Bewertung

Review: #10.20 Alle für eine

Ich bin großer Fan dieser Soloepisoden bei "Chicago P.D.", in denen eine der Hauptfiguren (auch wenn es oft die Frauen sind, die kommen sich in Not befindend wohl besser an) in eine Ausnahmesituation gedrängt wird und buchstäblich ums Überleben kämpfen muss. Jedoch bin ich kein Fan von Drehbüchern, die schlampig drum herum arbeiten. Das ist nun das zweite Drehbuch in Folge, was so nicht hätte sein müssen. Seid ihr schon in der Sommerpause?

Dann werde ich meinen Ärger besser direkt los. Während es an der Grundidee nichts zu rütteln gab und ich später auch noch näher drauf eingehe, weswegen es eigentlich ideal doppeldeutig war, so verstehe ich einfach nicht, warum die Falldarstellung in ihren Details so lückenhaft war. Eigentlich ging es gut los, aber mit fortschreitender Spieldauer habe ich mich immer mehr gefragt, ob ich irgendwo zwischendurch was nicht mitbekommen habe, oder ob es wirklich so unlogisch war. Wir haben also Lee, der wegen seiner Drogenabhängigkeit und dementsprechender Verstöße gegen das Gesetz Jay Halsteads Visier geraten ist, um dann von ihm als Informant angeheuert zu werden. Warum erstmal eine Figur, die wir überhaupt nicht kennen? Informanten waren für "Chicago P.D." stets essenziell und wir haben schon einige erlebt über zehn Staffeln hinweg. Warum also nicht jemanden nehmen, den man schon kennt, statt einfach eine Figur aus dem Hut zu zaubern und eine enge Beziehung vorzugaukeln? Dann weiter erfahren wir, dass Lee gerade clean ist. Warum also kommt sein Dealer Mark auf die Idee, dass ausgerechnet er das Geld geklaut hat? Offenbar hatten sie ja keinen regelmäßigen Kontakt mehr, wie kann er also der erste Verdächtige sein? Später erfahren wir, dass Lees On-Off-Freundin Vanessa im Club an die Info gekommen ist. Sie kennt Mark also und Mark kennt wohl auch sie, warum also, mit Lee ins Visier genommen, ist er nie selbst auf Vanessa gekommen? Warum umgekehrt war Vanessa gleich die erste Verdächtige? Mir hat sich das einfach von vorne bis hinten nicht erschlossen. Leider ist dann irgendwann auch ein Maß erreicht, wo ich es nicht mit einem Achselzucken wegwischen kann. Der ganze spannende Rest mal außen vor, aber wir befinden uns in einer Cop-Serie und da müssen die Ermittlungen doch Hand und Fuß haben, denn sonst stören sie unweigerlich das Gesamtbild.

Nun aber zu den stärkeren Teilen. Tracy Spiridakos hat nun schon oft genug bewiesen, dass sie sich schauspielerisch so ziemlich an der Spitze des Casts bewegt (ohnehin haben die Frauen das richtig beeindruckend in der Hand), weswegen solche Episoden natürlich ein Geschenk für sie sind. Auch diesmal wieder hat sie sich artig bedankt und das absolute Maximum rausgeholt. Und das eben auch in allen Nuancen. Es stimmte sowohl das Kämpferische, das Verzweifelte, das Ermunternde und später in der Episode das Stille, wo sie alles sacken lässt und zu einer Entscheidung kommt. Während eine solche Episode mit Hank Voight im Mittelpunkt mich unweigerlich irgendwann nerven würde, besteht diese Gefahr bei Hailey Upton nie, denn sie ist eben auch eine emphatische Figur, die Lee an einigen Stellen sicherlich gerne in den Hintern treten würde, die aber dennoch immer das gemeinsame Beste im Hinterkopf hat und keine Solomission entwickelt. Dementsprechend wieder eine sehr abwechslungsreiche und trotz der Drehbuchschwächen spannende Episode, die Spiridakos die Bühne geboten hat, die sie immer wieder zu beherrschen weiß.

Weiterhin war es aber auch eine Episode, wo Jay trotz Abwesenheit von Darsteller Jesse Lee Soffer so präsent wie lange nicht mehr war. Natürlich waren Haileys Episoden in dieser zehnten Staffel immer mit Jay verbunden, aber nicht so geschickt auf allen Ebenen. Während sich das bisherige Verhältnis vor allem durch Funkstille auszeichnete, hat das Ehepaar wieder Kontakt gefunden, ein gewaltiger Fortschritt. Zugegeben ist es immer noch angespannt und viel zu sporadisch und Jay kann sich immer noch nicht so klar äußern, wie es wünschenswert wäre, aber dennoch, eine Verbesserung. Nach so einer Funkstille wirkt das für Hailey nach der Enttäuschung wie ein Fingerzeig, dass sie ihn noch nicht völlig verloren hat. Dazu taucht dann aber Lee auf. Sie hat schon von Jay seine Nummer bekommen, Lee umgekehrt hat eben ihre Nummer bekommen, weil Hailey die ist, der Jay am meisten vertraut. Lee hat in dieser Episode einen großen symbolischen Charakter und ist eine Art Brücke. Indem Hailey ihm begegnet, begegnet sie dem Vertrauen, das Jay in sie hat. Deswegen hat Hailey auch so insistiert, dass sie helfen will, als Lee Zweifel hatte und abhauen wollte. Es war über Jay unweigerlich eine emotionale Verbindung, die sie wie einen letzten Stromhalm packen wollte. Letztlich wird Hailey das aber irgendwann bereut haben. Denn sie konnte tun und lassen, was sie wollte, Lee hat ihr nicht vollständig vertrauen können und deswegen vieles verheimlicht, was die Situation für beide unerträglich gemacht hat. Auch wenn Lee zuerst seine Hand und dann sein Leben verloren hat und dabei mehr Opfer gebracht hat, so ist Hailey unschuldig hineingezogen worden und musste auch noch alles mitansehen. Natürlich war Lee eine Persönlichkeit, die einem nur leid tun konnte. Denn seine ehrliche Liebe für Vanessa hat irgendwo berührt. Da wir parallel aber auch sie im Verhör mit Hank kennengelernt haben, wie sie trotz ihres Wissens und der Tatsache, dass sie eigentlich der Kopf hinter der Sache war, ist das völlig unverdient. Das wiederum ist aber auch eine Parallele für Hailey. Sie und Jay hatten etwas Großartiges. Wegen Soffers Ausstieg musste das eben kaputt geschrieben werden, aber nun muss auch Hailey erkennen, dass ihre Loyalität gegenüber Jay nicht mehr gerechtfertigt ist, weil es nicht auf einem Leven stattfindet.

Auf eine wichtige Erkenntnis hinsteuernd haben wir auf der anderen Seite die um Hailey bangenden Personen. Hank habe ich schon angesprochen; wie er im Verhör mit Vanessa Gas gegeben hat, das zeigte doch deutlich, wie wichtig sie ihm ist. Wir hatten aber auch Dante Torres, der als Erster seiner Sorge um sie Ausdruck verliehen hat. Es ist schön, dass die beiden nach dem Dienst etwas gefunden haben, was sie teilen können. Das integriert Torres noch mehr in der Unit, aber es hilft sicherlich auch beiden Figuren individuell. Hailey eben dadurch, dass sie sich durch die Trainingseinheiten so auspowert, dass sie abends besser schlafen kann, weil die Müdigkeit des Körpers das Gedankenkarussell aussticht. Aber auch Torres, der für uns noch vieles zu verbergen hat, wird dadurch etwas ziehen können. Das war also echt schön und rund. Letztlich hat aber Hank die finale Ansprache. Ob er jetzt wirklich einen Rat gegeben hat, er so direkt passend auf ihn? Puh, eher nicht. Hank ist keine Figur, die gut loslassen kann. Sieht man seine Argumente aber isoliert, dann waren es wahre und wichtige Worte. Für Hailey war sicherlich vor allem ausschlaggebend, dass sie um ihr Leben gekämpft hat und wo zuvor Jay alles hätten stehen und liegen lassen, um sie zu retten, hat er nun gar nichts davon mitbekommen. Aber eben nicht nur, weil er wegen seiner Missionen ständig im Funkloch steckt, sondern weil er sich nicht mehr interessiert. Die Gründe dafür sind mal egal, aber Hailey bekommt nicht das, was sie verdient. Sie liebt Jay immer noch und keine Ahnung, ob das je aufhören wird, aber es war wirklich unheimlich wichtig, dass Hailey erinnert wurde, dass sie sich selbst auch lieben muss. Und die aktuelle Hailey hat viel mitmachen müssen, weil sie auf Jay gewartet hat. Nun kann sie etwas freier sein, denn es hat sich etwas gelöst. Die Reise ist aber sicherlich nicht vorbei, denn die ohnehin nicht freigiebig Vertrauen verteilende Hailey hat einen schmerzhaften Dämpfer erhalten.

Fazit

Normalerweise sind solche spannenden Soloepisoden für mich eine sichere Basis für 8 oder gar 9 Punkte, aber diesmal kann ich einfach nicht außer Acht lassen, dass das Drehbuch echt Humbug war und mich als Zuschauende immer wieder rausgebracht hat. Dennoch für Tracy Spiridakos schauspielerisch eine starke Episode, die Hailey auch um eine wichtige Erkenntnis reicher gemacht hat.

Lena Donth – myFanbase

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