Bewertung

Review: #2.16 Peter

Foto: Joshua Jackson, Fringe - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Joshua Jackson, Fringe
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Wie lange haben wir auf diese Folge gewartet?!

Nicht nur die acht Wochen, die in den USA zwischen der Erstausstrahlung dieser und der vergangenen Folge lagen, sondern viel mehr die unendlich erscheinenden Monate zwischen dieser Folge und dem Finale der ersten Staffel. Denn spätestens als Walter plötzlich vor dem Grab seines verstorbenen Sohnes Peter stand, wurde uns klar: Peter ist nicht von "hier", sondern Peter ist von "da drüben". Seit diesem Moment an stand natürlich die Frage im Raum, was genau geschehen ist. Damals ahnte noch keiner, dass sich die Antwort auf diese Frage länger ziehen wird als das unnötige und qualvoll lange Ausrechnen einer Gleichung mittels einer Polynomdivision (oh je, "Fringe" hat seine Spuren bei mir hinterlassen). Immer wieder bekamen wir kleine Puzzleteilchen gereicht und nun endlich werden diese Teilchen zu einem Gesamtbild zusammengesetzt. Und erst wenn man sich dieses Gesamtbild mal genauer betrachtet, sieht man, dass diese Folge mehr geleistet hat, als einfach nur die Vergangenheit um Peter zu lüften. Vielmehr haben sich die Autoren noch anderer Puzzleteilchen bedient, von denen man gar nicht genau wusste, ob bzw. inwiefern sie in das eigentliche Gesamtbild dieser Storyline reinpassen. Doch sie passten überraschend gut rein und was letztlich herauskommt, ist ein glasklares Bild, das das bisherige "Fringe"-Universum um so vieles komplexer macht, dass man schon fast behaupten kann, dass diese Folge ein Meilenstein der Serie darstellt.

For the sake of one life, you would destroy the world.

Es dauerte nicht lange, ehe wir Zuschauer uns im Jahre 1985 befanden und einen Walter zu Gesicht bekamen, der nicht nur ungewohnt volles und schwarzes Haar hatte, sondern verzweifelt um das Leben seines genetisch kranken Sohnes kämpfte und versuchte, ein Mittel gegen seine Erkrankung zu finden. Und ganz klar: Diese Folge glänzte förmlich durch John Nobles Performance als Walter. Diesmal spielte er nicht den süßen und verwirrten 2010er Walter, sondern den verzweifelten 1985er Walter, was erneut zeigte, wie facettenreich John Noble spielen kann. Das Besondere an ihm ist wohl einfach, dass es bei ihm keiner großen Worte bedarf, damit wir Zuschauer verstehen, wie sich sein Charakter gerade fühlt. Gerade in den Szenen, in denen wenig gesprochen wurde, konnte er mit seiner Mimik seine Gefühlslage geradezu auf den Zuschauer übertragen. So zum Beispiel Walters Trauer, als sein kleiner Sohn in seinen Armen starb. Oder Walters Umschwung von unbeschreiblicher Freude zu unglaublicher Wut und Verzweiflung, als er sieht, wie Walter 2.0 in der anderen Welt endlich das Heilmittel herstellen konnte, dieser das jedoch gar nicht realisiert und das alles entscheidende Gegenmittel wieder wegschüttet.

Am meisten überzeugen konnten die Szenen, die nach Peters Tod spielten und in denen Walter nahezu besessen war, in seiner Verzweiflung in die andere Welt zu reisen, um seinen Sohn noch zu retten und sich Walter dabei gegen alle stellte, die ihn davon abhalten wollten. Generell war diese Folge auf einem emotional sehr hohem Niveau, was nicht nur John Noble, sondern auch Orla Brady zu verdanken ist, die Peters Mutter Elizabeth verkörperte. Es ist nicht einfach, neben einem Kollegen wie John Noble zu überzeugen. Dennoch ist es ihr gut gelungen, neben John Noble zu glänzen. Sie hat den trauernden Mutterpart sehr gut übernommen.

No limitations, no boundaries

Doch genug zu den Schauspielern und der emotionalen Ebene dieser Folge. Wichtig ist natürlich auch, ob die Erwartungen an Auflösung erfüllt wurden, die sich in mir mit der Zeit aufgestaut hatten, da uns die Autoren ziemlich haben schmoren lassen. Wie hat also die eigentliche Haupthandlung in dieser Folge abgeschnitten?

Auch hier verdient die Folge meinen Respekt, denn meine Erwartungen wurden voll und ganz erfüllt. Natürlich konnte man keine großen neuen Erkenntnisse erhoffen, da wir, wie gesagt, schon einige Puzzleteilchen erhalten hatten. Und es ist eben wirklich wie bei einem Puzzle: Schaut man sich die einzelnen Puzzleteilchen an, kann man in etwa erahnen, wie das fertige Motiv aussehen wird. So erwarteten uns keine großen Überraschungen, sondern das, was man hat kommen sehen: Peter stirbt, Walter reist in ein Paralleluniversum und rettet seinen Sohn, wobei er damit gegen ungefähr hundert physikalische Gesetze verstößt. Natürlich kann man von Vorhersehbarkeit sprechen, doch ganz ehrlich: Wer sich, trotz der Komplexität dieser Folge, trotz der emotionalen Szenen, trotz der genialen Arbeit Nobles und trotz der innovativen Ideen der Autoren darüber aufregt, dass die Story in dieser Folge ein wenig zu vorhersehbar war und wenig Überraschungen bot, gehört auf den Mond geschossen. Oder besser gleich in eine andere Welt.

Und weil ich es gerade erwähnt hatte, kommen wir auch gleich auf die Komplexität dieser Folge zu sprechen, wobei ich auch erkläre, weshalb ich davon gesprochen hatte, dass es "keine großen Überraschungen" gab. Denn kleine Überraschungen gab es, die dieser Folge die Krone aufsetzten und das "Fringe"-Universum um so vieles klarer machten.

Zu aller erst war es der Charakter Nina Sharp, der für Überraschungen sorgte. Es war interessant zu sehen, dass Nina und Walter in der Vergangenheit ein so gutes Verhältnis hatten, wobei sich das anscheinend nicht nur auf die Zusammenarbeit mit William Bell bezog. Denn Nina sprach davon, dass ihr Peter unglaublich wichtig war, sodass man davon ausgehen kann, dass Walter und sie eine ziemlich gute freundschaftliche Beziehung pflegten. Außerdem bedeutet das ganze auch, dass Nina von Anfang an wusste, dass Peter von der anderen Seite kam. Die Krönung war dann natürlich die Szene, in der Nina Sharp ihren Arm verlor. Glaubten wir alle seit der Pilotfolge daran, dass Nina ihren Arm durch den Krebs verloren hatte, wurde uns nun bewusst, dass Walter daran Schuld ist, dass Ninas Arms wohl irgendwo in einem See einer anderen Welt liegt. Sehr gute Szene mit einem, wie sagt man so schön, "WTF-Effekt".

Nicht minder interessant waren die Szenen mit dem Beobachter/den Beobachtern. In #1.04 wurde uns erzählt, dass "Walters Beobachter" September ihn und Peter vor dem Ertrinken gerettet hatten, nachdem sie in einen eiskalten See gefahren waren. In #2.08 hingegen wurde uns das erste Mal bewusst, dass September irgendwie in Peters Schicksal verwickelt war. Und jetzt endlich wird uns auch hier eine tolle Auflösung geboten: September war Schuld, dass Walter 2.0 nicht mitbekommen hatte, dass er schon längst das Heilmittel für Peter hergestellt hat. Da Peter durch Septembers Fahrlässigkeit fast gestorben wäre, musste er sich darum kümmern, dass Peter eben nicht stirbt, weshalb er Walter und Peter gerettet hat, nachdem diese nach ihrer Rückkehr im Eis eingebrochen waren.

Weshalb der Beobachter Peter überhaupt retten musste? Die Antwort gibt folgender Dialog:

Walter: "Why did you save us?"

September: "The boy is important, he has to live."

Ich sag dazu nur eines: P O T E N T I A L.

Randnotizen

Interessant ist, dass die Regierung, oder zumindest Teile davon, offenbar von der Existenz von Paralleluniversen wissen, da Walter ihnen schließlich diese Existenz anhand seiner Apparatur beweisen konnte. Außerdem war es meiner Meinung nach eine eindruckschindende Szene, als die ungläubigen Generäle durch Walters "Fenster" blicken und plötzlich sehen, wie ein riesiger Zeppelin an das Empire State Buildung andockt: "Gentlemen, you are looking through a window into another world."

Weiterer Pluspunkt für das Auftreten von Walters Assistentin Carla, die zwar nicht an Astrid heranreichen kann, aber dennoch für gute Szenen sorgte, vor allem, als sie sich gegen Walters Plan stellte. Es wäre vielleicht das i-Tüpfelchen an Dramatik und Schicksal gewesen, wäre Carla durch Walters Plan ums Leben gekommen. Schließlich wissen wir seit Beginn, dass sie bei einem von Walters Experiment gestorben ist. Aber gut, das wäre vielleicht ein Hauch zu viel Dramatik gewesen, weshalb es vielleicht doch besser war, das wegzulassen.

A propos weglassen: Es ist schon ironisch, dass in einer Folge, die den Namen "Peter" trägt, der Darsteller des Titelhelden keine einzige Sekunde in seiner jetzigen Form zu sehen war. Generell glänzten die meisten Hauptdarsteller und –charaktere mit ihrer Abwesenheit. Einzig Walter und Nina spielten eine wichtige Rolle, während Olivia in einigen wenigen Szenen zu sehen war. Der Rest der Crew hatte eine Pause, was jedoch durchaus zu verkraften war, da John Noble das mehr als wett machen konnte.

Zu guter letzt noch eine Kleinigkeit, die mir jedoch sehr gefallen hat und zeigte, dass die Macher sich auch mit kleinen Details beschäftigen. Damit meine ich zu einem die Entmodernisierung der Ortseinblendungen, sobald die Folge im Jahre 1985 spielte und natürlich den Aufwand, extra für diese Folge ein weniger modernes, eben für das Jahr 1985 passendes Intro samt abgeänderter Titelmusik zu erstellen.

Fazit

Diese Folge fügt nicht nur die Schnipsel aus Peters Vergangenheit und Walters Geheimnis zu einem hervorragenden Gesamtbild zusammen, sondern bindet auch noch Nina Sharp und die Beobachter clever in die Story mit ein und bringt einige interessante Erkenntnisse, wobei es besonders beachtlich ist, dass die Serie auf lange Zeit vorher angeschnittene Storys zurückgreift und damit beweist, dass "Fringe" komplexere Ausmaße annimmt als angenommen. Außerdem erhalten wir neue und innovative Einblicke von der "anderen Seite" und John Noble kann in dieser Folge sein volles Talent zur Geltung bringen und mit einigen sehr emotionalen Szenen mehr als überzeugen. Mal ehrlich: Was will man mehr?

Insgesamt ist diese Folge für mich das bisherige Highlight dieser immer besser werdenden Serie.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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