Bewertung

Review: #10.15 Ehre und Blut

Dass Kriminalfälle bei "Chicago P.D." über mehrere Episoden gestreckt werden, ist eher die Ausnahme als der reguläre Fall. In dieser Staffel ist es bereits mit Sean O'Neal geschehen, aber auch in der letzten Staffel mit Anna Avalos und ihrer Rache gegen die Gang Los Temidos gab es einen durchgängigen Fall. Eigentlich bin ich hiervon Fan, weil sie sich so richtig etwas aufbauen und entwickeln kann. Dementsprechend freudig überrascht war ich, als im Teaser eine Rückkehr der Becks verkündet wurde, die wir in #10.12 I Can Let You Go erstmals kennengelernt haben. Doch irgendwie ist der Funke nicht so übergesprungen, wie ich mir das erhofft habe.

Zunächst möchte ich in einem Absatz den Einstieg in die Episode unter die Lupe nehmen, denn der hat mir richtig gut gefallen. Adam Ruzek so in seinen Vaterpflichten für Makayla aufgehen zu sehen, obwohl er sie selbst (noch) gar nicht adoptiert hat, stand ihm unwahrscheinlich gut. Auch weil er damit Kim Burgess den Rücken freihält. Es war klar, dass es nicht direkt in der nächsten Episode mit Quantensprüngen bei ihr weitergeht, aber ich fand es dennoch toll, dass sie aus eigenem Antrieb heraus Kevin Atwater von ihrer Therapie erzählt hat und damit laut aussprechen musste, dass sie ein Problem hat. Dementsprechend gut konnte ich auch Adams Erleichterung verstehen, als Kevin durchblicken ließ, Bescheid zu wissen. Zudem fand ich es toll, dass auch Jordan Atwater als Makaylas Eishockeycoach eingebunden worden ist, weil das diesen Szenen etwas sehr Familiäres gegeben hat, was nicht immer so zur Geltung kommt, wie ich es mir wünschen würde, aber solche Momente sind es echt wert. Makayla wirkte herrlich losgelöst und wie selbstverständlich dann auch Kevin einsprang, dass er sich um das Mädchen kümmern wird, das war alles rund und ein wirklich herzerwärmender Einstieg in diese Episode.

Als Samantha Beck und ihr Vater Richard zuletzt ein Thema waren, war sie ein Entführungsopfer und Sean hatte Hailey Upton auf ihre Spur gebracht. Deswegen war es auch sie, die gemeinsam mit Hank Voight, nach abgeschlossener Rettung das Gefühl hatte, dass bei den Becks gewaltig etwas faul ist. Zu dem Zeitpunkt war es natürlich eine Möglichkeit, dass sie noch einmal eine Rolle spielen, aber das hat es bei "Chicago P.D." schon oft genug gegeben, aber dann blieb der Fall dennoch völlig offen im Raum stehen. Als also hier Samantha bei einer Kohlenmonoxidvergiftung einer unschuldigen Familie ins Visier gerät, war ich schon überrascht, dass Adam ins Zentrum gerückt wurde. Die Episode ist zwar definitiv sinnig aufgebaut worden, weil gemäß den Anfangsszenen er sich mit Samantha identifizieren konnte, weil sie Kinder im ungefähr gleichen Alter haben, und weil Adam eben derjenige ist, den die Becks noch nicht kannte, aber dennoch hat es in der Gesamtkomposition nicht richtig klick gemacht. Von Adams Seite aus kann ich eigentlich nicht groß meckern, denn er hat nicht die Samantha vorgefunden, die er sich anfangs vielleicht ausgemalt hat. Er hat vor allem eine Mutter vorgefunden, die Callum in allem priorisiert, während sie sich gegen den Einfluss ihres eigenen Vaters wehren muss. Ich finde es daher verständlich, dass Adam Samantha vor allem als Marionette sieht, die sich Richard nach seinen Vorstellungen herangezogen hat. Deswegen denkt er vermutlich auch weiter, denn wenn die Intelligence Unit gegen die Becks erfolgreich ist, was ist dann mit Callum? Da es sonst keine Verwandten mehr zu geben scheint, würde er ins Pflegesystem wandern und das wünscht man keinem Kind, vor allem wenn die Episode so deutlich zeigt, dass man Samantha niemals die Liebe für ihren Sohn absprechen könnte. In diesem Zwiespalt steckend war es für Adam schon die richtige Episode, denn vor wenigen Jahren noch hätte ihm das wohl keinen zweiten Gedanken abverlangt, aber nun ist Makayla Teil seines Lebens und seine Perspektive hat sich gewaltig gewandelt.

Dass die Episode also nicht vollständig für mich funktioniert hat, liegt daher vor allem bei den Becks begründet. Samantha bleibt für mich als Figur trotz der ihr nicht abzusprechenden Mutterliebe sehr undurchsichtig. Das war schon bei ihrem ersten Auftritt nicht anders, denn da muss sie um ihr Leben fürchten und als sie gerettet wird, wettert sie fürchterlich gegen ihren Vater, bei dem sie weiß, dass er niemals für sie gezahlt hätte. Nur um dann wenige Stunden später schon wieder von ihm ideologisch zurechtgerückt worden zu sein. Es ist auch etwas schwindelerregend, wie extrem sie zwischen Aggression und Verzweiflung ausschlagen kann. Es fällt mir dementsprechend einfach schwer einzuschätzen, welche Seite mehr Samantha ist. Denn sie kann Callum offenbar noch so sehr lieben, dass es gleichzeitig Beweise gibt, wie sehr ihr Vater gefährdet, dass sie ihm immer eine liebevolle Mutter sein kann, das sieht sie wiederum nicht. Angesichts ihrer Persönlichkeit kann sie mich als Zwitter zwischen Antagonistin und Opfer ihrer eigenen Lebensgeschichte (noch) nicht faszinieren.

Schaue ich dann wieder auf Richard, der von Lee Tergesen dargestellt wird, dann ist es auch noch zu wenig. Tergesen kann schon auf eine lange Liste an Credits im TV-Geschäft zurückblicken, oft nur Gast- oder Nebenrollen, aber das funktioniert ja auch nur gut, wenn man als Schauspieler das Talent hat, mit wenig Material viel Eindruck hinterlassen zu können. Das geht für mich noch nicht auf. In seiner ersten Episode war er schon zu offensichtlich suspekt und damit einseitig und das ändert sich auch diesmal nicht. Zwar kommt ein neuer Aspekt hinzu, weil er ein weißer Extremist ist, der neonazistischem Gedankengut nachhängt, aber es wird bislang mehr aus Samanthas Perspektive beleuchtet, die das an Callum nicht weitergegeben sehen will. Zudem gibt es ganz am Ende die Andeutung, dass Richard etwas viel Größeres plant, weil er sich für sein Meth nicht nur in Geld, sondern auch in Gütern bezahlen lässt. Es ist offensichtlich, dass hier noch etwas Größeres aufgebaut wird. Dem stehe ich auch offen gegenüber, aber es ändert nichts an dem Eindruck, dass diese Folge ein Zwischenintermezzo war, die das Größere initiieren soll, aber selbst nicht richtig zünden kann. Ich hoffe sehr, dass die Becks mit ihrem nächsten Versuch mehr Profil entwickeln, wenn ich auch zugeben muss, dass es in "Chicago P.D." schon sehr, sehr starke Antagonisten gab und die Messlatte hochliegt.

Fazit

Auch wenn "Chicago P.D." auf privater Ebene Gutes anbietet und auch für Adam Ruzek eine sinnige Folge gestaltet, so ist das Geschehen insgesamt etwas lahm und scheint mehr aufzubauen statt selbst überzeugen zu wollen. Diese Episode wird in Nachbetrachtung der Staffel vermutlich schnell vergessen sein.

Lena Donth – myFanbase

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