Bewertung

Review: #1.03 Keine Ahnung von Schach

Warum in Gottes Namen soll Joan ausgerechnet Schach spielen lernen? Und was hat das mit Kevins Behinderung zu tun oder dem Gerücht, dass Grace lesbisch sein soll? Auf all diese Fragen bemüht sich die dritte Folge der ersten Staffel Antworten zu geben.

Nach Vorstellung der Autoren der Serie ließen sich die Regeln des Schachspiels auf sämtliche Bereiche des Lebens anwenden. So lassen sie Gott zu Joan sagen, dass man im Schach als auch im Leben stets eine Strategie haben und vorausschauend denken müsse. Unter keinen Umständen dürfe man sich den Regeln des Gegners beugen.

Soweit die Botschaft, die in dieser Folge vermittelt wird. Für mich tun sich allerdings erhebliche Zweifel auf, ob die Regeln des Schachspiels tatsächlich so passend auf alle Lebensumstände sind. Das Schachspiel erfordert zwar strategisches Vorgehen und selbstständiges, von den Zügen des Gegners unbeeindrucktes Denken und Handeln. Es verlangt aber in gleicher Weise ein berechnendes, letztendlich auf die Täuschung und Überlistung des Gegners abzielendes Vorgehen. Und soll dies tatsächlich die Art und Weise sein, wie man sein Leben leben sollte? Würde Gott dies, gleich in welcher Gestalt und Identität er in Erscheinung treten würde, tatsächlich einem seiner Schützlinge anraten? Wohl eher nicht. Zumindest aber ist der Denkansatz insoweit interessant, als hierdurch versucht wird, dem Leben, zuvorderst dem menschliche Miteinander, eine durch eine höhere Instanz aufgestellte 'Spielregel' zuzuschreiben. Leider erscheint mir dieser Erklärungsansatz nur allzu 'menschlich'. Das 'Schachbrett' als Versinnbildlichung des menschlichen Daseins ist mir persönlich etwas zu platt. Ich kann hier förmlich sehen, wie die Autoren der Serie krampfhaft versucht haben, die Handlung dieser Folge in das Denkkonstrukt "Leben als Schachbrett" hineinzupressen. Schade, denn eigentlich stellt sich die Grundidee, dass es in allem Sein ein gemeinsames Verbindungsstück, eine Art allgemeinverbindliche Regel des Lebens gibt, als durchaus innovativer Denkansatz dar.

Absolut überzeugend ist hingegen die Geschichte um Grace und das Gerücht, sie wäre lesbisch. Joan, die sich abmüht, Grace irgendeine Sinnesregung zu entlocken, um das Gerücht aufzuklären, ist sehr, sehr witzig anzuschauen. Amber Tamblyn beweist hierbei einmal mehr ihr zweifelsohne vorhandenes komödiantisches Talent. Die Szene, in der sie anfängt, im Physikunterricht über Jungs und ihren vermeintlichen Männertyp zu faseln – sie mag angeblich athletische Männer – ist urkomisch, nicht zuletzt weil hierbei auch Adam einbezogen wird, der durch Joans 'Geständnis' offenbar total verunsichert wird. Und die Serie wäre nicht, was sie ist, wenn schlussendlich nicht alle Fäden zusammengesponnen und sich zeigen würde, dass Joan etwas aus ihrer von Gott gegebenen Aufgabe gelernt hätte. Toleranz und vorurteilsfreies Denken sind hier die Stichworte. Joans ganz 'eigenes' flammendes Plädoyer über diese Grundattribute, mit denen sie ihre lästernde Mitschülerinnen in die Schranken weist, beeindruckt und verleiht der Folge einen gewissen 'moralischen' Anspruch.

Besonders hervorzuheben ist in dieser Folge wiederum die besondere Art der Darstellung. Die Geschichten um die Protagonisten werden sorgfältig, nahezu liebevoll erzählt. Jede Geschichte und jeder Charakter erhält seinen Raum und die Ruhe und Zeit, sich langsam aufzubauen und zu entwickeln. Die Darstellungsweise kommt so durchweg normal daher, dass es auch in dieser Folge zu keinem Zeitpunkt an der nötigen Glaubwürdigkeit mangelt.

Bei aller positiver Kritik, bleibt allerdings ein kleiner Wermutstropfen. Etwas zu plakativ und ohne wirkliche Erklärung tut sich in dieser Folge ein Spannungsfeld zwischen Helen und Will auf. Wie wir erfahren, entzündet sich zwischen diesen beiden Charakteren - anscheinend auch nicht zum ersten Mal - ein Konflikt zwischen Hoffnung und Glaube auf der einen sowie Vernunft und Wissen auf der anderen Seite. Helen, als Künstlerin, verkörpert hier offenbar den Glauben, Will hingegen mit seinem Sinn für Fakten und Wahrheit die Vernunft. Das alles kommt angesichts des Umstandes auf, dass Kevin glaubt, wieder etwas in seinen Beinen zu spüren. Trotz der sichtlichen Bemühungen um Tiefgang wirkt die Geschichte um Kevins Behinderung bzw. dessen Glaube an vollständige Genesung in seltsamer Art halbherzig erzählt. Kevins Hoffnung und die Diskrepanz zwischen Hoffnung und Vernunft festgemacht an den Charakteren Will und Helen muten wie eine 'Lightversion' der eigentlich sehr ernsten und anspruchsvollen Thematik "Akzeptanz einer Behinderung" an. Das Thema Glaube versus Wissen wird meines Erachtens unnötig aufgekocht, ja fast schon 'verkocht'. Es werden hier weder denkwürdige Fragen aufgeworfen noch spannende Aspekte zu Tage gefördert.

Ebenso wenig sorgt die Handlung um Will und seinen aktuellen Fall einer Kindesentführung für spannende Momente. Wills Ermittlungsarbeit ist nicht besonders mitreißend, so dass einem die schlussendliche Lösung eher gleichgültig lässt. Dass Will bei seiner Arbeit auch noch ein Medium bzw. eine Hellseherin zur Seite gestellt wird, nur um zu zeigen, dass Will dem Übersinnlichen/Glauben äußerst skeptisch eingestellt zu sein scheint, ist nicht nur überflüssig, sondern auch langweilig. Aufgrund des dargestellten Konflikts mit Helen wissen wir bereits, dass Will den Fakten und der Wahrheit verhaftet ist. Er ist stetig bemüht, die Dinge durch Vernunft zu erklären. Kein Grund also dies dem Zuschauer nun nochmals quasi mit der Keule um die Ohren und Augen zu hauen. Völlig überflüssig erscheint mir auch, dass die Hellseherin beim Zusammentreffen mit der Girardi-Familie auf dem Polizeirevier erwähnt, Joan habe eine ganz spezielle Verbindung zum Universum und Kevin anschließend ins Ohr flüstert, er würde auf seiner Hochzeit tanzen. Gerade, dass sie Kevin in seiner, angesichts der klaren Diagnose des Arztes, unbegründeten Hoffnung auf vollständige Genesung bestärkt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Hoffnung stirbt nie - das mag sein, doch die Aussage der Hellseherin würde für mich in diesem Zusammenhang nur einen Sinn ergeben, wenn sie in der Serie zu einem späteren Zeitpunkt eine Auflösung erfahren würde. Ohne zu viel verraten zu wollen, das passiert jedoch in der gesamten Serie nicht. Daher hängt für mich die ganze Handlung und die Aussage der Hellseherin völlig in der Luft. Insofern 'schwächelt' hier die Handlung leider etwas.

Fazit

Insgesamt eine eher unspektakuläre Folge mit gelegentlichen Schwächen in der Handlung. Dank der sorgfältigen Erzählweise und den vielen komödiantischen Einlagen wohl aber eine Folge mit gutem Unterhaltungswert.

Anne L. - myFanbase

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