Bewertung

Review: #4.09 Der Feind meines Feindes

Foto: Jared Harris, Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: 2011 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX
Jared Harris, Fringe - Grenzfälle des FBI
© 2011 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX

Jap, jetzt kann es endlich richtig losgehen. Mein Problem mit der bisherigen vierten Staffel hatte weniger etwas mit der neuen Zeitlinie zu tun, sondern viel mehr mit der Tatsache, dass man uns keinen roten Faden bezüglich der Handlung zwischen den beiden Universen lieferte. Klar, in #4.01 Neither Here Nor There und #4.05 Novation wurden wir vor gefährlichen neuen Gestaltwandlern gewarnt, die offenbar aus dem anderen Universum stammen und nichts Gutes im Schilde führen. Aber es fehlte definitiv an einem deutlichen roten Faden, wie in Staffel 1 David Robert Jones’ persönlicher Rachefeldzug gegen William Bell, in Staffel 2 Thomas Jerome Newtons Versuch, ein Portal zur anderen Seite zu öffnen und in Staffel 3 der Ergründung, was es mit der mysteriösen Maschine, dem Vakuum, auf sich hat. Nun, die verzweifelte Suche nach einem roten Faden hat sich mit #4.09 Enemy of my Enemy definitiv erledigt, ebenso meine Befürchtung, das "Fringe"-Fieber könne mich nicht mehr packen.

"Do you have my tea?" "Hardly."

Böse Zungen behaupten ja immer, dass die Rückkehr eines todgeglaubten Charakters ein sicheres Indiz dafür sei, dass den Autoren einer Serie langsam aber sicher die Ideen ausgehen und sie Serie dabei ist, über den berühmtberüchtigten Hai zu springen. Im Fall von "Fringe" wage ich das aber zu bezweifeln, zumal die Rückkehr von David Robert Jones wirklich kaum einen stören dürfte, war er schließlich durch seine charismatische und genialen Art einer der Lichtblicke der ersten Staffel. Und es dauerte während dieser Folge wirklich nicht lange, um sich daran zu erinnern, weshalb Jones als Antagonist der ersten Staffel einen solch bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Bereits zu Beginn, als Bolivia und Alt-Lincoln Jones’ Lagerhaus betreten und zusehen, wie er auf grausame Art und Weise einen Gestaltwandler tötet, nur um den beiden zu zeigen, wie herzlos er sein kann, war ein absolut grandioser Moment und eigentlich nur der Anfang von einer Reihe packender, spannender und vor allem unvorhersehbarer Momente, die wir im Rahmen von Jones’ bösartigem Spielchen zu Gesicht bekommen haben. Zum Teil fühlte man sich sehr an Jones’ Spiel mit Olivia aus #1.14 Das Manifest erinnert, was aber zu keinem Zeitpunkt irgendwie störend ausfiel, da Jared Harris seinen Charakter auch nach zwei Staffeln Abstinenz noch derartig charismatisch darstellt, dass man eigentlich nur jede Minute mit Jones gutheißen konnte. Ich mag mich nun zwar etwas weit aus dem Fenster lehnen, aber die Rückkehr von Jones war mit das Beste, was der Serie passieren konnte und ich hoffe sehr, dass man uns noch weitere Folgen beschert, in denen Jones so präsent ist und man ihn nicht, wie es in Staffel 1 der Fall war, nach dieser Folge lieblos unter den Teppich kehrt und erst gegen Ende wieder hervorholt.

Durch Jones’ Rückkehr bekommt nun auch endlich die Staffelhandlung um die beiden Universen eine gewisse Form, auch wenn man noch nicht wirklich weiß, was Jones genau plant und ich bitte drum, dass man uns nicht allzu lange warten lässt, bis man die Handlung wieder aufgreift. Richtig großartig ist es aber, dass man mit Jones nun einen Gegner hat, der sowohl für unsere Welt als auch für die andere Seite eine Gefahr darstellt und beide Seiten nun gezwungen sind, zusammenzuarbeiten und gegen Jones vorzugehen. Und da sich Walternate in dieser Zeitlinie als deutlich angenehmerer Zeitgenosse entpuppt hat als sein Pendant aus der originalen Zeitlinie, scheint diese Zusammenarbeit in Zukunft weniger problematisch zu verlaufen, als man hätte denken können. Lediglich zwischen Olivia und Bolivia wird die Kooperation wohl auch weiterhin nicht ganz so harmonisch vonstatten gehen, weshalb man deren Zusammenarbeit ganz besonders gespannt entgegenblicken sollte und uns hoffentlich ähnlich gelungene Szenen geboten werden, wie bereits in #4.02 One Night in October. Insgesamt ist es aber wirklich begrüßenswert, dass beide Universen nun endlich zusammenarbeiten werden, da uns das praktisch schon am Ende von #3.22 Der Tag, an dem wir starben versprochen wurde, man bisher aber fast gar nichts von einer etwaigen Zusammenarbeit zur Rettung beider Universen mitbekommen hat. Spannender wird das Ganze natürlich dadurch, dass sich in Mitten der Charaktere Alt-Broyles befindet, der sich bereits in der vergangenen Folge als Verräter entpuppt hat. Es ist schon witzig, dass man bis vor der Winterpause noch verzweifelt nach möglichen Gegenspielern gesucht hat und uns nun, zwei Folgen später, mit Jones, Nina und Alt-Broyles gleich drei Charaktere in der Rolle der Antagonisten gegenüberstehen.

Das Ganze wird zudem noch insofern interessanter, dass Olivia eine Rolle in Jones’ Plan zu spielen scheint. Das dritte Mal in Folge lieferte uns "Fringe" ein wirklich absolut unvorhersehbares Ende ab, diesmal mit der Enthüllung, dass Nina Sharp mit Jones zusammenarbeitet und diese wiederum heimlich an Olivia herumwerkelt. Damit griff man also den überraschenden Cliffhanger aus #4.07 Wallflower wieder auf, bei dem wir Zeugen wurden, wie Olivia unter Nina Sharps Anweisungen heimlich eine unbekannte Substanz injiziert wurde. Welche Rolle nimmt Olivia ein? Was plant Jones? Und hängt all dies mit der ominösen Warnung des Beobachters zusammen, der sagte, dass Olivia sterben müsse?

"I forgive you, Walter. I forgave you a long time ago."

Erfreulicherweise verpasste man nicht nur der Handlung bezüglich der beiden Universen einen kräftigen Tritt in den Hintern, sondern auch der um Peters verzweifelten Versuch, endlich wieder in seine Zeitlinie zurückzugelangen. Denn auch hier konnte diese Episode tolle Entwicklungen verbuchen, da wir Zuschauer am Ende Zeugen der Wiedervereinigung zwischen Peter und Walter wurden, die zwar recht zaghaft vonstatten ging, aber bereits in diesen wenigen Minuten ein Lächeln seitens der Zuschauer unausweichlich gewesen sein dürfte. Und so herrlich Walters bockiges und infantiles Verhalten gegenüber Peter in den vergangenen Episoden auch war, dürfte wohl keiner etwas dagegen haben, dass wir nun in den kommenden Folgen wohl immerhin einen Hauch der altgewohnten Dynamik zwischen Vater und Sohn wieder sehen werden dürfen, dessen Fehlen ja bei einigen Zuschauern mit ein Grund war, weshalb die vierte Staffel bisher nicht wirklich zünden wollte. Gleichzeitig mit dieser Wiedervereinigung wird es interessant sein zu sehen, was Walter versuchen wird, um Peter wieder in dessen Zeitlinie zurückzubefördern.

Derweil haben wir diesem wichtigen Schritt nur einem Charakter zu verdanken, nämlich der alternativen Elizabeth. Orla Brady auch in dieser Folge wieder zu Gesicht zu bekommen, war schon ein wirklicher Segen. Doch uns Zuschauern dann auch noch eine Szene zwischen ihrem Charakter und Walter zu bescheren, war dann das Highlight der gesamten Folge, mit dem man so gar nicht gerechnet hätte. Dabei dürfte Alt-Elizabeth mit der Art und Weise, wie sie mit Walter umgesprungen ist, wohl sämtliche Sympathien der Zuschauer gewonnen haben. Allein der Moment, in welchem sie Walter klar machte, dass sie ihm schon seit Jahren die Entführung ihres Sohnes verziehen hat, war absolut herzzerreißend und nur einer der vielen kleinen Höhepunkte, die die Szene zwischen den beiden zu bieten hatte. Aufgrund der Kontinuität war es auch wirklich toll, dass die Autoren auf die Geschehnisse aus #2.18 Die weiße Tulpe angespielt haben, als Walter Elizabeth erklärte, dass er niemals ein Zeichen der Vergebung von Gott erhalten habe – ganz anders also, als der Walter aus Peters Zeitlinie. Apropos Peters Zeitlinie: Wer hätte gedacht, dass Walter auch in dieser Realität eine Kuh hat, um die er sich liebevoll kümmert? Auch das, so klein dieses Detail auch sein mag, trug dazu bei, dass man sich während dieser Folge ungemein wohlfühlte und selbst die hartgesottensten Verfechter der originalen Zeitlinie diese rund 45 Minuten mehr genossen haben dürften als die Folgen zuvor.

In eigener Sache:

Und wo wir gerade bei den radikalen Verfechtern der originalen Zeitlinie sind, muss ich mich doch noch mal dazu äußern – obwohl ich ja immer wieder schwöre, es auf sich beruhen zu lassen. Aber als Rezensent liest man sich schon mal gerne durch die verschiedensten Foren, um zu sehen, ob man mit seiner Meinung alleine dasteht oder auch andere die eigenen Ansichten teilen. Und gerade während dieser vierten Staffel gibt es ja geteilte Lager, eben wegen der Tatsache, dass sich Peter in einer anderen Realität befindet. In einem dieser Foren, das ich mittlerweile gerne als Pessimistenforum bezeichne, gab es diverse Meinungen über #4.09. Insgesamt würden sich sämtliche Meinungen in einem Beitrag so zusammenfassen lassen:

„Joah, also eigentlich war #4.09 ja richtig super. Da wir uns aber nach wie vor in der anderen Zeitlinie befinden und alles, was dort passiert, eh früher oder später absolut für die Katz’ sein wird, war die Episode dann doch leider nur wieder scheiße.“

Hallooho? Dieses an den Tag gelegte Verhalten bezeichne ich ja als "Lost"-Syndrom. Denn nachdem die Kult-Serie durch die finale Staffel recht viele Fans hauptsächlich dadurch enttäuschte, dass manche Fragen unbeantwortet blieben und sich relevant erschienene Elemente als absolut irrelevant herausstellten, werden fast alle noch existierenden Mysteryserien noch vor deren Beendigung zerrissen, weil fest davon ausgegangen wird, dass das Ende und somit die Auflösung der ganzen Mysterien sowieso ein riesiger Flop werden. Mein persönliches Highlight war es ja, als ich mir erst vor einigen Tagen die Meinungen zu der gerade erst gestarteten Mysteryserie "Alcatraz" von J.J. Abrams durchlas und jeder zweite Post die gleiche Quintessenz enthielt, nämlich, dass die Serie nicht weiterverfolgt werde, weil das Rätsel um Alcatraz genauso enttäuschend aufgelöst wird, wie das Geheimnis um die Insel bei "Lost" – schließlich sei "Alcatraz" auch von J.J. Abrams.

Halloohoooo?! Da wird eine Serie nach zwei Folgen bereits zerrissen, weil ja die Wahrscheinlichkeit bestünde, dass die eventuelle Auflösung in einigen Jahren (wenn alles gut läuft) den selben negativen Beigeschmack hinterlassen könnte, wie eine andere Serie, die bereits vor zwei Jahren zu Ende ging?

HALLOOOHOO?!

Zurück zu "Fringe": Ich verstehe diejenigen, die ein Problem mit der neuen Zeitlinie haben, wirklich. Aber ich verstehe nicht diejenigen, die jede Folge, egal wie gut sie war, zerreißen, weil sie auf Beobachter machen und prophezeien, dass das Ganze sowieso schlecht aufgelöst werde. Natürlich kann es sein, dass Peter im Verlaufe der Staffel Jones erneut töten wird, beide Welten dadurch gerettet sind, Peter dann zurück in seine Realität reist und somit alles, was während der vierten Staffel passiert ist, ein riesiger Lückenfüller war. Doch muss es das sein? Nein, muss es nicht. Vielleicht mache ich mich hier gerade absolut lächerlich, weil sich in wenigen Monaten herausstellt, dass die Autoren uns genau diese Lösung präsentieren werden. Andererseits kann es genauso gut sein, dass wir eine absolut zufriedenstellende Lösung präsentiert bekommen und dann die ganze pessimistische Herangehensweise an die Episoden einfach nur unnötig war und solch gelungene Episoden wie #4.09 völlig falsch bewertet wurden.

Fazit

Daher sollte man einfach nur bewerten, was man gerade gesehen hat. Und in #4.09 Enemy of my Enemy bekamen wir die gelungene Anfangsphase eines hoffentlich noch verdammt spannenden Handlungsbogens samt genialen Szenen mit David Robert Jones zu sehen, eine herzzerreißende Szene zwischen Walter und Elizabeth und letztendlich die lang erwartete Annäherung zwischen Walter und Peter. All das hat gereicht, um bei mir das "Fringe"-Fieber, dem gegenüber ich resistent geworden glaubte, wieder ausbrechen zu lassen und den kommenden Episoden im wahrsten Sinne des Wortes entgegenzufiebern. Ich wünschte mir bloß, gegen den Pessimismus mancher Zuschauer resistent zu sein. Denn der ist momentan das einzige, was mir meinen Spaß an "Fringe" ein wenig trübt.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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