Bewertung

Review: #10.16 Um jeden Preis Gerechtigkeit

Meine letzte Erinnerung an Jesse Lee Soffer ist leider nicht positiv besetzt, denn dank seiner Ausstiegsepisode #10.03 A Good Man bin ich auch über fünf Monate später noch sauer drüber. ABER: er hat sich den Wunsch, etwas anderes auszuprobieren, natürlich redlich verdient und er kann auch wahrlich nichts für die geschriebenen Drehbücher. Wo er aber sehr wohl etwas kann, das ist sein Regiedebüt für die aktuelle Episode von "Chicago P.D.". Ob er sich weiterempfehlen konnte?

Nach der Ankündigung, dass der Schauspieler bei dieser 16. Episode der zehnten Staffel Regie führen wird, war ich natürlich gespannt, was wohl der inhaltliche Fokus der Episode sein würde. Dabei habe ich mir gleich gedacht, dass es sicher in Richtung Hailey Upton und Hank Voight gehen wird, da er mit ihnen in den letzten Jahren am meisten vor der Kamera stand und damit ein entsprechendes Gefühl für die Dynamik hat. Nun ist die Episode in meinen Augen nicht völlig charakterzentriert, aber Hailey und Hank waren auf jeden Fall der richtige Riecher. Daher war ich dann in der Konsequenz gespannt, wie es aufgehen wird. Denn Hank nervt mich seit 1,5 Staffeln mindestens und ich habe auch das Gefühl, dass es mit ihm nicht gescheit vorwärtsgeht, weil alles im Stillstand verharrt. Dementsprechend fand ich es gleich einen faszinierenden Gedanken, ob man wohl die gemeinsame Spielzeit dann in der Gestaltung der Episode bemerkt. Ich bin wahrlich kein Experte für Regiearbeit und bin daher sicher entfernt davon, wirklich eine Expertenmeinung abgeben zu können, aber ich bilde mir zumindest an, dass man als Regisseur in der Ausarbeitung der Figuren viel Einfluss hat, weswegen man das durchaus als Zuschauer*in nachempfinden kann.

Zunächst möchte ich wieder loben, dass die Staffel in dieser zweiten Hälfte wirklich viel durchgehend erzählt, was mich zu überzeugen weiß, denn dadurch entsteht zwischen den jeweiligen Unit-Mitgliedern sowie den Opfern/Tätern eine Beziehung, die durch eine detaillierte Ausarbeitung auch mehr Gewicht erhält. Wir erleben das diesmal durch Arturo Morales, der Nina Chapman jemanden genommen hat: ihren Informanten, der auch ihr Freund war. Auch wenn Hank also keine individuelle Fehde zu ihm hat, so hat man in dieser Episode doch auch gemerkt, dass es für ihn persönlicher war und ich denke, dass es durch Chapman war. Wenn ich so die zehn Staffeln "Chicago P.D." Revue passieren lasse, dann waren es doch oft weibliche Figuren, wo Hank eine Art Beschützerinstinkt für entwickelt hat und deren Angelegenheiten er zu seinen gemacht hat. Jetzt ist Chapman von der emotionalen Bindung sicherlich nicht mit einer Anna Avalos oder auch Hailey zu vergleichen, aber es war offensichtlich, dass auch nach ihrem Gespräch auf dem Friedhof wohl etwas entstanden ist. Das hat man dann auch widergespiegelt vor Gericht erlebt, weil sie ein eingespieltes Duo war. Hank hat eine nicht angreifbare Zeugenaussage geliefert und Chapman selbst hat dann noch den Sargnagel für Morales mit ihrem Schlussplädoyer in der Hand gehabt. Daher merkte man die Erleichterung den beiden auch deutlich an.

Dann kam eben die Kompromittierung des Falls, weil ein Geschworener bedroht wird. Hank hat unmittelbar entschieden, dass er Chapman nicht einweihen wird und ich vermute, weil er sie wirklich auf eine Art schützen wollte und nicht weil sie in einer Verpflichtung als Staatsanwältin ist. Denn so wie Hank sich für ihre Gerechtigkeit eingesetzt und sie auch beruflich gerettet hat, so wird Chapman zum einen Loyalität empfinden und zum anderen hat die ganze Situation mit dem Informanten, mit dem sie eine Beziehung hatte, gezeigt, dass sie Regeln nicht bierernst befolgt. Von daher bin ich überzeugt, dass die beiden zusammen eine Lösung gefunden hätten. Dementsprechend bleibt für mich nur die Vermutung, dass Hank das Händeln der Suche nach Julia für Chapman alleine mit seiner Unit durchziehen wollte. Passenderweise ist aber auch Hailey am Anfang eine enge Verbindung, denn sie sind sich gegenseitig das schlechte Gewissen gewesen und Hailey appelliert daher gleich mehrfach daran, dass Hank den regulären Weg gehen sollte. Ich mochte es eigentlich tatsächlich, wie dieses Dreieck aus Figuren in dieser Episode zusammen positioniert wurde. Deswegen hat am Ende auch das finale Gespräch mit Chapman gut gepasst. Hank hat seine Aufgabe erfüllt und es ist alles gut ausgegangen und dennoch kann sie es nicht so als Gewinn empfinden, wie sie es sich vielleicht gewünscht hätte. Eben weil sie all die Dinge, die ich eben umgekehrt für Hank argumentiert habe, sicherlich auch empfindet. Dementsprechend ist die Geheimnistuerei für sie ein Rückschritt gewesen. Chapmans Ansage an Hank, dass er dringend darüber nachdenken sollte, welcher Typ Mann er gerade ist, geht zwar wieder arg stark in die Richtung, die ich so nervig finde, aber ich fand es dennoch gut, dass sie die Worte so ruhig ausgesprochen hat und damit hatten sie mehr Wirkung. Chapman hat Hank nicht emotional Vorwürfe gemacht, sondern sie hat auf eine starke Art und Weise und mit Bedauern unterstrichen, wie enttäuscht sie ist. Bei Hank ist es glaube ich oft auch so, dass er in seinem Bedürfnis zu schützen, nicht bemerkt, wenn gar nicht geschützt werden muss. Hailey und Chapman sind in ihrer Art definitiv zwei Frauen, die alleine ganz wunderbar klarkommen und sich daher wohl eher eine Verbindung auf Augenhöhe erhoffen. Vielleicht war Hank da zu sehr Macho und vielleicht hat er auch das Problem, wenn er einmal Lunte gerochen hat, dass er nicht mehr zu stoppen ist. Egal, wer ihm ins Gewissen redet.

Es war also eine der besseren Hank-Episoden, das schon, aber dennoch war es keine herausstechende Highlight-Episode, weil speziell der Anteil mit der Suche nach Julia sehr Schema F war. Einer der Beteiligten muss nur mit einem Familienmitglied emotional erpresst werden und schon läuft das Ding. Das haben wir im Serienverlauf zu oft schon erlebt, so dass bei mir keine rechte Spannung aufkommen wollte. Ich muss zwar immer grinsen, wenn der Käfig wieder eine Rolle spielt, weil er in den ersten Staffeln das Geschehen sehr extrem geprägt hat und inzwischen ist es eine Kulisse, die die Produktion nur noch ganz selten aus dem Fundus kramen muss. Das unterstreicht dann immer, Achtung, jetzt wird es gesetzeswidrig. Aber dennoch war es insgesamt zu langweilig umgesetzt. Deswegen liegt der eigentliche Schwerpunkt deutlich bei den Figuren und das hat auch gut funktioniert.

Kleines Zwischenfazit zu Jesse: Er kann immer noch nichts für das Drehbuch, aber ich hatte dennoch das Gefühl, dass es ihm gut gelungen ist, die jeweiligen emotionalen Nuancen in Szene zu setzen. Er als Schauspieler hat auch auf die Figur Hank natürlich noch einmal eine andere Perspektive und deswegen war es auch zum Glück eine der besseren mit ihm im Fokus. Im Interview gab Jesse auch an, dass Nick Gehlfuss, der seinen Serienbruder Dr. Will Halstead spielt, ihn eingeladen hätte, auch bei "Chicago Med" mal als Regisseur vorbeizuschauen. Nur zu, sage ich da, denn da sehen sie sich dann mehr als je vor der Kamera ;-)

Fazit

Verbuchen wir Jesse Lee Soffers erste Regiearbeit gerne als gelungen, denn obwohl Hank Voight eine große Rolle gespielt hat, war ich so ernüchternd nach dem Schauen wie in der jüngsten Vergangenheit. Das Drehbuch hat sich mit dem Fall an sich nicht viel Mühe gegeben, weil zu wiederholend, aber die Charakterarbeit war völlig in Ordnung und ich mag es auch, dass Nina Chapman weiterhin das Geschehen prägt.

Lena Donth – myFanbase

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