Review: #10.19 Dafür war erst ein Opfer nötig?
Ich habe mich richtig darüber gefreut, dass Lew Atwater in dieser Staffel noch einmal aufgetaucht ist. Gerade deswegen, weil Kevin Atwater derjenige ist, der die wenigsten durchgängigen Handlungsbögen im Verlauf von "Chicago P.D." erhalten hat. Gerade mit den Frauen in seinem Leben will es ja so gar nicht laufen, weswegen wir wenigstens unter das Familiäre einen Haken machen können. Mit Lew, der im Gebäude seines Sohnes wohnt, wäre es auch wirklich eine vertane Chance gewesen, ihn nicht noch einmal auftauchen zu lassen. Zumal man für die Zukunft eben auch nicht weiß, wie die Verfügbarkeit eines Erik LaRay Harveys aussieht.
Der Wehmutstropfen in dieser Episode war ein wenig, dass es Scott Gold mit dem Drehbuch leider nicht hinbekommen hat, einen natürlichen Verlauf der Dinge zu suggerieren. Es war doch arg gestellt, wie mit dem Fall alles passiert ist, vor allem wie Lew zwischendurch teilweise an seine Informationen gekommen ist. Aber dieser Kritikpunkt ist bei "Chicago P.D." nun leider nicht neu. Mich ärgert er aber immer dann besonders, wenn eigentlich die Intention des Inhalts und die Emotionen über die Figuren so gut funktionieren, dass eben dieser künstliche Druck immer etwas von der Atmosphäre wegnimmt. Mir ist bewusst, dass pro Staffel immer beachtliche 22 Episoden (wenn nicht gerade Corona, Autorenstreikt etc. zulangt) produziert werden müssen, aber die Überprüfung der Drehbücher auf Logik und ähnliche Punkte sollte eigentlich drin sein. Zumal die Drehbücher im Normalfall ja nicht erst eine Woche vorher angefertigt werden.
Nach diesem kritischen Ausflug aber nun zum eigentlichen Inhalt der Episode. Ich fand es zunächst toll, dass wir eine logische Fortsetzung der Vater-Sohn-Beziehung erlebt haben. In #10.11 Long Lost war es wirklich nur eine erste Einführung. Es fehlte noch Basis, um eine solange (Nicht-)Geschichte in allen Facetten zu begreifen, weswegen es nun gut ist, dass an der Auflösung weiter gearbeitet wird. Nachdem Kevin Lew den Olivenzweig gereicht hat, indem er ihm trotz der verletzten Gefühle, des Verrats und der Wut eine Wohnung bei sich im Gebäude in Burnside angeboten hat, war eine Art Waffenstillstand geschlossen und die Anerkennung, dass er eben trotz allem Familie ist. Ein Happyend war das deswegen noch lange nicht, weswegen für mich Kevins Reaktion auf Lew sehr gut passte. Es war höflich, aber dennoch vor allem distanziert. Kevin sieht Lew lieber als Mieter als Vater. Ich kann den Sohn da sehr gut verstehen, denn er hat damals die Entscheidung nicht getroffen und musst es passiv hinnehmen, während Lew aktiv entschieden hat. Er ist nun natürlich etwas traurig, aber die Rollen haben sich nun einfach umgekehrt, denn jetzt muss er abwarten, was Kevin für Entscheidungen für die gemeinsame Zukunft trifft.
Der Fall passte so gesehen sehr gut, denn nach und nach offenbart sich uns, dass es in dem Fall auch um eine komplizierte Vater-Sohn-Dynamik geht. Kevin und Lew haben dadurch beide auch sehr viel gespiegelt bekommen, aber es war natürlich erstmal herausfordernd. Positiv war auf jeden Fall, dass Lew nicht gleich auf der Verdächtigenliste stand, sondern dass er und Kevin erstmal einen gemeinsamen Moment geschenkt bekommen, indem sie gemeinsam um Maliks Leben kämpfen. Auch wenn Kevin danach sofort in die professionelle Rolle schlüpfen muss, so hat Lew eben den Status eines Zeugen und das hat nicht gleich so viel Misstrauen im Gepäck wie wir das bei der ersten Folge von ihnen erlebt haben. Es war klar, dass das nicht ewig anhalten würde. Nach und nach kam Skepsis ins Spiel. Warum hat Lew mit den ganzen Kindern zu tun? Auch wenn es auf Pädophilie nie abzielte, so ist so eine Ausgangssituation immer mit viel Vorgeschichte bedacht, aber so gesehen fand ich es erleichternd, dass Kevins Gedanken nicht in eine dunkle Richtung gingen, sondern dass er eben nach und nach begriffen hat, dass Lew wirklich Dinge nachholen will, die er mit seinen eigenen Kindern verpasst hat. Er hat das Gefängnis nun jahrelang am eigenen Leib gespürt und dementsprechend hat er dazu noch den doppelten Auftrag, dass Kinder, die in ähnlichen Verhältnissen wie er groß werden, nicht dieselbe Richtung einschlagen. Stattdessen haben Malik, Oscar und Co. eine erwachsene Figur an die Seite gestellt bekommen, die mit harmlosen Diensten ihr Leben lenkt. Das wird Kevin ihm auf jeden Fall anerkannt haben, wenn natürlich auch der nagende Gedanke, warum es ihm verwehrt wurde, nie ganz verschwinden wird.
Lew hat aber zu Oscar eine Verbindung geknüpft, die dem Fall eine andere Dynamik gibt. Auch wenn ich nicht glaube, dass er Kevin per se misstraut hat, so war er subjektiv doch verklärt. Sicherlich auch wegen einer generellen Skepsis der Polizei gegenüber. Zudem fehlt eben auch die gemeinsame Geschichte; Vater und Sohn kennen sich einfach nicht. Ansonsten wüsste Lew, dass die Intelligence Unit speziell bei Fällen mit Kindern das Gesetz besonders gerne verbiegt, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Oscar also zu entlasten war in meinen Augen immer garantiert, in Lews Augen aber eben nicht, weil ihm der Kontext fehlt. Hier spielte nun ein wenig die fehlende Logik rein, weil wie wusste Lew auf einmal von Carlos und dass er Oscars Vater ist? Zudem finde ich es immer etwas lächerlich, weil es in Chicago sicherlich nicht nur ein Gefängnis gibt, da wird nicht jeder Gefangene jeden kennen. Aber abgesehen davon fand ich es auch gut für Lew, dass er agiert hat, dass er so einen gefährlichen Plan in Gang gesetzt hat, auch wenn es gegen seine Bewährungsauflagen hätte verstoßen können. Denn das zeigt uns allen eben, dass er nun ein anderer Mensch ist. Natürlich war Kevin erstmal besorgt und deswegen sauer, aber er hat ja später in Ruhe alles durchdacht und da wohl Ähnliches festgestellt, wie ich es erlebt habe.
Final geholfen hat sicherlich auch, als sich für Kevin in all der Tragik auch enthüllt hat, wie unwichtig Carlos sein Sohn ist. Er hat sich damit sehr gut identifizieren können, parallel hat es ihm aber sicherlich auch gezeigt, dass sein Vater ganz so schlimm wie Carlos nie war. Dazu dann eben noch den aktuellen Lew und Kevin konnte das besser in Relation einschätzen. Oscar ist derweil wirklich nur zu bemitleiden. Zum einen weil er seinen Freund unbeabsichtigt getötet hat (kleiner Exkurs auf die problematischen Waffengesetze von den USA), zum anderen weil er eben so von seinem Vater enttäuscht wird und dennoch nur einen Wunsch hat, von ihm wahrgenommen zu werden. Oscars Weg wird von hieraus steinig und schwer, das ist schon klar. Im Gegensatz zeigt es bei Kevin aber, wie weit er gekommen ist trotz schlechter Voraussetzungen und das steht für Hoffnung. Am Ende fand ich es schön, dass Kevin wieder eine Versöhnungsgeste bringt. Angesichts so viel gemeinsamer Geschichte geht es eben nur Schritt für Schritt. Für die weitere Zukunft würde ich mir wünschen, dass auch Jordan und Vinessa involviert werden, weil es noch einmal eine ganz andere Dynamik für diesen Handlungsbogen bedeuten könnte.
Fazit
Mir gefällt es, wie viel Zeit sich für die Entwicklung der Vater-Sohn-Beziehung von Kevin und Lew Atwater genommen wird. Es wird nicht übereilt, sondern authentisch wird langsam alles aufgearbeitet. Nur schade, dass das in einer recht konstruierten Episode passieren musste, für die einiges zurechtgebogen wurde.
Lena Donth – myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Bleed ValveErstausstrahlung (US): 03.05.2023
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Erstausstrahlung (Pay-TV): 23.08.2023
Regie: Bethany Rooney
Drehbuch: Scott Gold
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