Bewertung

Review: #11.11 Keine Vergebung

In Bezug auf Kevin Atwater ist es immer ein etwas leidiges Thema. Oft die wenigste genutzte Figur im Hauptcast und dann zwar stets emotional aufreibend gespielt, aber in dem Konflikt zwischen Blau und Schwarz schnell ein bekanntes Muster ausgebildet, mit dem es sich die Drehbuchautoren dann gerne einfach machen. Deswegen war seine erste Episode der Staffel, die #11.05 Split Second, schon ein echtes Ausrufezeichen, weil sie über Schuldgefühle ein Themenfeld aufgemacht hat, das so rein individuell auf ihn zugeschnitten wurde, dass es neu und frisch wirkte. Und oh Wunder, sie knüpfen mit der aktuellen Episode sogar noch daran an!

Es ist schon lustig. Eine langlebige Liebesgeschichte war Kevin in den elf Jahren einfach nicht vergönnt, obwohl ich ahnen könnte, dass er als Ehemann und Familienvater so ungefähr das Goldigste wäre, was man sich vorstellen kann. Aber die Frauen in seinem Leben kommen und gehen auch schon wieder. Dass also ausgerechnet Teresa Westbrooke als Frau in seinem Leben wieder auftauchen darf, obwohl die nie die Frau SEINES Lebens sein könnte, war schon ironisch. Aber es war auch eine geniale Idee. Ihn hat diese Familie nicht losgelassen, weil er durch seinen zweiten Besuch im Juweliergeschäft für sich gesichert hatte, dass er Corey hätte retten können. Dementsprechend hat sich daraus eine Verpflichtung den Westbrookes gegenüber ergeben. Schon bei der Anfangsmontage war mir schnell klar, dass er für den Grabstein gesorgt hat, weil sein Blick vorher auf das etwas trostlose Grabfeld viel gesagt hat. Ich hätte aber nicht damit gerechnet, wie sehr er sich als unsichtbarer Samariter für die Westbrookes aufgerieben hat. Wir haben aber immer weitere Hinweise bekommen. Erst die ganzen Alerts auf sein Handy, dann seine Aktion für Jonathan, der droht suspendiert zu werden und schließlich die geballte Enthüllung, was sich über die Monate seit Coreys Tod an Gesten angesammelt hat. Aber es war so Kevin. Das hat er immer schon für seine Geschwister gemacht und auch innerhalb der Unit war er immer der gute Freund, auf den Verlass ist. Dementsprechend hat die Episode natürlich aufgearbeitet, wie sehr das aus Schuldgefühlen herrührt oder wie es vielleicht einfach ein Teil von Kevin ist, der auch zur Schwäche werden kann.

Ich fand die Episode Insgesamt stark. Ich fand zwar den Fall der Woche nicht herausragend, aber er wurde für mich geschickt in ein Korsett gepackt, so dass es gar nicht so auffiel. Butchie als Informant war gleich ein Fall für sich, weil er auch so Druck gemacht hat. Viele Informanten kommen wegen einer persönlichen Situation in diese Lage, aber von Info zu Info wird es routinierter, wie ein Job irgendwann. Demnach war Kevins logische Folge, dass er vielleicht an schnelles Geld kommen muss, in die entsprechende Richtung gedacht. Aber weil er den Verdacht relativ am Anfang der Episode geäußert hat, war klar, dass es nicht der Grund ist. Das wäre zu einfach gewesen. Dass es ein persönlicher Rachefeldzug war, das hatte ich aber nicht erwartet. Butchie wirkte zwar drängend, aber nicht getrieben. So wurde letztlich aber eine Parallele zwischen Schuld und Rache aufgezeigt. Es sind beides Gefühle, die sich tief im Inneren festsetzen und beides Gefühle, bei denen man sich angetrieben sieht, etwas zu tun, damit man einen Teil davon abladen und im Idealfall loswerden kann. Doch so funktioniert das bei beiden nicht. Wenn die Rache vollzogen ist, dann ist der geliebte Mensch immer noch tot (oder andere Dinge natürlich, je nachdem, was das Rachebedürfnis ausgelöst hat) und Schuld kann man materiell abzutragen versuchen. Aber emotional muss da keinesfalls Schritt halten. In dem Sinne ist sich Kevin in seinem Versuch, Butchie von seiner Tat abzuhalten, auch selbst etwas bewusst geworden. Nur glaube ich nicht, dass es ganz so war, wie Teresa ihm das kalt vorgeworfen hat. Kevin ist kein oberflächlicher Mensch, der wirklich denkt, dass seine Gesten mit Einkäufen und Grabstein bezahlen ihn freikaufen. Aber er hat durch den Fall eine emotionale Beziehung zu den Westbrookes aufgebaut, aber Teresa hat ihn daran völlig gehindert. Sie wollte keinen Kontakt (was ihr gutes Recht ist), aber sie hat damit sie Tür zugeschlagen, dass Kevin der sein konnte, der eigentlich sein kann. Also war das Materielle sicherlich ein Ausgleich, aber in meiner Wahrnehmung nicht wirklich das, von dem Kevin erwartet hat, dass es ihm auf einmal auf magische Weise besser geht.

In der Episode gab es auch einige schöne kleine mitmenschliche Momente. Das eine war natürlich Kim Burgess, die ihm wegen dem Ausflug zu Jonathan den Rücken freihalten musste. Sie hat noch nicht mal groß gefragt, sondern schnell begriffen, das muss ich für meinen Kumpel jetzt tun. Das fand ich schön, weil ihre Freundschaftsmomente zwar immer aufblitzen, aber eigentlich doch zu wenig, und dann gefällt mir immer die Selbstverständlichkeit des Miteinanders, die auch viel aussagt. Es gab auch einen kleinen Moment mit Hank Voight, der war eigentlich aus der Wut geboren, aber nachdem Kevin ihm ehrlich gestanden hatte, was er für die Westbrookes tut, sah man regelrecht in seinem Gesicht das Verständnis. Er war danach immer noch der Boss, der Leistung einfordert, aber etwas runtergeschraubt, weil wir alle wissen, dass er so etwas selbst schon für Menschen getan hat oder noch aktiv tut, mit deren Leben er unfreiwillig verwoben wurde. Das beste Duo waren aber Kevin und Trudy Platt. Sie war schon da, als er den Ausbruch von Teresa ertragen musste und das Verständnis in ihrem Blick war schon unter die Haut fahrend, aber ihr Gespräch zum Abschluss der Episode war noch besser. Hier wurde für mich auch noch mal deutlich, dass es nicht alleine Schuldgefühle sind, die Kevin bei den Westbrookes angetrieben haben. Er ist ein Typus, der schnell die Last der Verantwortung für alle um ihn herum trägt und da muss Schuld nicht der Motivator sein. Das ist in ihm drin. Schuld ist nur sicherlich ein Ventil, was es noch einmal brisanter macht. Aber Schuld wird man nicht los, weswegen Trudys Worte dazu sehr weise waren. Man kann sich von den Gefühlen in die Tiefe ziehen lassen und damit ertrinken, oder man nimmt es als Energiequelle, um etwas zu tun. Im Grunde hat Kevin das gemacht, nur eben für eine Familie, die das gar nicht will. Das ist zu akzeptieren. Aber er kann die Energie dennoch in die Welt da draußen stecken. Mit seinem Job tut er das auf jeden Fall. Zuletzt war es auch schön, dass Trudy betonte, dass sie ihn nicht ertrinken lassen. Da die Gesten dafür in der ganzen Episode im Kleinen zu sehen waren, hat es das sehr rund gemacht.

Fazit

Das Ende der elften Staffel von "Chicago P.D." ist schon nah und so schließen sich auf charakterliche Ebene immer mehr Kreise. Stand jetzt hat Kevin Atwater für mich die beste übergreifende Handlung bekommen. Für mich war es eine neue Entwicklung, die hier über das Thema Schuldgefühle fortgesetzt wurde und die eine sehr sensible Seite an einem ohnehin empathischen Menschen aufgezeigt hat und es hat mich sehr berührt. Kevin hat als nahbare Figur in jedem Fall geglänzt und es wurde so aufgezeigt, warum es zwischen den Hauptfiguren keinen Unterschied in der Wichtigkeit geben sollte.

Lena Donth – myFanbase

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