Bewertung

Review: #11.01 Aus dem Gleichgewicht

Fast genau acht Monate mussten wir auf die Rückkehr von "Chicago P.D." warten und wie für das gesamte OneChicago sinnig wird ein Zeitsprung von sechs Monaten vorgenommen. Aber warum wirkt die Serie dennoch wie in der Zeit eingefroren?

Ich hatte den Eindruck, dass man den Start in diese elfte Staffel völlig verschlafen hat. Das liegt zum einen an der sehr dünnen Personaldecke. Wenn ich mich daran erinnere, wie viele Personen mal zum erweiterten Kreis der Intelligence Unit gehörten, dann ist das lachhaft. Dazu kommt jetzt noch, dass Adam Ruzek seit sechs Monaten die Rückkehr in den Job wegen physischer Mängel nicht schafft und Dante Torres ist im Urlaub. Klar, der war nicht sechs Monate lang jetzt im Urlaub. Aber für so eine prestigeträchtige Unit ist das wirklich fahrlässig, wie man sich da offenbar über die Runden hievt. Und auch wenn die Serie offensiv damit umgeht, indem Trudy Platt Hank Voight drängt, dass er Adams Posten besetzen muss, ist es Wahnsinn, dass das sechs Monate so durchgelaufen ist. Ja, es war Autorenstreik, was bedeutet, dass in vielen der acht Monaten Wartezeit keine Ideen entwickelt wurden, aber man hatte für dieses Drehbuch auch nicht nur wenige Tage Vorlauf. In dem Sinne frage ich mich, wer hat da geschlafen? Ich habe schon in Staffel 10 wiederholt gesagt, dass es neue Gesichter braucht und nicht nur im Nebencast. Bis auf Hank bin ich zwar mit den Verbliebenen sehr glücklich, aber die reifen ja genauso durch neue Ideen und neue Konstellationen. Mit Torres ist es in Ansätzen gezeigt worden, aber es war knapp und es bräuchte sehr viel mehr. Ich habe keine Ahnung, ob man das für die verkürzte Staffel noch angehen kann oder ob man sich über die Ziellinie schleppt. Aber sollte dann die Verlängerung kommen, dann wird es dringend nötig.

Die eingefrorene Zeit hat man meiner Meinung nach auch gut an Hailey Upton gesehen, die für diesen Auftakt im Zentrum steht. Ich war am Ende von Staffel 10 zufrieden mit ihr, denn ihr sehr sinnig aufgebauter Handlungsbogen, dass sie an dem Verhalten von Jay Halstead zu knabbern hat, wurde auf eine Art zusammengeführt, indem sie den Ehering ablegen konnte, um in eine andere Zukunft zu sehen. Ich habe mir wahrlich nicht eingebildet, dass damit jetzt alles gut ist und Jays Name nie mehr fällt, aber es sind sechs Monate vergangen und ich hatte den Eindruck, dass Hailey gravierende Rückschritte gemacht hat. Sie ist in einer neuen Wohnung, das ist geschafft. Aber sechs Monate lang hatte sie es nicht im Sinn, sie auch zu ihrem zu machen. Und statt Hoffnung ist sie von Wut geleitet. Nun ist in der langen Pause angekündigt worden, dass Tracy Spiridakos mit der elften Staffel ausscheiden wird. Das hat mich etwas geschockt, weil sie schauspielerisch mit Marina Squerciati den Ton angibt, aber bei diesem Auftakt habe ich mich bei dem hässlichen Gedanken erwischt, dass der Ausstieg lieber heute statt morgen erfolgen sollte. Wenn wir Hailey nämlich exakt so wie am Anfang von Staffel 10 erleben müssen und alles zwischendurch vergessen ist, dann muss ich das nicht sehen. Nun heißt es wohl, dass sie die gesamte Länge über dabei ist, das ist gerade keine prickelnde Vision, denn wir brauchen für Hailey eine ganz andere Richtung. Sonst reiht sie sich im Allerlei ein, was auch bei Hank immer wieder zu sehen ist.

In dieser Episode steht ein neues Pilotprojekt im Fokus und ich musste sofort an "Seattle Firefighters - Die jungen Helden" und das Krisenprogramm denken. Da "Seattle Firefighters" aber wiederum "Girls On Fire" von "Chicago Fire" abgeguckt hat, ist man jetzt wohl quitt. Dennoch muss ich auch sagen, dass dieses Programm, das sich um mentale Gesundheit in Einsätzen kümmern soll, hier völlig anders beleuchtet wird. Hier ist es eben die Polizeisicht und nicht die der Rettungskräfte. Und Hailey geht eben nicht mit der idealen Einstellung ans Werk, denn der Einsatz rund um Cam Boyd, der aufgelöst Zugang zu einem Haus will, war innerhalb weniger Minuten torpediert. Klar, als sie das ganze Blut im Hausflur gesehen hat, war Eile geboten, weil was drinnen ist, kann man ja nicht wissen. Aber wie sie Cam regelrecht überfallen und dann grob in Handschellen gelegt hat, hmm ja, das war alles andere als ideal. Nun könnte man da ewig diskutieren, denn durch ihre Art konnte Hailey immerhin ein Leben retten, aber eine Medaille hat immer zwei Seiten. Wie wenig bereit sie für diese neue Seite ihrer Arbeit war, hat sich im Verlauf der Ermittlung gezeigt. Cam war vom ersten Moment an vorverurteilt und wahrscheinlich gerade wegen seines geistigen Zustandes. Ja, wo er so irre grinste, da lief mir auch ein Schauer über den Rücken, aber in den meisten Momenten hat man einfach völlig Überforderung gemerkt, wo Hailey dann erst recht Druck aufgebaut hat. Jetzt erleben wir Hailey schon einige Jahre, wir wissen, dass sie über genug Empathie verfügt, aber manchmal passt es einfach nicht zusammen, weswegen dieses Pilotprojekt vom Grundgedanken her genau richtig ist, denn es gibt einem vielleicht Handhabe, wenn es eben nicht so passt.

Der Fall war auf jeden Fall tragisch in all seinen Nuancen. Auch wenn ich es nie in den Mund nehmen würde, dass es Aaron Turner verdient hatte, aber er hat die Reaktionskette mit seinem menschenverachtenden Verhalten ausgelöst und damit seine Schwester in Gefahr gebracht und er hat bei Derrick etwas ausgelöst, was dieser sich wohl auch niemals ausgemalt hätte. Und von Cam fangen wir gar nicht erst an, der womöglich eine lange Anzahl von Jahren schon nicht-diagnostiziert sein Leben bestreitet, was es für beide Brüder zur großen Belastung gemacht hat. Dass Hailey schließlich aufwacht, ist der Schlüssel, zumindest einen von beiden zu retten, aber der Preis war hoch. Insgesamt fand ich den Fall schon sehr interessant, hätte ihn mir aber lieber in einem anderen Konstrukt gewünscht, wo mich sonst nicht so viel geärgert hätte. Auch das Projekt hat Potenzial und Julian Mitchell wäre eine neue Figur, die helfen könnte. Bei ihm hat mir sofort gefallen, dass er im Denken nicht schwarz-weiß ist. Auch wenn er mit Haileys Umgang mit Cam nicht zufrieden war, er hat es nicht so gesehen, sie deswegen gleich abzuqualifizieren. Er weiß selbst, dass dieses Projekt eine absolute Grauzone ist und das passt zur ganzen Serie. In dem Sinne würde Julian für eine zukünftige Aufgabe passen. Kommen wir nochmal kurz zu Hailey, die jetzt ihre Scheidungspapiere unterschrieben hat. Auch wenn es richtig ist, aber als Fan der eigentlichen Geschichte ist es ein bitterer Moment. Aber ob es ihr für die Zukunft hilft? Ich bezweifle es gerade, auch weil ihr finales Gespräch mit Hank so hoffnungslos wirkte. Einen Plan hat da gerade keiner.

Ganz wenige Worte will ich noch zu Adam verlieren. Auch wenn der Zeitsprung richtig ist, aber die Emotionalität von Cliffhanger rund um ihn nimmt es natürlich arg. Ich bin froh, dass Adam noch da ist und sein Bestreben um Rückkehr sehe ich als Potenzial, aber es war etwas lieblos hingeschmissen, weil er auch nur eine Szene hatte und dann auch noch mehr mit Kevin Atwater statt mit Kim Burgess.

Fazit

"Chicago PD" startet in Staffel 11 wie ein lahmendes Rennpferd, denn die Folge wirkte so, als wäre man noch nicht wirklich bereit gewesen. Die Serie braucht neue Gesichter, neue Impulse, denn so fühlt sich alles zu sehr nach der vergangenen Staffel an.

Lena Donth – myFanbase

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