Bewertung

Review: #11.10 Verborgene Qualen

Wir befinden uns in der zweiten Staffelhälfte der elften Staffel von "Chicago P.D." und während ich die erste Hälfte noch als abwechslungsreich bezeichnen würde, zeigen sich aktuell Muster. Da ich mich genauso für anhaltende Storylines ausspreche, wird schnell ersichtlich, es ist ein schmaler Spagat aus aufregendem Neuem und routinierter Langeweile. Neben dem Serienkiller, den wir immer noch gemeinsam im On und Off jagen, haben wir nun erneut die Paarung aus Hailey Upton und Josephine Petrovic. Wie ist es gelungen?

Ich hatte schon in die Zukunft spekuliert, dass Jo als Figur geschaffen wurde, um zu einem Haileys Ausscheiden aus der Serie zu begründen und um zum anderen vielleicht die Nachfolgerin für ihren Posten gleich aufzubauen. Bislang unterstütze ich die Strategie und ich unterstütze sie auch nach der aktuellen Episode, aber dennoch merke ich schon einen Widerstand, dass ich dieses Spielchen keinesfalls mehr eine dritte Episode erleben könnte. Und das ärgert mich ein wenig, weil dieses Duo eigentlich funktioniert. Auch diesmal wurde ich wieder unterhalten und dennoch habe ich die ganze Zeit auf etwas Großes gewartet, was dann aber nicht eingetreten ist. Wenn man Beziehungen so konsequent darstellt, dann muss man sie auch entwickeln. Wahrscheinlich ist das sogar ein A und O des fiktiven Schreibens. Deswegen schlug sich bei mir nach der Episode das Gefühl nieder, dass das Frauenteam zwar funktioniert und eine sichere Sache ist, dass man eine kurzweilige Episode hinbekommt, aber dass sich dennoch etwas Neues ergeben muss, dass den Funken weiter anfacht.

Wahrscheinlich fehlte mir das Große auch, weil es wieder eine Episode ist, die wesentlich mehr für Jo als für Hailey tut. Deswegen hatte ich den hässlichen Gedanken, was wenn Hailey dann ausgestiegen ist, aber "Chicago P.D." sich nicht für Jo als neue Hauptfigur entscheidet (leider absolut mit zu rechnen, wenn es um OneChicago geht) und damit diese ganze Charakterarbeit in dem Sinne für die Katz war, dass es Erzählzeit von Hailey genommen hat. Auch wenn man natürlich Aspekte aus Haileys Handeln FÜR Jo entnehmen kann, aber ich wusste auch vorher schon, dass sie ein empathischer und loyaler Mensch ist. Eine Sache war aber in jedem Fall gut: Bislang ist Haileys Zustand vor allem immer mit Jay Halsteads Verhalten erklärt worden. Das ändert sich jetzt zunehmend und wir werfen wieder mehr einen Blick auf ihre Vergangenheit mit ihrem alkoholkranken Vater, der sich dadurch der Familie gegenüber missbräuchlich verhalten hat. Das ist ohnehin ein großer Inhaltsbrocken, der mir persönlich nie genug ausgearbeitet wurde, aber ich finde es nur richtig, dass nicht nur Jay Hailey so zusetzt, sondern dass der große Ballast vor allem in der Vergangenheit liegt. Dennoch haben wir letztlich über diesen Teil nicht mehr als zuvor erfahren. Die alte Entzugsklinik von ihrem Vater wäre sicherlich eine ideale Gelegenheit gewesen, Neues zu enthüllen, aber das war nicht so. Es gab aber wenigstens das schöne Gespräch zwischen Tara und Hailey. Die Leiterin der Klinik kennt mehr über Hailey, als wir wohl je erfahren werden, weswegen ich die Worte von ihr an Hailey auch so schön fand. Sie weiß, was in ihr vorgeht, ohne dass sie es ihr erst erklären muss. Letztlich lässt es aber dennoch gewisse Lücken für uns.

Jo wiederum wird konsequent weiter ausgearbeitet. Bislang hatte sie ihren Alkoholkonsum in dem Sinne im Griff, dass sie ihr Hirn in ihrem Verständnis auf Höchstleistung bekommt und dass es kaum jemand mitbekommt. Doch nach Feierabend alarmiert zu werden und mit einem alten emotionalen Fall konfrontiert zu werden, das lässt sie unvorsichtig werden. Daher war es auch konsequent von Hailey, dass sie kein Pardon mehr damit kannte, Entschuldigungen für sie zu finden und für sie zu schweigen. Denn eine rote Linie ist sicherlich immer, wenn Dritte mit hineingezogen und in Gefahr gebracht werden. Und diese Autofahrt hätte nicht in einer Wand enden müssen, sondern es hätte auch eine Menschengruppe sein können. Aber Jo hat einfach noch nicht erkannt, wie groß ihr Problem wirklich ist, weswegen ich mir auch schnell sicher war, dass sie sich selbst entlassen wird. Hailey umgekehrt muss in dieser Episode auch in die Position der Unit-Leiterin schlüpfen. Das hat für mir für sie gut gefallen, auch wenn es nicht richtig ausgespielt wurde. Dennoch war es in dem Punkt interessant, dass ihren Kollegen klar wurde, dass Hailey ihnen in Bezug auf Jo etwas verheimlicht, aber sie musste die Bürde für sie tragen, weiterhin zu schweigen und gegen die Zeit eine entführte junge Frau zu finden. Da die Episode damit anfing, dass Kevin Atwater sich besorgt bei Hailey erkundigt hat (kleiner wertvoller Moment!), ob das Laufen hilft, wurde im Verlauf der Episode deutlich, wie Hailey sich freiwillig, aber auch gezwungen isoliert. Es ist völlig okay und nachvollziehbar, dass sie entscheiden will, wann sie sich wem öffnet, aber sie weiß um das Interesse von Kevin, was ihr sicherlich etwas bedeuten wird. Die Geheimnisse, die sie aber trägt, die zwingen sie auch oft genug, sich für sich zu halten. Diese Seite kennen wir aber schon. Während wir bei Jo erfahren, dass ihre Mutter sie ertränken wollte, was ich als Ausgangspunkt sehr interessant finde, redet Hailey nur darüber, dass ihr Vater sie indirekt zu ihrer Jobwahl inspiriert hat. Zumal es auch nur die halbe Wahrheit ist, weil wir wissen, dass Trudy Platt die Wahl mindestens ebenso beeinflusst hat. Dementsprechend bleibt am Ende: Hailey lebt sich durch ihren Job und Taten einer guten Samariterin aus, aber für sich selbst kommt sie nicht entscheidend vom Fleck.

Kommen wir noch zu dem Fall, der stellenweise etwas in den Hintergrund rückt, weil es mehr um die Frauen geht, aber es war dennoch von der Ausgangslage her eine gute Analogie, weil letztlich herauskommt, dass die vor Jahren verschwundene Jugendliche Ruthie von ihrer Mutter verkauft wurde. Da es darum ging, was Eltern ihren Kindern antun und wie sie damit ein Leben lang prägen, war das sicherlich passend geschrieben. Dennoch war es weit davon weg, ein Wow-Fall zu sein. Ich habe auch die Passage, als sich der Beamte so über Haileys Verhaftung von Sonia aufregte, nicht ganz verstanden. Inhaltlich schon, aber sie hatte später keine Auswirkungen mehr. Taucht das also nochmal auf, dass Hailey Konsequenzen befürchten muss, weil sie etwas an den Gesetzen vorbei gehandelt hat? Oder war es Lückenfüller? Aber insgesamt war es sicher besser, keinen interessanten Fall zu wählen, weil ich mich da auch schon oft geärgert habe, wenn spannende Fälle untergehen. So war der Fokus bei den Frauen, aber fortschrittlicher noch mehr bei Jo, die am Ende dann doch an dem Punkt ist, dass sie Hilfe braucht. Da Jo so fest überzeugt war, dass sie besser im Job funktioniert, wenn sie betrunken ist, hätte sie das Kompliment von Hailey eigentlich abweisen müssen, wie gut sie ist und dass sie das nicht aufgeben sollte. Aber der Schlüssel war sicherlich, dass sie das mit ihrer Mutter laut ausgesprochen hat und dann anerkannt hat, wie sehr diese mit ihrer Tat ihr wehgetan hat. Vielleicht noch eine kleine Spekulation zu Hailey: Da ihr Bruder erwähnt wurde, möglicherweise verlässt sie die Stadt, um ihre Beziehung zu ihm zu kitten?

Noch eine kleine Beobachtung vor dem Fazit: Schon vor dem Doppelstreik von WGA und SAG-AFTRA war angekündigt worden, dass aus Spargründen nicht alle Hauptdarsteller in allen Episoden zu sehen sein werden. Das war für viele Network-Serien, darunter auch OneChicago komplett, vorgesehen. Solche Sparzwänge können bei einem Fan durchaus Bauchgrummeln auslösen, aber ich muss wirklich sagen, dass es bei den OneChicago-Serien gut gelöst wird. Hier Urlaub, dort ne Fortbildung, hier mal krank, dort mal eine Familienangelegenheit und es gibt tatsächlich auch mehr Raum für Neues, wenn man sich denn traut. Diesen Umstand erwähne ich hier jetzt so explizit, weil Hank Voight in dieser konkreten "Chicago P.D."-Episode nicht dabei war und da ich bekanntlich nach all der Zeit kein großer Fan mehr dieses Charakters bin, war es eine gute Bestätigung, die Cop-Serie funktioniert auch unterhaltsam ohne den Boss.

Fazit

Insgesamt war es eine Episode, die mich etwas zwiegespalten zurückgelassen hat. Das Duo aus Hailey Upton und Josephine Petrovic kannten wir schon, von daher hätte ich mir aus der erneuten Paarung viel mehr Fortschritt erhofft. Dennoch gab es immerhin andere Nuancen und die Hoffnung, dass diese ganze Charakterarbeit für eine aktuelle Nebenfigur auf einen Sinn und Zweck hinarbeitet.

Lena Donth – myFanbase

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