Bewertung

Review: #3.03 Offene Rechnungen

Foto: Amy Morton, Chicago P.D. - Copyright: RTL / NBC Universal
Amy Morton, Chicago P.D.
© RTL / NBC Universal

Nachdem die bislang breit erzählten Episoden von "Chicago P.D." in den einzelnen Handlungsbögen bislang etwas zusammenhanglos nebeneinander standen, so zeigt diese Folge doch deutlich, dass man alles unter einen Hut bekommen kann, indem ein thematischer Rahmen gewählt wird: hier Familie.

Fangen wir am besten mit dem Fall der Woche an, weil er im Grunde den Ton der Episode mitbestimmt. Es geht hektisch los am Empfangstisch von Trudy Platt. Alle wollen was und alle sehen sich als Priorität und mittendrin Jeff Frazier, der auf einmal auf die Zurückweisung damit reagiert, dass er Greg 'Mouse' Gerwitz als Geisel nimmt, um sich Gehör zu verschaffen. Denn seine Tochter ist seit Monaten verschwunden und niemand scheint es wirklich zu kümmern. Sowas hat es in Crime-Serien durchaus schon öfters gegeben, dass ein Familienmitglied keine andere Wahl mehr sieht, als selbst kriminell zu werden, um endlich Antworten zu bekommen. Das ist dann letztlich auch das, was die Familien-Thematik für mich in Gang gesetzt hat, denn Jeff erträgt es nicht, nicht zu wissen, was mit Tochter Sarah ist. Natürlich könnte sie weggelaufen sein, aber seine innere Intuition sagt ihm wahrscheinlich, dass das eindeutig nicht der Fall ist. Dazu passend ist dann ausgerechnet Mouse seine Geisel. Ich fand die Wahl gleich doppelt großartig. Zum einen haben wir bislang zu ihm noch wirklich wenig angeboten bekommen, weswegen das im Grunde seine erste Episode ist, in der er richtig Profil gewinnt. Zum anderen liegt mein Lob darin begründet, dass Jeff und Mouse beide aus dem Militär kommen. Von dort wird auch immer wieder vermittelt, dass die Kameraden sich wie Brüder, wie Familie empfinden. Auch wenn man nicht in derselben Einheit gedient hat, man muss seine Truppe und die Einsatzorte nur benennen und schon versteht man einander.

Auch wenn Jeff Mouse gegenüber sehr skeptisch war, weil er das Gefühl hatte, von ihm zum Reden gebracht zu werden, so ist Mouse aber ja gar nicht in Polizeitaktiken ausgebildet. Es mag sein, dass es beim Militär auch eine Rolle gespielt hat, aber ich denke vor allem auch, dass es reine Intuition bei Mouse war. Bei ihm wurde schließlich angedeutet, dass er traumatisiert wurde und er und Jay Halstead sich gegenseitig retten mussten. Dementsprechend wollte er Jeff wahrscheinlich einfach nur verstehen. Und er hat ihn ja verstanden. Selbst wenn Mouse selbst kein Kind hat, aber er kennt es genauso, wenn man sich von zuhause entfremdet. Dementsprechend fand ich alle Interaktionen zwischen den beiden sehr, sehr gut. Mouse wirkte auch so ruhig und ich denke, er hat Jeff mit seiner Art auch vermittelt, dass er nicht alleine ist. Dementsprechend passte es dann auch, dass Mouse heimlich die Patronen aus Jeffs Waffe genommen hat, um anschließend Hank Voight gegenüber dazu zu stehen, dass die Waffe durchweg nicht geladen war. Klar, wusste es Hank besser, aber letztlich haben doch alle aus der Unit Jeff nicht verurteilt, sondern verstanden. Deswegen auch diese intensive Szene, als Erin Lindsay, nachdem sie mit den Kollegen Sarah gefunden hat, Jeff rufen lässt, damit dieser seine Tochter davon abhält, Selbstmord zu begehen. Wie Hank und die anderen ihm da Zeit gegeben haben, obwohl sie ihn sofort wieder in Handschellen hätten legen müssen. Alle haben verstanden, warum es Jeff getan hat und Mouse hat mit seiner Entscheidung nur dazu beigetragen, dass Jeff keiner langen Strafe entgegensehen wird. Unterm Strich hat er damit auch gezeigt, die Militärfamilie hält zusammen.

Familie haben wir dann auch bei den Olinskys. Eigentlich war es eine Episode, in der die Szenen zu ihnen plus Michelle Sovana etwas überraschend kamen, aber letztlich passte es eben doch. Denn Michelle wird von Alvin zu Antonio Dawson in den Boxclub (auch das erste Mal, dass wir dazu etwas zu sehen bekommen) geschickt, um dort eine Möglichkeit zu finden, ihren Gefühlen Herr zu werden. Es war eine schöne kleine Szene, weil Antonio Michelles Geständnis, Alvins Tochter zu sein, nicht mal kurz in Zweifel gezogen hat, denn er wusste, dass dieser ganze Zusammenhang so Alvin ist. Eben niemandem aus der Unit groß was zu sagen, aber dennoch das Vertrauen zu haben, dass er Michelle Antonio übergeben hat, ohne dass daraus Klatsch, Kritik oder Ähnliches entsteht. Dazu kommt dann noch Alvin, der Meredith und Lexi reinen Wein einschenkt. Es war natürlich jetzt wirklich der Punkt gekommen, aber es war natürlich trotzdem herzzerreißend, denn die Olinskys hängen durch Alvins Job ohnehin oft am seidenen Faden. Das ist eben auch Familie, Zweifel zu haben, ob man wirklich die oberste Priorität ist und dadurch so viele verletzte Gefühle aufzubauen, dass eine Kleinigkeit alles zum Implodieren bringt. Aber man sieht dennoch auch den Unterschied zwischen Meredith und Lexi. Erstere sieht natürlich vor allem den Betrug während des Undercover-Einsatzes, der sich nahtlos in das einfügt, was schon alles zum Zusammenbruch gebracht hat. Lexi sitzt da eher zwischen den Stühlen. Sie ist Alvins kleiner Stern, aber sie hat natürlich auch Loyalität ihrer Mutter gegenüber. Sie wird es anders nehmen können als ihre Mutter, aber spätestens wenn sich Lexi in einer Konkurrenzsituation mit Michelle sehen könnte, wäre es das nächste Pulverfass.

Bei Erin geht es auch um Familie, um biologische und gewählte Familie. Während ihre Mutter Barbara 'Bunny' Fletcher ohne Rücksicht auf Verluste ihren verletzten Stolz auslebt, fühlt Erin mehr denn je Loyalität gegenüber Hank als ihrem Ersatzvater. Auch wenn wir zu dem Fall bislang nur Andeutungen haben, aber es ist klar, dass Hanks Falschaussage gegen James Beckett nicht aus einer Laune heraus gekommen ist, sondern aus der Abwägung heraus, einen gefährlichen Kriminellen hinter Gittern zu bringen. Auch wenn es wegen Hanks eigenen Taten immer eine andere Betrachtungsweise hat, weil hier ein Vorbestrafter andere Kriminellen bewertet, so ist auch eins klar: Auf Hanks Einschätzungen vom kriminellen Potenzial anderer kann man sich doch schon verlassen. Dementsprechend saß Beckett nicht aus einer Laune heraus im Gefängnis. Bunny ist das aber völlig egal. Zumal Hank damals falsch ausgesagt hat, dass er bei dem Einsatz gegen Beckett dabei war, weil er sie und Erin geschützt hat. Aber was zählt schon Dankbarkeit, wenn man nur sich selbst sieht? Kein Wunder, dass Erin in diesem Chaos in die Richtung psychologische Hilfe gestupst wird. Das war auch genau so ein Aspekt, den ich mir mit der letzten Episode auch gewünscht habe. Wenn du so am Boden warst, da hilft nicht ein Schnipsen und alles ist gut und vergessen. Natürlich ist die Einbindung von Dr. Daniel Charles auch die ideale Werbung für das bald startende "Chicago Med". Insgesamt sind beide Chicago-Serien, auch "Chicago Fire", aktuell eine passende Werbefläche, weil es ständig Gastauftritte gibt. Das ist clever, denn es wirkt organisch, aber es ist auch die konstante Erinnerung, bald geht es los. Schließlich war Dr. Will Halstead bislang auch in jeder Episode zu sehen. Aber nochmal zurück zu Erin und Daniel. Erst hat sie sich gewehrt, aber letztlich erkennt sie doch, dass es helfen könnte, was ein wichtiger Schritt ist.

Zuletzt haben wir dann noch das Ausrufezeichen zum Ende. Nachdem Justin Voight, Olive Morgan und Baby Daniel zwischendurch schon kurz zu sehen war, war doch klar, dass die Episode nicht ohne sie zu Ende gehen würde. Und als sie dann zusammenkommen, um entspannt Essen zu gehen, da kommt etwas fast schon Besinnliches auf. Denn dort ist Hank inmitten seiner Familie und man merkt richtig, wie ihn das beseelt. Aber das ist natürlich keine Atmosphäre für so eine Serie, weswegen dann der Hammer kommt. Natürlich ist Beckett auf Rache aus. Es ist ein echter Cliffhanger und das schon so früh in der Staffel. Aber extrem gut gemacht.

Fazit

Die dritte Staffel hat doch gerade erst angefangen, aber da wird gleich richtig einer rausgehauen. Ich fand das Drehbuch sehr nuanciert, weil alles wunderbar zusammenpasste und weil überall Spannung drinsteckte. Wenn gleich am Anfang so gezündet wird, wie wird wohl dann die ganze dritte Staffel?

Lena Donth – myFanbase

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