Bewertung

Review: #4.20 Getrennte Welten

Foto: John Noble, Fringe - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
John Noble, Fringe
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Noch bevor #4.20 Worlds Apart überhaupt ausgestrahlt wurde, kamen wir Zuschauer in einen ganz besonderen Genuss: der Gewissheit, dass der US-Sender Fox "Fringe" tatsächlich noch eine fünfte und letzte Staffel spendiert hat. Und #4.20 profitiert davon genauso wie schon #3.18 Blutlinie, als wenige Tage vor der Ausstrahlung von die Verlängerung für Staffel 4 publik wurde. Denn dadurch, dass die Zukunft der Serie nun klar ist, macht es gleich wieder viel mehr Spaß, "Fringe" zu schauen, da das Bangen nun endgültig ein Ende hat und einen auch die Einschaltquoten der Serie gelinde gesagt sonst wo vorbeigehen können. Und ganz egal, was nun die ausschlaggebende Gründe waren, ein Quotendesaster wie "Fringe" zu verlängern: Wir Fans sollten den Verantwortlichen einfach nur dankbar sein, dass die Macher die Chance erhalten, der Serie und somit auch uns einen ordentlichen Abschluss zu liefern – etwas, das wirklich ein besonderes Privileg für uns Fringies ist.

Lange Rede, kurzer Sinn: Kommen wir nun zu #4.20 Worlds Apart, der letzten Folge vor dem zweiteiligen Staffelfinale, in der die Geschehnisse aus #4.19 Letters Of Transit erst einmal auf Eis gelegt und wohl erst wieder in der fünften Staffel aufgegriffen werden. Stattdessen befinden wir uns wieder im Jahr 2012, schließen mit der Handlung direkt an #4.18 The Consultant an und stellen die Beobachter mal zur Seite, da Olivia, Peter und Walter erst einmal die Welt vor David Robert Jones retten müssen, bevor die Beobachter die Menschheit versklaven.

"It's weird to think of never seeing them again. Knowing that they're right there, so close. It's not the kind of thing you forget."

Wer sich während des Schauens von #4.19 die Frage gestellt hat, weshalb im Jahre 2036 eigentlich weder Lincoln auftauchen noch das andere Universum überhaupt erwähnt wird, dürfte in #4.20 auf Gewissheit gestoßen sein. Kurz vorm Finale wartet die Serie nämlich mit einer, was die Mythologie betrifft, sehr prägenden Episode auf, denn die Brücke zur anderen Seite wurde geschlossen und so wie es den Anschein hatte, was dies tatsächlich das letzte Mal, dass wir das andere Universum zu Gesicht bekommen haben. In Anbetracht dessen, dass die fünfte Staffel sich um die Beobachter-Invasion drehen soll, ist es auch durchaus nachvollziehbar, das Paralleluniversum auszublenden. Aber wenn man bedenkt, dass das andere Universum vier Staffeln lang eine riesige Rolle in der Gesamtmythologie der Serie spielte, dann wirkte der Abschied in dieser Folge viel zu abrupt, gezwungen und überstürzt. Ich gehe davon aus, dass das Ganze der Ungewissheit der Autoren hinsichtlich der Zukunft der Serie zu verdanken ist und man dem anderen Universum im Falle eines Endes nach Staffel 4 einen einigermaßen in Ordnung gehenden Abschluss liefern wollte. Da die fünfte Staffel nun beschlossene Sache ist, hoffe ich also, dass das Paralleluniversum auch in der finalen Staffel noch einmal zu sehen sein wird. Wenn nicht, so wäre ich wirklich sehr unzufrieden mit der Handhabung.

Einen sehr bitteren Beigeschmack bekommt das Ganze vor allem dadurch, dass in dieser Episode so viel ungenutztes Potential aufblitzte, insbesondere was die Charaktere betraf. Überhaupt fällt der Abschied von besonders Bolivia und Walternate schwer, aber nachdem es in dieser Folge das erste Mal seit #4.02 One Night in October zu einer richtigen und dazu auch noch tollen Konversation zwischen Olivia und Bolivia und zur ersten (!) Unterhaltung zwischen Walter und Walternate überhaupt (!!!) kam, wird einem umso deutlicher, was die Autoren uns die ganze Zeit vorenthalten haben und was wir wohl nie wieder so zu Gesicht bekommen werden. Vor allem was Walter und Walternate betrifft, so war man doch schon immer auf eine gemeinsame Szene gespannt – dass es in vier Staffeln jedoch nur zu einem einzigen Moment zwischen beiden kommt (den kurzen Wortwechsel in #3.22 Der Tag, an dem wir starben mal abgesehen), ist wirklich enttäuschend. Nicht viel anders sieht das bei Olivia und Bolivia aus, deren Beziehung zueinander wirklich immer interessant war und man auf eine große Aussprache wartete, uns jedoch auch das verwehrt blieb. Ihre kurze Unterhaltung und vor allem Olivias Ermutigungsversuche am Ende waren wirklich toll anzusehen, aber die Enttäuschung darüber, dass man solche Szenen innerhalb dieser Staffel so viel öfter hätte zeigen können, überwiegt ganz einfach. Das Ganze lässt sich wohl wieder in die Kategorie "Ungenutztes Potential der vierten Staffel" einordnen und hat hier eventuell gar den Höhepunkt erreicht. Selbst wenn die andere Seite in Staffel 5 noch einmal auftauchen sollte, glaube ich nicht, dass sich das Ganze wettmachen lässt.

Dann gab es da noch Lincoln, von dem wir uns ebenfalls verabschieden mussten. Weshalb die Autoren Lincoln rausgeschrieben haben, wird manchen ein Rätsel sein, schließlich ist dieser Charakter bei den meisten Fans sehr gut angekommen. Aber vielleicht haben die Autoren selbst gemerkt, dass Lincoln auf "unserer" Seite einfach keine Daseinsberechtigung innerhalb der Serie mehr hat. Schade ist das vor allem wegen Seth Gabel, der wirklich eine Bereicherung für die Serie war, wenn auch meiner Meinung nach mehr als Darsteller von Alt-Lincoln. Lincolns Beweggründe, seinem Universum den Rücken zu kehren, waren dann natürlich extrem kitschig und irgendwo auch überhaupt nicht nachvollziehbar. Will man uns wirklich weismachen, dass Lincoln in seinem Universum keinerlei Freunde, Bekannte oder Verwandte hat? Oder weshalb sonst sollte er wegen einer einzigen Frau weggehen? Es ist ja schließlich nicht so, dass Lincoln mal eben die Stadt wechselt. Diesen Teil der Folge würde ich also einfach mal als absolut hanebüchen bezeichnen, auch wenn immerhin das Gespräch zwischen ihm und Peter sowie deren Abschied voneinander schön anzusehen war.

Ansonsten lässt sich der Abschied des Paralleluniversums mit Walters abschließenden Worten am besten beschreiben, denn auch wir Zuschauer werden die andere Seite wohl schrecklich vermissen. Die Tatsache, dass man besonders in #4.17 und #4.18 noch einmal sehr viel Zeit dort verbrachte, macht den Abschied alles andere als einfacher. Emotional waren die letzten Minuten der Folge, trotz des oben beschriebenen Unmutes, wirklich sehr mitreißend. Besonders die kleinen Gesten, wie Alt-Astrids zurückhaltendes Winken Richtung Astrid, Walters und Walternates gegenseitig zugeworfener Blick oder Olivias kleines Lächeln an Lincoln, haben einen doch sehr mitgenommen und gerade diese subtile Inszenierung hat einiges an emotionaler Intensität gutmachen können.

"One more thing: Have you tried LSD?"

Dass es überhaupt erst zur Schließung der Brücke kam, war David Robert Jones zu verdanken, der also wirklich beide Universen kollabieren lassen will, um dadurch ein neues Universum zu erschaffen, das er mit seinen bizarren Wesen besiedeln kann. Diesbezüglich gab es in dieser Folge ein Wiedersehen mit einigen der Cortexiphan-Versuchspersonen und somit erneut ein Wiederaufgreifen dieses wichtigen Elements der Serienmythologie. Mittlerweile ist es ja nicht ganz untypisch, dass die merkwürdigsten Ereignisse letztlich zu den Cortexiphan-Personen führen (hatten wir schließlich schon unter anderem in #1.17 Albträume, #1.19 Der andere Weg, #2.17 Die Bürde und #4.04 Subject 9), aber mir persönlich gefällt es, dass Walters und Bells Experimente in Jacksonville immer wieder eine Rolle spielen. Besonders gefreut hatte ich mich über das Wiedersehen mit Nick Lane und während seines Gesprächs mit Olivia wurde deutlich, wie schade es eigentlich ist, dass man die Beziehung zwischen den einzelnen Cortexiphan-Versuchspersonen untereinander nur so rudimentär behandelt.

Absolut unklar bleibt zu diesem Zeitpunkt, weshalb Jones Olivia heimlich Cortexiphan verabreichen ließ und sie in #4.14 The End of all Things dazu zwang, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Als klar wurde, dass sich diese Folge mit um die Cortexiphan-Versuchspersonen dreht, hatte ich schon die leise Hoffnung, dass wir diesbezüglich eine Erklärung erhalten. Umso enttäuschender war es dann für mich, dass auf diesen Handlungsstrang gar nicht wirklich eingegangen wurde. Hoffentlich gedenken die Autoren noch, das Ganze im Staffelfinale aufzuklären, da es #4.14 im Nachhinein gewaltig herabwerten würde. Dass die Macher und Autoren aber einen recht guten Überblick über die Mythologie ihrer Serie haben, wurde während Nick Lanes Verhör durch Olivia klar, denn dort wurden schließlich auf Geschehnisse und Elemente der ersten Staffel zurückgegriffen, etwa auf den Inhalt des Manifests, das vor einem kommenden Krieg zwischen den beiden Universen gewarnt hat. Dass man dieses für die ersten Staffeln so relevante Detail noch einmal erwähnte, gefiel mir wirklich gut.

Das größte Problem, dass #4.20 mir im Nachhinein bereitet, ist die Tatsache, dass mir letztlich alle Entwicklungen in dieser Folge umsonst vorkommen. Durch das Schließen der Brücke möchte man uns schließlich weismachen, dass man Jones gestoppt hat, was nicht gerade die beste Ausgangssituation für ein vermeintlich spektakuläres Finale wäre. Daher wird Jones wohl noch ein Ass im Ärmel haben und in den kommenden zwei Episoden noch einmal für mächtigen Ärger sorgen. Da man durch das Dichtmachen der Brücke Jones also keinesfalls gestoppt hat, wird umso deutlicher, dass dieser Schritt nur eine Zwangslösung war, falls die Serie nach dieser Staffel hätte enden sollen. An dieser Stelle frage ich mich dann aber, weshalb man diesen für die Serienmythologie so einschneidenden Schritt sich nicht fürs Finale aufgehoben hat. Diese Frage macht mich gleichzeitig sehr gespannt auf den Staffelabschluss, denn es muss einen guten Grund für die Entscheidung der Autoren gegeben haben, die Brücke jetzt schon zu schließen. Das Finale soll also offenbar den Fokus auf etwas Anderes legen und ich bin gespannt, was das sein wird.

Fazit

Dafür, dass #4.20 Worlds Apart im Falle einer Einstellung der Serie nach dieser Staffel eigentlich in die Geschichte als die Folge eingegangen wäre, in der wir Zuschauer uns vom anderen Universum endgültig hätten verabschieden müssen, fällt diese Folge leider weniger gelungen aus, als sie es hätte werden müssen. Die erste halbe Stunde der Episode war wirklich spannend, alles danach wirkte aber viel zu gedrängt und stellenweise unglaubwürdig. Da konnten auch die wirklich gelungenen Abschiedsszenen nichts mehr groß herausreißen. Viel eher sorgten sie stellenweise für Wehmut und das erneute Gefühl, dass man die beiden Universen die ganze Zeit über viel besser und intensiver hätte interagieren lassen sollen.

Hoffen wir einfach mal, dass das Ganze kein endgültiger Abschied von der anderen Seite war, dass wir noch ein paar Szenen zwischen Olivia und Bolivia sowie Walter und Walternate genießen dürfen und dass das kommende Finale als Grund genannt werden darf, weshalb "Fringe" die Abschlussstaffel wirklich verdient. Auf jenes Finale hätte ich mich zwar gern ein wenig mehr vorbereitet gefühlt, denn nach #4.20 kann man eigentlich nur spekulieren, was einen erwarten wird, aber ich bin wirklich sehr zuversichtlich, dass #4.21 Brave New World: Part 1 und #4.22 Brave New World: Part 2 diese zu Beginn etwas schleppende aber immer besser gewordene Staffel zufriedenstellend abschließen wird.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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