber so aus, als würde sie ganz gut mit ihrem Witwendasein zurechtkommen, vor allem nach der Geburt ihres Sohnes Owen. Allerdings kann man nie in einen Menschen hineingucken, wie es ihnen tatsächlich geht. Ähnlich ist es meiner Meinung auch bei Natalie. Denn obwohl sie lebensfroh wirkt, konnten wir spätestens da erkennen, wie es ihr geht, als es zum Kuss zwischen ihr und Will gekommen ist. Natalie fühlte sich überrumpelt und überhaupt nicht dazu in der Lage mit den Gefühlen ihres Freundes zurechtzukommen.

Ich hatte allerdings nicht erwartet, dass sie noch immer so sehr unter Jeffs Tod leidet, um davon krank zu werden. Wobei davon ausgegangen werden kann, dass Natalie durch ihren Ehering noch immer einen Halt und eine Verbindung zu ihrem Mann hatte und es ihr dadurch leichter gefallen ist, mit ihrem Verlust zurechtzukommen. Mir hat sie sehr leid getan, als sie durch Maggie erst einmal auf ihren verschwundenen Ehering aufmerksam geworden ist und dann in Panik geraten ist. In diesem Zusammenhang hatte ich auch endlich mal wieder das Gefühl, bei "Chicago Med" geht es familiär zu, nachdem Maggie ihrer Freundin zugesichert hat, den Ehering zu finden.

Ich fand es auch sehr wichtig, dass der Ring gefunden worden ist, damit Natalie selbst erkennt, dass das Verschwinden des Rings ein Zeichen dafür ist, dass ihr Schmerz weniger geworden ist. Ebenso wichtig fand ich es aber auch, dass Helen ihr deutlich gemacht hat, nach vorne blicken zu müssen. Für Helen muss es genauso schlimm sein, den Verlust ihres Sohnes zu verkraften und vielleicht sieht sie in Natalie so etwas wie eine Verbündete. Umso schöner gefiel mir die Szene auf dem Friedhof. Nicht nur, dass Natalie noch einmal Abschied von Jeff genommen hat und damit auch nach vorne blicken kann, sondern auch, dass Helen sie dahin begleitet hat. Ich hoffe, wir erleben in der nächsten Staffel mehrere solcher tollen Momente, die die Vertrautheit zwischen den beiden noch mehr unterstreichen wird.

Gegen die Religion

Während Natalie mit ihren Emotionen zu kämpfen hatte, muss sich Connor Rhodes mit der Religion eines Patienten auseinandersetzen. Gerade wenn es um das Thema Religion und Operationen geht, beneide ich die Ärzte um ihren Job absolut nicht. Denn sie befinden sich auf einem sehr schmalen Grat. Zum einen haben sie die Aufgabe, Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen, zum anderen müssen sie aber auch auf den Glauben Rücksicht nehmen. Ich weiß nicht, ob ich dazu in der Lage wäre, ruhig zu bleiben. Wahrscheinlich hätte ich mich ähnlich wie Connor verhalten und eher darum gekämpft, dass von Anfang an seine vorgeschlagene Operationsmethode durchgeführt wird.

Trotz allem fand ich die Reaktion von David Downey sehr gut. Durch seine lange Erfahrung als Arzt hat er spielend leicht erkannt, dass es nicht immer darauf ankommt, die beste Operationsmethode für die Patienten zu wollen, sondern zu zeigen, dass ihre Einstellung auf Verständnis trifft. Ich glaube anderseits aber schon, dass sein eigener Eingriff mit seinem Verständnis für das religiöse Ehepaar in Verbindung gestanden hat und er Connor diese Tatsache auch klar machen konnte. Dadurch hat nämlich auch dieser erkannt, wie wichtig es oftmals ist, auf die Wünsche der Patienten einzugehen.

Auch bin ich sehr froh, dass sich das Ehepaar wieder so schnell versöhnt hat. Auch wenn ich den Standpunkt von Frank verstanden und nachvollziehen konnte, kann ich genauso gut die Entscheidung seiner Frau verstehen, für die es einfach wichtiger war, noch viele schöne Jahre mit ihrem Mann zu verbringen.

Die Sichtweisen des Alters

Der gemeinsame Fall von Sarah Reese und Daniel Charles hat mich etwas zum Schmunzeln gebracht, was einfach daran lag, weil ich nicht mit dieser Offenbarung gerechnet habe. Zwei ältere Damen – Wanda und Rose – die über die 80 und im selben Altersheim leben, werden mit den gleichen Krankheitsanzeichen eingeliefert, was schon mal verwunderlich ist. Aber wer kommt den auch dabei auf den Gedanken, die beiden könnten an einer Geschlechtskrankheit leiden. Wobei das nicht heißen soll, dass man in dem Alter nicht mehr sexuell aktiv sein kann. Doch dass die beiden sich eine Geschlechtskrankheit leiden, zeigt auch wieder einmal, dass man auch im Alter nicht immer die klügsten Entscheidungen trifft.

Ich kann allerdings auch verstehen, wenn sich besonders ältere Menschen nach Geborgenheit sehnen. Denn nur weil man in die Jahre gekommen ist, lässt das Bedürfnis nach Geborgenheit längst nicht nach. Zudem scheinen die meisten Frauen in dem Alter eher gelassen zu reagieren, sonst hätten Rose und Wanda sicherlich ein Problem damit, dass Clyde gleich mehrere Frauen umsorgt.

Vielleicht muss auch Sarah noch etwas älter werden, um die Sichtweise von Rose zu akzeptieren, dass es Wichtigeres gibt, als die Treue eines Mannes und mal ehrlich: Clyde ist doch trotz allem irgendwie niedlich, wie er sich um Rose und Wanda gekümmert hat oder?

Randnotizen

  • So wie es aussieht, hat sich Will für eine andere Stelle, bei der er mehr Aufstiegschancen hat, beworben. Ich hoffe mal nicht, dass er seine Entscheidung schon bald bereuen wird. Für mich sah es nämlich so aus, als hätte er sie voreilig getroffen.
  • Schön, dass Ethan Choi den Papagei aus der letzten Folge bei sich aufgenommen hat. Das zeigt, wie wichtig es ihm war, dass sein Patient mit gutem Gewissen ein neues Leben anfangen kann.
  • Ich hätte zu gerne eine Szene vom gemeinsamen Essen von Sharon, Daniel, ihrem Mann und einer Freundin gesehen. Alleine schon Daniels Reaktion darauf, dass die Freundin Veganerin ist, amüsierte mich.

Fazit

Am Anfang dieser Folge hatte ich erst den Eindruck, es würde langweilig werden. Doch immer mehr zeigte sich dann, zu welcher Stärke "Chicago Med" fähig ist. Mit den neusten Entwicklungen der Charaktere und der Handlungsstränge, könnte ich mir vorstellen, dass uns ein großartiges Staffelfinale erwartet.

Daniela S – myFanbase

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