Bewertung

Review: #4.12 Willkommen in Westfield

Foto: Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Fringe - Grenzfälle des FBI
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J.R. Orci, der in der ersten Staffel von "Fringe" zum Autorenstab gehörte und bereits mit #4.05 Novation sein kleines Comeback feierte, schien die Serie in den zwei Jahren Abstinenz dennoch recht aufmerksam verfolgt und erkannt zu haben, welche positiv wahrgenommenen Episoden aus welchen Gründen gute Kritiken einheimsten. Und so spielte Orci neulich wohl Koch, warf die sehr gelungene mysteriöse Atmosphäre aus #2.12 Das Summen von Edina in einen Topf, dann noch die überraschende Entwicklung von einer vermeintlich Fall-zentrierten Episode zu einem weiteren Puzzleteil der Gesamtmythologie (was unter anderen die Episoden #3.02 Der Kasten und #3.06 6955 kHz auszeichnete) und gab anschließend noch einen ordentlichen, völlig unerwarteten "What the fuck?!"-Schlussmoment à la #3.19 LSD hinzu. Und da #2.15 Jacksonville auch noch so eine Episode ist, die sich ein richtiger Fringie immer wieder anschauen könnte, konnte es ja nichts schaden, auch noch einige Elemente dieser Episode dazuzugeben. Das Ergebnis: #4.12 Welcome To Westfield! Salz und Pfeffer können übrigens beiseite gestellt werden, hier muss nicht nachgewürzt werden.

"I saw this once before." "Where?" "Brigadoon, the musical. Magical town in the forest where no one can leave. Of course that quaint, scottish village was more hospitable than our present locale."

Meinetwegen hätte die Handlung dieser Episode gegen Ende noch nicht einmal in Richtung des roten Fadens verlaufen müssen, denn auch so hätten die mysteriösen Vorgänge in der kleinen Stadt namens Westfield absolut überzeugt, wodurch #4.12 eine fantastische "Fall der Woche"-Folge hätte werden können. Die Szenen in Westfield strotzten geradezu vor Spannung, Überraschungen und Skurrilitäten und die Tatsache, dass man zu Beginn noch keine Ahnung hatte, wie die merkwürdigen Ereignisse in Westfield zu erklären sind, bestand wirklich kontinuierliche Interesse an dieser Episode und Momente der Langeweile hätte man lange suchen können. Dafür gab es einfach zu oft völlig überraschend Szenen, die skurriler und unheimlicher gar nicht hätten sein können, wie beispielsweise die Dinerszene mit dem Besitzer, der in seiner Kühlkammer und unter dem Tresen zwei Leichen versteckt hatte, sowie der Moment, in dem ein Mann völlig apathisch mit einer blutverschmierten Puppe in der Hand summend die Straße entlang lief, was teilweise richtiges "The Walking Dead"-Feeling auslöste. Und damit seien nur zwei solcher Szenen genannt, von denen es in dieser Episode so einige gab. Insgesamt führte das Ganze dazu, dass die gesamte Atmosphäre in #4.12 wohl zu den unheimlichsten und packendsten der Serie gehört, wodurch eine fast schon apokalyptische Stimmung herrschte und eben an Serien wie "The Walking Dead" erinnerte oder teilweise auch an Stephen Kings Roman "Desperation" und dessen gleichnamige Verfilmung.

Statt dass #4.12 jedoch als gelungene "Fall der Woche"-Episode in die "Fringe"-Geschichtsbücher eingehen wird, offenbarte sich gegen Ende, dass die Geschehnisse in Westfield im Zusammenhang zu David Robert Jones' weiterhin unbekanntem Plan zu stehen schienen und durch Jones’ Handeln die Westfields beider Universen und deren Bewohner zu verschmelzen drohten – natürlich mit katastrophalen Auswirkungen. An dieser Stelle fühlte man sich doch sehr an #2.15 erinnert, schließlich fand damals durch Thomas Jerome Newton ebenfalls eine Verschmelzung beider Universen statt, nur dass sich jene auf ein Gebäude begrenzt hatte und die physischen Auswirkungen deutlich fataler waren, während in #4.12 mehr die psychischen Auswirkungen, also die Schizophrenie, im Vordergrund standen. Dennoch waren deutliche Parallelen nicht zu übersehen, besonders auch was das Ende betraf. Richtig böse kann man den Machern dabei jedoch nicht sein, schließlich entfaltete diese Episode eine ganz andere, mysteriösere Atmosphäre als #2.15, weshalb man über die inhaltlichen Parallelen durchaus hinwegblicken kann. Ebenso fällt es nicht stark ins Gewicht, dass man zwar vorgab, den roten Faden um Jones irgendwie weiterzuspinnen, man jedoch nach wie vor nicht weiß, was Jones jetzt eigentlich für Pläne hat.

"You're leaving? I made crepes. Breakfast for dinner - the second most important meal of the day!"

Was braucht "Fringe" neben einem interessanten Fall und dem Anschneiden des roten Fadens noch, um eine wirklich gelungene Episode abzuliefern? Richtig, ordentliche Charaktermomente. Und auch hier machte diese Folge absolut nichts falsch. Die Szenen mit Walter waren erneut herrlich mit anzusehen und von dem desolaten und deprimierten Walter aus der Anfangsphase dieser Staffel ist absolut nichts mehr zu sehen. Auch die Momente zwischen ihm und Peter lassen gar nicht mehr erahnen, dass wir uns in einer anderen Zeitlinie befinden, wie noch vor dem Ende des dritten Staffelfinals. Ob wir es hier überhaupt wirklich mit einer anderen Zeitlinie zu tun haben, schauen wir uns gleich noch einmal genauer an. Jedenfalls bekamen wir Zuschauer spätestens in dieser Folge den Eindruck, dass Walter eigentlich gar nicht mehr möchte, dass Peter wieder aus seinem Leben verschwindet. Diese Ausgangssituation lässt eigentlich schon einmal herzzerreißende Szenen erwarten, da Peter schließlich nach wie vor beabsichtigt, "nach Hause" zurückzukehren – wo auch immer das sein mag. Die Frage ist nur: Wird Walter bereit sein, seinen Sohn erneut gehen zu lassen? Letztendlich befindet sich der Walter aus dieser Realität in der gleichen Misere wie der alte Walter während der dritten Staffel, als er in #3.10 Das Glühwürmchen von den Beobachtern vor die Frage gestellt wurde, ob er bereit sei, Peter einmal gehen zu lassen oder nicht. Damals hat sich Walter bereiterklärt, doch wird dieser Walter nun das Gleiche tun? Wird er Peter weiterhin helfen, einen Weg in seine Realität zu finden oder wird er eher einen Weg zu finden versuchen, Peter bei sich zu behalten?

"Oh Peter, I don't know how to explain it, but it feels like there was somebody else in my head."

Auch die Beziehung zwischen Peter und Olivia wird auf verschiedenen Ebenen weitergesponnen – oder etwa nur auf einer Ebene, die wir als mehrere Ebenen interpretieren?

Anfangs bekamen wir mal wieder eine Traumsequenz geliefert, die Olivia und Peter als glückliches Liebespaar zeigte und wir bereits so ähnlich aus #4.06 And Those We've Left Behind und #4.08 Back To Where You've Never Been kannten. Nur Hoppla: Diesmal war es nicht Peter, der den Traum hatte, sondern Olivia. Zu Beginn schenkte man dieser Tatsache irgendwie gar nicht so viel Beachtung und auch, als Olivia plötzlich den Fall aus #2.12 ansprach, dem sie laut Walter niemals angesetzt waren, stempelte man das zwar als durchaus merkwürdig ab, dachte aber, das Verhalten habe irgendetwas mit den Geschehnissen in Westfield zu tun. Hier hatten die Autoren den Zuschauer wohl absichtlich in die Irre leiten wollen, denn letztendlich stellt sich heraus, dass die Schizophrenie der Westfielder und Olivias Verhalten so gar nichts gemeinsam hatten.

Schade, dass man während der Schlussszene nicht den eigenen Gesichtsausdruck festhalten konnte, denn ich wette, dass mehr als drei Viertel der Zuschauer nach Olivias Kuss den selben Ausdruck auf Lager hatten, wie Peter. Mit diesem eigentlich recht unspektakulären Cliffhanger eröffnete man dem Storyarc um Peter einen völlig neuen Lösungsweg: Was ist, wenn Peter niemals in einer anderen Zeitebene festgesessen war, sondern sich die ganze Zeit in seiner Realität befindet?

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, diesen überaus gelungenen Cliffhanger zu interpretieren: Entweder, die Zeitlinie aus Staffel 4 beginnt mit der Zeitlinie der ersten drei Staffeln zu verschmelzen oder es gab niemals nebeneinanderher existierende Zeitlinien, sondern immer nur eine, die durch das Tun der Beobachter überschrieben wurde und nun, langsam aber sicher, wieder Teile der alten Version durchzudringen scheint. Momentan ist nicht wirklich zu sagen, welche dieser Interpretationsmöglichkeiten die Naheliegendste ist, zumal man sich bei beiden die Frage nach dem "wieso" stellen muss. Bei Möglichkeit A: Wieso sollten die beiden Zeitlinien miteinander verschmelzen? Bei Möglichkeit B: Wieso sollte die alte Version der Zeitlinie wieder zum Vorschein kommen? Für mich besteht eigentlich kein Zweifel, dass insbesonders Septembers Entscheidung aus #4.01 Neither Here Nor There, nämlich Peter nicht aus der Zeitlinie zu entfernen, dabei eine große Rolle spielt. Was, wenn er dabei nicht nur nicht Peter entfernt hat, sondern auch nicht die restlichen Überbleibsel der alten Zeitlinie? Aber wieso zeigen sich nur bei Olivia Eigenarten ihres "alten/anderen" Ichs? Und ist es ein Zufall, dass die alte Zeitlinie erst jetzt durchzusickern scheint, nachdem December am Ende von #4.11 Making Angels erfahren hat, dass Peter noch existiert?

Ich merke schon, und ihr sicher auch, dass das Ganze an dieser Stelle deutlich zu wirr wird. Es ist jedoch toll, dass "Fringe" nach dieser Episode dem Storyarc um Peter einen völlig neuen Impuls gegeben hat und nun endlich wieder zu den verschiedensten Spekulationen und Interpretationen einlädt. Das tut die gesamte Handlung zwar schon seit Beginn der vierten Staffel, doch nun, wo die Macher offenbar planen, so langsam tatsächlich Licht ins Dunkle zu bringen, macht das Ganze auch wieder viel mehr Spaß.

Fazit

Atmosphärisch ganz große Klasse, inhaltlich absolut überzeugend und voller interessanter und oftmals überraschender Entwicklungen und Momente sowie einem Ende, das nicht nur neue Fragen aufwirft, sondern auch den Wunsch, die nächste Episode am liebsten gleich danach anschauen zu können: #4.12 Welcome to Westfield war ein Paradebeispiel dafür, wie eine rundum gelungene Episode von "Fringe" auszusehen hat und die bisher beste Folge der vierten Staffel, die seit ihrer Rückkehr aus der Winterpause langsam aber sicher immer besser wird.

Manuel H. - myFanbase

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