Bewertung

Review: #10.14 Gefangen sein

200 Episoden "Chicago P.D."! Wer hätte das gedacht? Vor bald zehn Jahren hätte ich das sicherlich nicht so erwarten können, aber das gilt ehrlicherweise für das gesamte OneChicago-Universum. Ich persönlich habe mich gefreut, dass dieses besondere Jubiläum mit einer auf Kim Burgess fokussierten Episode gefeiert wurde, denn sie war über all die Zeit hinweg meine konstanteste Lieblingsfigur und auch Darstellerin Marina Squerciati hat eine wunderbare Ausstrahlung, weswegen es für mich die perfekte Mischung darstellt. Aber wie gelungen ist die Episode insgesamt?

Ich finde es auf jeden Fall sehr löblich, dass sich Gwen Sigan als Drehbuchautorin für das Jubiläum eine ungewöhnliche Episode ausgedacht hat, denn der Fall der Woche ist deutlich zurückgesetzt und bildet nur eine Art Rahmen, während es im Kern eigentlich nur um Kim und ihre PTBS ging. 'Nur' soll an dieser Stelle nicht kritisch verstanden werden, denn so ein fokussiertes Erzählen bietet viele Vorteile. Dennoch würde ich die konkrete Darstellung von Kims Symptomen als etwas einseitig bezeichnen wollen. Wir haben zwar zuvor schon immer wieder in kleinen Szenen Andeutungen bekommen, dass Kim von Flashbacks heimgesucht wird, die ihr die Körperkontrolle untersagen, aber in dieser einen Folge war es nun sehr, sehr, sehr intensiv. Übertrieben gesagt könnte man sagen, dass die Episode aus 30 Minuten Kim im Ausnahmezustand bestand. Während das Squerciati natürlich eine grandiose Möglichkeit an Schauspiel ermöglicht hat (was sie auch großartig gemeistert hat!), war es vielleicht etwas einseitig, eben auch, weil alle sie haben machen lassen, obwohl nicht nur Adam Ruzek, der am nächsten dran war, sondern auch alle anderen nicht mehr übersehen konnten, was abgeht. Aber das ist eigentlich auch schon wieder typisch für die Serie, weswegen ich die Kritik hier nicht zu laut anbringen will, denn es ist Teil der Stilistik.

Zudem bin ich auch einfach froh, dass es diese Episode jetzt gegeben hat. Im Grunde war es schon fatal, dass Hank Voight Kim am Anfang von Staffel 9 so schnell zurück in den Job gedrängt hat und von dort an hat sich alles nur noch weiter aufgebaut und ist auch durch wiederholten Sorgen um Adoptivtochter Makayla noch weiter befördert worden. Ich las jetzt zum Jubiläum ein Interview mit der Kim-Darstellerin, in der sie selbst Revue passieren ließ, was sie teilweise angesichts der Drehbücher gedacht hat und wie Kim darin oftmals mit Adam umgegangen ist. Ich bin beruhigt, dass auch Squerciati selbst einige kritische Gedanken angesichts des Verhaltens ihrer Figur hatte, denn ja, es gab schon ein paar WTF-Momente. Aber es ergibt natürlich Sinn, dass die PTBS von Anfang im Hintergrund aufgebaut wurde und Kims Handeln nun 1,5 Staffel lang geprägt hat. Zumindest hoffe ich, dass es wirklich ein Plan war, ansonsten wäre es nur dämliche Rechtfertigung für falsche Richtungsweisungen in den Drehbüchern. Ich glaube aber positiv an eine authentische Darstellung und bin daher erleichtert, dass es nun den großen Durchbruch gegeben hat. In all den Fällen zuvor konnte Kim sich immer noch einreden, dass es eine Ausnahme war, dass sie beispielsweise ihre Waffe vergessen hat etc. Doch in dieser Episode kam alles geballt, was sie Adam und Makayla im Alltag damit angetan hat und was sie beruflich dadurch einzubüßen hatte. Besonders deutlich wurde das eben mit Lucas im Brunnen, der in etwas Makaylas Alter hat und daher auch noch sinnbildlich für die eigene Tochter steht. Da verschwinden die Grenzen zwischen privat und beruflich schnell. In dem Sinne war es für Kim so augenscheinlich, dass sie Hilfe braucht, dass sie sich diese endlich auch holt.

Kim wird sicherlich keine Wunderheilung erfahren, aber da sie ohnehin nicht in jeder Episode im Fokus steht, lässt sich das zeitlich gesehen auch gut im Off regeln. Das macht also für das restliche Drittel der zehnten Staffel richtig Lust. Denn wenn Kim sich nun helfen lässt, müsste sich in der eben dargelegten Logik nicht auch ihr Verhältnis zu Adam ändern? Nachdem Hailey Upton und Jay Halstead als (Ehe-)Paar weggefallen sind, wäre doch da was möglich, oder nicht? Ich habe ja eh nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich immer ein Fan von Burzek war, mit allen Hoch und Tiefs. Und Mensch, sie sind doch im Grunde schon eine Familie, also macht endlich Nägel mit Köpfen. "Chicago P.D." wird sicherlich nie eine unbeschwerte Serie werden können, aber unbeschwerte Momente sind deswegen nicht verboten, weswegen ich uns allen da etwas echt Schönes wünschen würde! Gerade nachdem wir bei Jays Ausstieg schon so betrogen wurden.

Ich komme auch gerne noch einmal auf das aktuelle Drehbuch zurück. Es verwundert wenig, dass Sigan schon hinter #9.13 Stille Wasser steckte, die damals Hailey in eine Ausnahmesituation schickte. Die Drehbücher sind nun wahrlich nicht deckungsgleich, aber sie haben eine Stilistik, die einwandfrei zu erkennen ist. Die Episode damals hat die volle Punktzahl von mir bekommen, das wird die aktuelle nicht bekommen, auch weil ich den Fall zu sehr in die Ecke gedrängt empfand. Ein Elternpaar, das das eigene Kind wie eine Geisel hält, nachdem neuer Nachwuchs auf die Welt gekommen ist, was steckt dahinter? Ich hatte so viele Fragen, die hier aber nicht beantwortet werden sollten. Deswegen sehe ich hier ein paar Abstriche. Bei beiden Episoden hat aber Chad Saxton Regie geführt, dem ich damit auch gerne noch ein Kompliment ausspreche, denn offenbar haben Tracy Spiridakos und Squerciati in seiner Gegenwart gleichermaßen das Vertrauen, sich so fallen zu lassen und das absolut Beste aus sich herauszuholen. Das ist auf jeden Fall tief beeindruckt und rundet diese Parallelen schön ab. Gleichzeitig fällt damit aber auch auf, dass diese speziellen Episoden vor allem für die Frauen im Team geschrieben werden. Und das ist jetzt auch kein oberflächlicher Eindruck von mir, denn auch wenn man weiter in den Staffeln zurückgeht, wann gab es das schon für die Männer? Adam und Co. haben auch ihre Episoden, die sind aber vor allem von vermeintlicher Stärke geprägt. Also Genderstereotype? Ich finde es eigentlich nicht wegzudiskutieren und das ist dementsprechend schade, denn sie haben alle auch schon Schlimmes erlebt, warum sie mal nicht so an den Abgrund treiben? Die größte Hoffnung habe ich dabei für die Zukunft bei Dante Torres, da das Bild zu ihm bislang sehr sensibel angedeutet wurde, also warum nicht? Ich würde es mir auf jeden Fall wünschen. Auch wenn ich nicht an weitere 200 Episoden glaube, für die nächsten 50 dürfte das doch auf jeden Fall ein machbares Ziel sein.

Fazit

"Chicago P.D." feiert sich zum 200. mit einer außergewöhnlichen Episode selbst. In der Intensität und der inhaltlichen Verteilung würde ich zwar kleinere Abstriche machen, aber insgesamt ist es eine wichtige Episode für Kim Burgess, die schauspielerisch, aber auch emotional ihre Nadelstiche zu setzen weiß und die für die Zukunft der Serie etwas Hoffnungsvolles ausstrahlt. Da blickt man gerne nach vorne.

Lena Donth – myFanbase

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