Bewertung

Review: #10.09 Beweise einer Bürde

Wie ich es schon lange vermutet habe, ist der große Showdown gegen Sean O'Neal für das Midseason-Finale aufgespart worden. Da mir die Storyline vom ersten Moment an großartig gefallen hat, verwundert es nur wenig, dass auch diese Episode wieder steil gen Spitzenbewertung lief, doch das Ende der Episode hat definitiv einen Punkt gekostet. Was meine ich damit genau?

Überwiegend war die Jagd nach Sean ein Handlungsbogen für Hailey Upton, die sich nach dem Verschwinden von Jay Halstead nach Bolivien eine Ablenkung gesucht hat und in Sean einen perfiden Gegner gefunden hat, der sie vermutlich auch inhaltlich dann so herausgefordert hat, weil sie gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Dennoch fand ich es für die Auflösung passend, dass diese Episode auch das Duo aus Hank Voight und Patrick O'Neal nicht vergisst, die durch ihr Vaterdasein die zweite große Parallele darstellen. Mit diesen beiden beginnt die Episode und es ist der Auftakt einer sehr authentischen Darstellung eines Elternteils, das sich der Wahrheit stellen muss, dass sein Sohn ein Pädophiler, ein Menschenhändler und ein Mörder ist. Zwar hätte ich mir über den gesamten Verlauf des Handlungsbogens gewünscht, dass wir mehr hinter O'Neals Gefühlswelt blicken dürfen, denn seinem Sohn ist regelrecht ein Teppich ausgerollt worden (auch diesmal wieder), während er immer nur bedeutungsschwangere Gespräche mit Hank führen durfte. Aber dennoch ergibt sich am Ende ein rundes Bild. Beide Männer hatten es mit ihren Söhnen nicht leicht, wobei O'Neal ohne Frage die größere Bürde tragen muss (und damit vergleiche ich nicht, dass Justin Voight tot ist, sondern in was für kriminelle Geschichten er vor seinem Tod involviert war und wie Hank dort als besorgter Vater und vertuschender Polizist gehandelt hat). Dennoch ist Verständnis da, aber eben auch eine wichtige Außenperspektive. Auch wenn Hank selbst Justin vor allem geschützt hätte, er hatte auch Leute an seiner Seite, die mit ihm gesprochen haben und so versucht er nun auch O'Neals Augen zu öffnen und ihn zu ermahnen, dass er für Seans Taten nicht verantwortlich ist. Doch O'Neal hat sehr lange geleugnet, bis es nur schlimmer und schlimmer wurde und wäre er früher aufgewacht, vielleicht hätte er anders entschieden, aber so war die Scham schon zu groß, weswegen es in sein Bild passt, dass er die Welt von seinem Sohn und sich selbst befreien wollte. Es ist tragisch und es wäre zu verhindern gewesen, wenn er seinem Sohn nur vorher zugehört hätte, denn Sean hat selbst erwähnt, dass es Andeutungen gab. Aber vielleicht war auch die Scham gegenüber der verstorbenen und geliebten Mutter und Ehefrau zu groß. Das Ende für O'Neal hätte ich im Vorfeld so nicht erwartet, aber es passt.

Bevor ich zum zweiten Duo dieser Episode komme, will ich aber positiv betonen, wie qualitativ hochwertig die Ermittlung gehalten wurde. Ich hatte bereits mehrfach festgehalten, dass es für "Chicago P.D." nicht unbedingt immer die oberste Priorität ist, die einzelnen Ermittlungsschritte so intensiv in den Fokus zu rücken, aber das ist durchgängig gelungen. Ich habe mich auch zwischendurch nicht mit Gedanken beschäftigt, ob sich irgendwo logische Löcher auftun. Das soll nicht heißen, dass es nicht womöglich welche gab, aber wenn doch, dann waren sie nicht nachlässig gestaltet und wenn man als Zuschauer*in auch nicht kritisch nachfragt (war da was?), dann spricht das für einen spannenden Aufbau, der immer so bei der Stange hält, dass die Gedanken nicht abschweifen wollen. Diesmal kam auch noch mehr der Bonus mit der Frage, wann stimmt die Beweiskette, dass man sie verwenden kann und wie sehr biegt man dafür das Gesetz? Steve Kot war der letzte Staatsanwalt, der mir deutlich in Erinnerung geblieben ist, da scheint Nina Chapman vielleicht jetzt auch beständig zu werden und warum auch nicht? Zwar müsste zu ihr noch etwas mehr inhaltlich kommen, aber sie scheint wie eine gute Verbündete, die auch dafür mitfiebert, dass die Beweise so ausreichen, dass sie Anklage erheben kann. Aber sie war die gute mahnende Stimme im Hintergrund, die auch zu dem logischen und durchdachten Aufbau des Falls beigetragen hat.

Was der Fall auch durchgängig angeboten hat, das war die Innenperspektive von Sean, denn in der Serie zählt oft eher, dass die Täter geschnappt werden, aber nicht so sehr, was in deren Kopf vor sich geht. Sean ist aber von Anfang an eine tiefgründige Figur gewesen, weswegen ich auch Haileys Erinnerung so passend fand, dass er eine Art hat, dass man Vertrauen in ihn schöpft und so ging es mir als Zuschauerin in der ersten Episode schließlich auch. Daher war es eine Faszination, hinter diese Fassade zu blicken und ich bin froh, dass uns zum Abschluss noch einmal ein intensives Gespräch zwischen Sean und Hailey geboten wurde. Hier hat er die Maske fallen lassen, vermutlich auch, weil Manipulation und Ähnliches ohnehin nicht mehr gebracht hat. Zwar ist es schrecklich, dass er das Böse in sich akzeptiert und beschlossen hat, dass er kontrollieren wird, wen das Böse trifft, aber es war eine interessante Sichtweise. Zwar kann man das sicherlich nicht lückenlos so stehen lassen, denn seine nicht zu kontrollierenden pädophilen Neigungen lassen sich hinterher leicht damit begründen, dass er die jeweiligen Mädchen als final gebrochen gesehen hat, denn Jungs hat es schließlich nie getroffen, wobei in so einem Jugendzentrum sicherlich Mädchen und Jungen gleichermaßen aufschlagen, die dann in Seans Perspektive nicht mehr zu retten wären. Man sieht also, dass nicht alles seiner Kontrolle unterstellt war, aber man erfährt eben auch, wie sehr er sich selbst hasst. Seine Versuche, sich Hilfe zu holen, sind dafür auch ein Beleg. Sicherlich hätte es noch Alternativen gegeben, aber wahrscheinlich war die Bürde, einen Polizistenvater zu haben, auch nicht gerade einfach. Aber dass er Hailey nicht gesagt hat, wo die Mädchen sind, zeigt vermutlich, dass er auch weiterhin einen Weg gesucht hätte, seine Praktiken durchzuziehen.

Kommen wir nun zu dem kritischen Teil der Episode. Auch wenn Sean mit seinem Schweigen die Handreichung von Hailey nicht akzeptiert hat, so hat es mich innerlich gegraust, als sie und Hank Vater und Sohn finden und glauben, dass beide tot sind, bis Sean sich aber regt und sie zunächst jegliche Unterstützung verweigert. Warum es mich so gegraust hat? Weil wir damit wieder buchstäblich am Anfang mit Hailey stehen. Wir haben sie schon fragwürdige Dinge tun sehen, damit sie Hank 2.0 wird, aber damit war es eigentlich vorbei, nachdem sie Roy Walton getötet hat. Danach ist sie beinahe völlig entzweigebrochen und ich hatte gelobt, wie sehr sie das als Mensch verändert hat. Nun steht sie wieder an einem ähnlichen Punkt und sie steht cool daneben und sagt sogar noch ihrem Boss, dass er keine Hilfe rufen sollte. Sean hat schlimme Dinge getan, das steht doch außer Frage, aber warum hätte es bei ihm anders sein sollen als bei Roy? Denn der hat genauso schlimme Sachen getan und auch beinahe Kim Burgess getötet. Diese Wendung ist für mich völlig absurd und eben ein Rückschritt. Und wieder ein Rückschritt, der sie näher zu Hank treibt. Jetzt war dieser ganze Handlungsbogen so toll, warum muss er im ewig gleichen Muster enden? Auch wenn Hank das Richtige getan hat, er wird jetzt wieder ihre Dämonen sehen und das wird sie unweigerlich wieder zu einem Duo machen, das aber auch beim zweiten Mal nicht besser werden wird, da bin ich mehr schon sehr sicher. Zudem sehe ich für Hailey zunächst auch keine Hoffnung, denn nun ist das Thema Sean abgehakt. Er lebt zwar noch, aber er wird wohl nun im Gefängnis verschwinden, damit bleibt sie mit ihren dunklen Gedanken alleine. Jetzt hat sie keine Ablenkung mehr, um sich von ihrem Wohnraum fernzuhalten und mich sich der Tatsache stellen, dass sie verlassen wurde. Wie wird Hailey damit umgehen? Das alleine hätte völlig ausgereicht, um ihre Story am Laufen zu halten, da brauche ich aber nicht solche charakterlichen Rückschritte…

Fazit

Der Showdown rund um die O'Neals wurde wie erwartet für das Midseason-Finale aufgespart und es wurde alles so vielversprechend und hoffnungsvoll aufgelöst, wie ich mir das im Vorfeld erwartet hätte. Das Problem dabei? Es geht auf Kosten von Haileys Entwicklung und das wäre absolut nicht nötig gewesen. Ob das nur ein Ausrutscher war, muss nun die Zukunft zeigen…

Lena Donth – myFanbase

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