Bewertung

Review: #10.10 Dieser Job

Auch wenn der Gedanke schmerzt, "Chicago P.D." schlägt sich seit dem Ausstieg von Jesse Lee Soffer als Jay Halstead beachtlich gut. Auch wenn ich immer prophezeit hatte, dass Änderungen innerhalb der Intelligence Unit der Serie gut tun würde, so hätte ich ihn für diesen Umschwung wohl nicht auserkoren. Aber es funktioniert trotzdem und es ist gut, dass "Chicago P.D." mit diesem Gefühl auch in das neue Jahr 2023 startet. Immerhin steht auch bald die 200. Episode der Serie an, da sollte der optimistische Eindruck definitiv durchgezogen werden.

Nach dem Weggang von Jay ist Dante Torres bislang eher in die Richtung Kevin Atwater gerückt worden, was sehr gut funktioniert hat. Diesmal gibt es das Duo aus ihm und Adam Ruzek und auch das hat gut funktioniert und zwar für beide Charaktere gleichermaßen. Gerne möchte ich mit Adams Perspektive anfangen, auch wenn er in dieser Episode eher zweitrangig war, aber ich fand dennoch, dass es eine bemerkenswerte Episode für ihn war. Ihn gab es eigentlich nur noch in der Familiendynamik mit Kim und Makayla Burgess, weswegen es einfach eine Abwechslung ist, ihn in einem neuen Duo zu erleben, das eben gleichzeitig eine Premiere darstellt. Es ist auch kollegial, dass er so um Torres bemüht ist und ihn auch mehr außerhalb des Büros integrieren will, was eben auch zeigt, wie gut das Team intern funktioniert (weswegen die neuerlichen Gedanken an Jays Abschiedsepisode wieder nur sehr bitter sind). Die beiden sind aber auch spannend, weil sie so völlig unterschiedliche Voraussetzungen haben. Kevin und Torres haben eher über Gemeinsamkeiten eine Verbindung geknüpft, bei Adam und Letzterem sind es eher die Gegensätze, die reizen. Deswegen war schon die erste Szene sehr symbolisch, denn wir erleben Adams Pokerrunde, die über den Serienverlauf immer mal wieder eine Rolle gespielt hat. Von dort aus haben sich schon viele Konflikte entfaltet, denn es ist eine Runde, die Adam von seinem Vater Bob Ruzek geerbt hat und dementsprechend ist es selbstredend ein bestimmter Schlag von Polizisten. Adam ist schon oft in den Konflikt getrieben worden, dass er zwischen alter Loyalität und neuen Erkenntnissen gefangen war und in Krisen gestürzt wurde, wie er sich eigentlich als Polizist definiert. Denn im Grunde ist er einfach in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat sich eigentlich viel zu spät erst fragen müssen, was für eine Art von Polizist er sein will. Bei Torres war es genau umgekehrt: Der Job des Polizisten war für seinen Lebensweg scheinbar nie vorgesehen, aber sein Bedürfnis, für seine Gemeinschaft Polizist zu werden, hat ihm von Anfang eine Mission gegeben.

Die Voraussetzungen sind also höchst unterschiedlich, doch die Episode zeigt, wie sehr Adam seitdem gewachsen ist. Alte Loyalitäten werden über diese Pokerrunde immer eine Rolle spielen, aber er kann das zunehmend davon lösen, was privat und was beruflich ist. Zwar ist die Beziehung zu Kollege Borkowski nicht besonders intensiv inszeniert worden, aber ich fand es dennoch bemerkenswert, wie schnell Adam auf Torres' Seite war, nachdem dieser die Anschuldigungen gegen Borkowski vorgebracht hatte. Möglicherweise mag er mit seiner Art einzugreifen, auch Borkowski zunächst geschützt haben, zumal er Hank Voight als späteren Mitwisser bewusst ausgeschlossen hat, aber ich glaube, dass das eher zufällig war, denn Adam wusste ja nicht, wie sich die Ermittlungen noch entwickeln würden und er hat dennoch Torres bedingungslos unterstützt. Sie sind letztlich in eine Sackgasse geraten und mussten eine Art 'Niederlage' hinnehmen. Dennoch würde ich das Ende der Episode so deuten, dass Torres Adam auf seiner Seite wissen darf, sollte es eine Möglichkeit geben, Borkowski dranzukriegen.

Auch für Torres war es eine gute Episode, die auch sein Profil weiter schärft. Ich finde es angenehm, dass eine solche Konstanz festzustellen ist. Zwar war ich nach #10.04 Dónde Vives über das gewaltsame Ende etwas erschrocken, aber es wird hier weiter intensiviert. Torres muss zwar nicht wieder zulangen, aber so selbstbewusst, wie er sich als Rookie Borkowski in ihrer finalen Auseinandersetzung gestellt hat, das zeigt, dass er Biss hat, dass er keine Auseinandersetzung scheut und dass er einfach von seinem bisherigen Lebensweg so geprägt wurde, dass er seine Ziele – zu seinen Bedingungen – knallhart verfolgen wird. Der aktuellen Episode hat ein wenig gefehlt, auch Borkowski als Person deutlicher zu charakterisieren. Zwar ist es schon viel, dass die Episode für Torres und Adam einiges bewegt hat, aber ich denke, dass dennoch auch für Borkowski noch mehr drin gewesen wäre. Dass er ein Aggressionsproblem hat, geschenkt, das ist offensichtlich und auch die in zahlreicher Menge gegen ihn eingereichten Beschwerden wegen übertriebenem Einsatz bestätigen das Bild, aber warum war er so hinterher, den Fall nicht abzugeben? Ich habe lange vermutet, dass vielleicht eine persönliche Involvierung vorliegt, was sich letztlich aber nicht bestätigt hat, was seine Motivik dann aber wiederum fraglich macht. Denn seine Aggressionen kann er an Fällen genug abbauen, eine Stadt wie Chicago schenkt schließlich nie eine kriminelle Atempause. Dementsprechend war mir Borkowski zu beliebig und zu sehr Schachfigur, was der Episode im entscheidenden Moment dann auch an Brisanz nimmt. Das Ende deutet an, dass es vielleicht nicht die letzte Begegnung mit Borkowski war. Ich glaube schon, dass er per se Potenzial hat und dass man das gerne weiterverfolgen kann, aber dann bitte mit mehr Tiefe bei ihm selbst.

Aber zurück zu Torres, der zum einen sein Selbstbewusstsein präsentieren darf und zum anderen wieder seine liebenswerte Empathie. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Episode. Schon beim Pokerspiel zeigt er ein Gefühl dafür, wann die Stimmung kippt und wann er erkennt, dass es nicht seine Runde ist. Er verabschiedet sich aber nicht mit einem lauten Knall, sondern taktvoll. Dann zeigt es sich wieder, als sie zu dem Raubüberfall gerufen werden und Torres sich behutsam um das Vergewaltigungsopfer Monica kümmert. Zunächst bedeckt er sie, um sie dann auch erstmal nicht mehr anzufassen, sondern dann erst um Erlaubnis bittet, dass er ihr die Fesseln lösen darf. Diese Empathie zeigt sich später auch mit Alex Curry, in dem er spätestens sich selbst gesehen hat, als dieser fleht, nicht wieder ins Gefängnis zu dürfen, weil er sich um seine Mutter kümmern muss. Aber es hat sich auch vorher gezeigt, als er Alex beigestanden und sofort erkannt hat, dass dieser schwer verprügelt wurde (er weiß eben, wie die Sprache der Fäuste aussieht). Torres ist definitiv ein feiner Kerl und auch einer mit Intuition, da er Borkowski sofort durchschaut hat. Ich sprach zwar davon, dass Torres ein Polizist mit Mission ist, aber es ist augenscheinlich, dass ihm die Mission wichtiger ist als der Beruf selbst. Deswegen wäre er wohl auch nicht davor zurückgeschreckt, die Karrieredrohungen von Borkowski herauszufordern, denn Polizist zu sein ist mehr ein Mittel zum Zweck als eine eigentliche Berufung. Und seine Mission war es letztlich, Alex und den anderen Opfern zu helfen bzw. Gerechtigkeit zu verschaffen. Dieser Eindruck bestätigt sich auch, als er später gegenüber Adam sagt, wie unwohl er sich damit fühlt, ein Teil der blauen Mauer sein zu müssen, was bedeutet, dass Cops andere Cops schützen, obwohl sie das Unrecht sehen. Adam kennt das Spielchen, er ist so aufgewachsen, Torres ist es aber zutiefst zuwider. Dennoch haben sie hier ein tolles Duo abgegeben.

Fazit

"Chicago P.D." startet gut in das neue Jahr 2023 und punktet alleine schon damit, uns mit Dante Torres und Adam Ruzek ein neues Duo zu präsentieren. Abwechslung und neue Ideen punkten bislang in dieser zehnten Staffel. Die Episode hatte durch die blasse Gestaltung von Antagonist Borkowski zwar auch Schwächen, aber alles in allem war die Unterhaltung da und sie setzt damit einen guten Trend weiter fort.

Lena Donth – myFanbase

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