Bewertung

Review: #8.12 Wiederholungstäter

Die 'alte' Darstellerriege hat es bei "Chicago P.D." wahrlich nicht leicht. Nachdem Trudy Platt schon seit einigen Staffeln nur noch als sogenannter Scene Stealer agieren darf, ohne aber eine eigene Episode zu erhalten, ist diese Entwicklung auch bei Hank Voight angekommen. Zwar ist er als Leiter der Intelligence Unit omnipräsent, aber er ist für viele Handlungsbögen nur noch der Zuarbeiter. Persönlich ist das für mich nicht die schlechteste Nachricht, denn Hank stand durch seine Art nicht unbedingt für Fortschritt und dennoch fällt es in einer Ensembleserie auf, wenn einzelne Figuren sträflich vernachlässigt werden. Nun war also Hank mal wieder dran, aber auch mit dem Motto 'same old, same old'?

Die aktuelle achte Staffel versucht recht konsequent, die durch Samantha Miller eingeführte Polizeireform zu thematisieren und umzusetzen, die als Folge der zunehmenden Polizeibrutalität in den USA gesehen werden kann. Die Idee dahinter ist löblich und doch muss man sagen, dass schon in einigen Episoden bemängelt werden konnte, dass an Figuren wie Hailey Upton, Adam Ruzek und natürlich auch Hank selbst immer noch eine gehörige Portion Skepsis und Eigensinn zu bemessen ist, was angesichts der Brisanz der Thematik fast schon fahrlässig erscheint. Und dennoch hat man gerade bei Hank auch das Bemühen bemerkt, Samanthas Reformwille mitzutragen, zumal er schon lange nicht mit einer Deputy Superintendent so gut zusammengearbeitet hat. Die beiden müssen nicht immer einer Meinung sein, aber Hank hat vermittelt bekommen, dass sie ihm vertraut, also vertraut auch er ihr. Dennoch hätte ich nicht damit gerechnet, dass er in dieser Episode so stark gegen seine Instinkte agieren würde. Aber gleichzeitig ist alleine die Idee dahinter wirklich lobenswert, denn es ist tatsächlich mal eine Voight-Episode, die wir so noch nicht gesehen haben.

Die Unit hat es mit einem Vergewaltiger und Mörder zu tun, der nur wegen der Polizeireform auf freiem Fuß ist. Bekanntlich haben Neuerungen immer schon viele Opfer gefordert und Samanthas konkretes Vorgehen in den einzelnen Arbeitsschritten ist absolut nachzuvollziehen und zu unterstützen. Dennoch passieren dann eben die Aspekte, die peinlich erscheinen, weil durch bürokratische Fehler Verbrecher auf freien Fuß kommen, bei denen es keinerlei Diskussionen gibt, dass sie eigentlich hinter Gittern gehören. Dazu gehört nun auch Caleb Hoff, der sicherlich mit seinen Gräueltaten zu den unsympathischen Verbrechern gehört, die die Cop-Serie uns bislang präsentiert hat. Denn wirklich brutale Fälle, die in jeder Szene Entsetzen auslösen, sind doch eher die seltene Gruppierung, weswegen das Vorgehen von Hoff tatsächlich sehr verabscheuungswürdig ist. Insgesamt muss man sagen, dass für die Betonung der thematischen Brisanz ein wirklich düsterer Kriminalfall geschaffen wurde, der genau richtig gewählt wurde.

Dass Hoff überhaupt auf freiem Fuß ist, liegt an einem Vergehen von Detective Lisa Martinez, die eine Hausdurchsuchung erzwungen hat, obwohl sie dafür noch gar nicht die gerichtliche Anordnung hatte. Ich hatte ein wenig den Eindruck, dass sie als weibliches Gegenstück von Hank installiert werden sollte, aber das hat bei mir nicht gezogen. Zum einen ist eine Episode definitiv zu wenig, um den Charakter einer Figur vollends zu begreifen, zum anderen ist über die Regeln hinwegsetzen nicht gleich über die Regeln hinwegsetzen. Weiterhin kann man sagen, dass Martinez' Schicksal schon längst Hank hätte ereilen müssen. Denn bei ihm haben wir gesehen, wie er wieder und wieder alle möglichen Grenzen ausgereizt hat. Bei Martinez wissen wir von einem Fehler, der ausgerechnet in die kritische Phase gefallen ist, in der die Polizeireform greifen konnte und schon ist ihre Karriere in alle Einzelteile zerbrochen. Dieses Schicksal ist ohne Frage unfair, weswegen die Tragik auch gut rübergekommen ist, dennoch waren mir die Verbindungen zu Hank definitiv zu schwach.

Betrachten wir Hank aber isoliert, dann passt für mich das Geschehen gut. Es ist wie gesagt ein Kriminalfall, der auch beim Zuschauer*in Wut und Entsetzen bewirkt, da hat man sofort volles Verständnis, wenn Hank und die anderen sich schwer bemühen müssen, noch einen kühlen Kopf zu bewahren. Und dann ergibt sich ein Wettlauf gegen die Zeit, um weitere Menschenleben zu retten und der Kronzeuge will den Mund nicht aufmachen! Es war eine klassische Szene, die in den früheren Staffeln nach dem Käfig geschrien hätte, doch eben dieser ist in Zeiten der Polizeireform im Grunde ein Eigentor. Das mahnt auch Jay Halstead an, der direkt bemerkt, wohin die Gedanken seines Chefs führen. Dass es nun ausgerechnet er war, der sich als Moralapostel aufschwingt, soll im nächsten Absatz behandelt werden. Hank jedenfalls konnte man aus der ersten Reihe beobachten, wie er einen inneren Kampf ausficht. Mit Adam an seiner Seite hat er nun wahrlich niemanden, der Protest einwendet und doch schreckt er schließlich zurück. Wann ist das schon mal passiert? Er hat zwar anschließend einen Wutanfall, den er an einem Auto auslässt, aber man merkt deutlich, dass es für ihn etwas Neues ist, sich an Regeln zu halten und seine innere Natur zu unterdrücken. Dass Hank keinen Persönlichkeitswandel mehr durchmacht, das würde ich gar nicht erwarten, aber ihn nun stetig als Regelbefolger zu erleben, das ist definitiv interessant. In der letzten Staffel wurde er schon an seine Grenzen getrieben, doch die Thematik wurde fallen gelassen. Jetzt merkt man aber deutlich, dass in einer neuen Zeitrechnung angekommen ist. Gerade bei einer ambivalenten Figur wie Hank ist das sicherlich ein wichtiges Zeichen.

Und doch strahlt die Serie auch immer wieder andere Signale aus. Jay hatte ich schon angesprochen. Bei ihm war ich mir eigentlich sicher, dass er auf Dauer tatsächlich der Moralapostel wird, aber dafür ist in seinen eigenen Episoden doch zu sehr in andere Richtungen getrieben worden. Dass er also ausgerechnet diesmal wieder den Saubermann geben will, ist ironisch. Aber es liegt auf der Hand, dass hier ein Konfliktpunkt in der Beziehung zu Hailey aufgebaut werden soll. Denn diese ist ganz in ihrer Natur, 'Das Böse muss zur Strecke gebracht werden, egal wie'. Doch es ist wieder ein Zeichen gegen die Polizeireform. Ähnlich wie Hanks weitere Taten, der zum einen Samantha dazu bringt, keine weiteren Fragen zu stellen und dann Martinez' beinahe-Ermordung von Hoff zu verbergen. Es ist nicht so, als ob ich dieses Vorgehen nicht hätte nachvollziehen können, denn Martinez ist wie gesagt eine tragische Figur und Hoff jenseits von moralischer Rettung und doch wird wieder und wieder das Motiv bedient, dass sich die Polizei aufspielen darf, über Gut und Böse zu unterscheiden. Auch wenn das amerikanische und das deutsche Rechtssystem nicht eins zu eins übereinandergelegt werden können, so ist die Polizei die ausführende Gewalt, aber ganz sicher nicht die Judikative oder die Legislative. Jedoch spielen sich die Figuren oft auf, als würde das für sie nicht gelten. Das lässt mich doch wundern, ob der Kern des Aufschreis wirklich verstanden wurde oder ob sich die Serie doch zu sehr an ihren alten Charakter klammern will. Aber ob das noch zeitgemäß ist?

Und wo zur Hölle ist Andre Cooper? Erst wurde er mit viel Trara eingeführt und jetzt fehlt schon die zweite Episode in Folge jegliche Spur von ihm. Wirkt seltsam…

Fazit

"Chicago P.D." bietet in dieser Woche eine Hank-Voight-Episode der ganz neuen Art, was ich definitiv positiv werten möchte, denn ich habe den Kerl nie in diese Richtung gehen sehen. Die insgesamt sehr spannende Episode ist aber dennoch von dem Gedanken getrübt, dass sich die Polizeiserie nicht so recht entscheiden kann, wie sie sich zur realen Polizeiarbeit positionieren will. Das finde ich den aktuellen Zeiten weiter bedenklich…

Lena Donth – myFanbase

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