Review: #4.21 Schöne neue Welt (1)
Wie immer ist es doch verrückt, wie schnell die Zeit vergeht. Oder besser gesagt: wie schnell eine TV-Season vergeht. Denn schon wieder neigt sich eine US-Fernsehseason dem Ende entgegen und zahlreiche Staffelfinals stehen an, so nun auch bei "Fringe", wobei ich immer noch nicht das Grinsen aus meinem Gesicht losbekomme, im Falle dieser Serie weiterhin da Wort "Staffelfinale" in den Reviews benutzen zu dürfen, statt das böse Wort "Serienfinale".
So neigt sich also die vorletzte Staffel der Serie dem Ende zu und das Staffelfinale umfasst, wie bereits in der zweiten Staffel, gleich zwei Episoden. Die Macher kündigten natürlich wieder einmal an, dass diese beiden Finalepisoden, ich zitiere, "mind-blowing" werden würde. Ich jedoch revidiere: Der erste Teil des Staffelfinals war nicht "mind-blowing", sondern "brain-blowing", denn wir Zuschauer wurden praktisch mit den diversesten Storyfetzen und Entwicklungen bombardiert, so dass das Gehirn der Zuschauer fast schon, ähnlich wie die Nanoroboter in dieser Episode, kurz vor der Überladung stand: Hier brennende Menschen, dort ein riesiger Lichtstrahl, der ganz Boston zu zerstören droht, dann eine schwangere Olivia, die plötzlich ihre Fähigkeiten einzusetzen weiß, ein Walter, der mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird und letztlich, wie aus dem Nichts, auch noch eine überraschende Wende an der Gegnerfront. Es fühlte sich an, als wollten die Autoren noch einmal alle Ideen, die ihnen spontan einfielen, in diese Episode packen, falls es eine fünfte Staffel nicht mehr geben sollte. Am Ende war man nur froh, dass einem nicht selbst Rauch aus dem Mund empor stieg.
"I'm human, what are you? Is this some sort of alien invasion? Are you part of a strike?!"
Dabei war der Beginn der Folge wirklich noch sehr vielversprechend, da es eine ungeheuer einprägende Szene war, wie gegen Ende der Eröffnungsszene Personen am Bahnhof vor Angst, bald zu sterben, wie angewurzelt stehen bleiben, während um sie herum die verschiedensten Menschen am Boden liegen und von Innen heraus zu verbrennen scheinen. Meiner Meinung nach war das eine der stärksten Einstiegsszenen der Serie und auch die weiteren Ermittlungen waren sehr interessant, zumal das Thema Nanotechnologie in der Serie bisher noch nie eine Rolle spielte und ich nur zu gerne mehr darüber erfahren hätte. Daher wohl auch meine riesige Enttäuschung darüber, dass, nachdem man die ehemalige "Lost"-Darstellerin Rebecca Mader in Walters Labor erstaunliche Geräusche von sich geben ließ und sie nun mit zahlreichen Rollenangeboten aus dem Erotikgenre rechnen darf, die ganze Sache mit den Nanites wirklich überhaupt keine Rolle mehr spielte, was absolut unverständlich und ärgerlich ist. Denn auch, wenn sich anschließend herausstellte, dass David Robert Jones dafür verantwortlich war, wurde nie aufgeklärt, welchen Sinn das Ganze eigentlich hatte, Menschen mit winzigen Robotern zu infizieren.
Sinnlos und deplaziert wirkte dann der gewaltige Lichtstrahl, der sich später als gebündeltes Sonnenlicht herausstellte und kurz davor war, ganz Boston in die Luft zu jagen – da hatten sich die Autoren einige Tage zuvor wohl den James-Bond-Film "Stirb an einem anderen Tag" zu Gemüte geführt. Auch hier möchte einem nicht ganz einleuchten, inwieweit dies Jones in seinem Bestreben, ein neues Universum zu erschaffen, weitergeholfen hätte, würde er eine riesige Stadt in Schutt und Asche legen. Oder sollte das nur eine Lockmethode sein, um so Peter in eine Falle zu locken, damit Jones den "Bischof" opfert, so wie Bell es ihm anhand seines Schachspiels vermeintlich klarmachen wollte? Wie dem auch sei: Die ganze Handlung um das gebündelte Sonnenlicht wirkte einfach irgendwo lächerlich und wäre nur zu unterbieten gewesen, hätte man als Schutz davor plötzlich angefangen, Sonnencreme auf die Straßen Bostons zu schmieren.
"Belly, you brilliant bastard!"
Unterdessen beinhaltete diese Episode den für mich mit überraschendsten Moment der aktuellen Season, nämlich die Tatsache, dass nicht David Robert Jones der große Kopf hinter der mysteriösen Sekte ist, die ein neues Universum erschaffen möchte, sondern William Bell. Am meisten überraschte dabei jedoch, dass William Bell auch höchstpersönlich zu sehen war und an dieser Stelle muss man wirklich ein Lob aussprechen, dass es die Macher geschafft haben, die Rückkehr Leonard Nimoys so geheim zu halten. Es gibt natürlich hier und da wieder böse Zungen, die sich einerseits darüber lächerlich machen, dass Nimoy trotz seiner ständigen Beteuerungen, nicht mehr ins Fernsehen zurückzukehren, nun doch wieder vor die Kamera ist und andererseits das immergleiche Schema der vierten Staffel kritisieren und es langsam nervig finden, dass ständig todgeglaubte Charaktere in der neuen Realität auftauchen und für Ärger sorgen. Meine persönliche Stellungnahme: Wenn man eine TV-Legende wie Leonard Nimoy in einer weiteren Episode von "Fringe" als William Bell sehen und damit auch hoffen darf, dass solch tolle "Männer der Wissenschaft"-Szenen zwischen ihm und Walter, wie sie es in #2.23 Die andere Seite (2) gab, zustande kommen, dann ist es mir v o l l k o m m e n schnuppe. Daher freue ich mich schon extrem auf die gemeinsamen Szenen zwischen Walter und William in der nächsten Folge, die es, wie es das Ende praktisch klar macht, zu Genüge geben wird. Gespannt bleibt auch die Frage, ob William einfach nur machtgierig ist und ein neues Universum nur deshalb erschaffen möchte, um dort dann Gott zu spielen, oder ob das Ganze vielleicht komplett andere Gründe hat. Denn irgendwie mag ich es nicht so recht glauben, dass William nun wirklich als verrücktes, machtsüchtiges Genie dargestellt wird. Stutzig macht mich Bells neue Rolle als vermeintlichen Antagonist auch deshalb, weil wir ihn in #4.19 Letters of Transit mit in dem Bernstein sahen, in dem sich auch Walter, Peter und Astrid befanden. Das bedeutet, William muss in der Zukunft mit dem Fringe-Team zusammengearbeitet haben. Andererseits ließ Walter William in dem Bernstein zurück, da er ihm nicht verzeihen konnte, was er Olivia antat. Meinte er damit etwa gar nicht die Experimente in Jacksonville, sondern etwas, das erst noch auf uns zukommt? Hoffentlich bringt Teil 2 des Finales einiges an Gewissheit mit sich.
Einen sehr negativen Beigeschmack hatte Bells Rückkehr und seine Position als neuer Gegenspieler jedoch: David Robert Jones, der in dieser Staffel in zahlreichen Episoden erneut als grausamer, genialer und charismatischer Antagonist dargestellt wurde, wurde innerhalb einer Episode zu einem nichtssagenden Lakaien Bells degradiert. Es ist ein Jammer, denn nachdem man den Charakter bereits am Ende von Staffel Eins einen enttäuschenden Abschied bereitete, hätte man Jones in Staffel Vier wirklich würdevoller herausschreiben können. Doch auch dieses Mal will der Abgang dieser Figur so gar nicht zu dem passen, was uns bisher gezeigt wurde. Stattdessen lieferte er sich einen lächerlichen Zweikampf mit Peter, bei dem er zu spät einsah, dass er eigentlich derjenige ist, den Bell geopfert sehen möchte und schließlich in bestem Voldemort-Stil zu Asche verfiel. Schade, schade, schade.
"Get a knife, my lemon cake is ready!"
"Walter, if you were hungry I could have gotten you something."
"This is not about food, Alex. This is about Belly!"
Ziemlich überzeugend hingegen verlief Walters verzweifelter Versuch, zu beweisen, dass Bell noch am Leben ist, da er schließlich das Handwerk seines ehemaligen Laborpartners in den Nanorobotern wiedererkannte. Sein kurzer Ausflug in die St. Claire's Nervenheilanstand und auch der kleine Gastauftritt von John Nobles Tochter Samantha Noble (sie spielte die Direktorin der Anstalt), waren nette Szenen und besonders gefiel mir die Aufnahme von Walter, wie er in seiner ehemaligen Zelle sitzt, da man exakt die gleiche Kameraeinstellung verwendet hatte, wie in #1.01 Flug 627, als man Walter das ersten Mal sah.
Eine richtige Genugtuung waren daraufhin die gemeinsamen Szenen zwischen Alex (jemand müsste mal wirklich langsam anfangen, Walters zahlreiche Namen für Astrid aufzulisten) und Walter, die es in der zweiten Hälfte der Folge zu Genüge gab. Außerdem kamen wir Fans einmal in den Genuss, Astrid wirklich in Action zu sehen und dafür, dass man sie in vier Staffel fast gar nicht mit einer Handfeuerwaffe hantieren sah, machte sie in der Hafenhalle eine überraschend gute Figur. Dann sollte es natürlich ein wahrer Schocker sein, dass "jedermanns Liebling"-Astrid von einer Kugel getroffen wurde und bewusstlos in Walters Armen zusammensackte. Allerdings darf das nur als Kniff angesehen werden, um unnötiges Drama vorzubereiten, denn Astrids Tod ist unwahrscheinlicher als eine sechste Staffel von "Fringe". Schließlich war sie im Jahre 2036 mit in dem Bernstein eingefroren, sodass es keine Zweifel gibt, dass sie nicht sterben wird. Und da man einige Szenen zuvor noch so nebenbei zeigte, dass Cortexiphan offenbar auch die Möglichkeit besitzt, einen halbierten Kuchen wieder zusammenwachsen zu lassen, dürfte es auch nicht allzu schwer sein, zu erraten, wie man Astrids Leben retten wird.
"Nursery?"
Hier und da gab es dann noch einige Szenen zwischen Olivia und Peter, die einem das ungute Gefühl geben, dass es im zweiten Teil des Finals ein schwarzes Kapitel in ihrer Beziehung geben wird. Das zumindest suggerierte das Gespräch zwischen den Beiden, in dem Olivia ihre Zweifel äußerte, jemals eine richtige Familie gründen zu können, da die Beiden durch ihre Arbeit praktisch permanent in Lebensgefahr schweben. Das war die Art von Gespräch, die zwei Seriencharaktere immer führen, bevor eine der Beiden ins Gras beißt. Und da Olivia bereits zahlreiche Todeswarnungen erhielt, in einer möglichen Zukunft mit einem Loch im Kopf endete und auch im Jahre 2036 nichts von ihr zu sehen war, könnte man beinahe das Schlimmste befürchten. Selbstverständlich mag das zu diesem Zeitpunkt unlogisch klingen, schließlich wird man die fünfte Staffel nicht komplett ohne Olivia auskommen lassen und Tochter Henrietta muss auch noch geboren werden - an dieser Stelle sei erwähnt, dass es wirklich ein zuckersüßer Moment war, wie Olivia Peter subtil von ihrer Schwangerschaft erzählte – aber trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass es in der kommenden Folge bezüglich Olivias einen echten Schocker geben wird.
Oder wird sich Olivia gar selbst mit ihren neuen Superkräften retten, mit denen sie problemlos in "The Avengers" mitwirken könnte? Olivias plötzliche Kontrolle über ihre Fähigkeiten, die sie durch das Cortexiphan erlangt hat, wurde viel zu abrupt herbeigeführt. Dass sie mal eben die Körpertemperatur einer Frau regulieren konnte, mag noch mehr oder weniger im Rahmen gewesen sein. Wir wissen schließlich, dass Olivia von allen Jacksonville-Kindern das Emotionalste war und daher hätte man Jessicas plötzliche Genesung mit Olivias beruhigender Wirkung erklären können. Aber dass Olivia dann urplötzlich auch in der Lage ist, die Kontrolle über Millionen von Muskelzellen eines anderen Menschen zu gewinnen und dessen Körper wie eine Marionette steuern zu können, kam einfach viel zu unvorbereitet und daher auch unfassbar unglaubwürdig. Dazu kam dann eben auch noch jener Moment, in dem sie Peters Körper steuerte, welcher dadurch nicht nur sehr übertrieben wirkte, sondern gleichzeitig enorm lächerlich. Es stellt sich eigentlich nur die Frage, weshalb die Autoren jetzt plötzlich mit dieser Entwicklung kommen. Olivias Fähigkeiten müssen also in der nächsten Folge eine sehr wichtige Rolle spielen, doch auf solch Fremdschäm-Momente wie in dieser Episode sollte man dann doch bitte verzichten.
Fazit
Fassen wir also mal zusammen und fangen mit dem Positiven an: #4.21 Brave New World: Part 1 war zweifelsfrei ein verdammt unterhaltsamer Staffelauftakt, der einiges an inhaltlicher Fülle bot und wirklich durchgehend spannend zu verfolgen war. Die inhaltliche Fülle ist aber gleichzeitig auch der Schwachpunkt dieser Episode, denn es passierte einfach viel zu viel, wodurch diese 42 Minuten hoffnungslos überladen und auch extrem zusammenhangslos wirkten. Zudem wurde das, was passierte, nur viel zu oberflächlich gehandhabt und fast nirgends ist man wirklich in die Tiefe gegangen. Daher bleibt zu hoffen übrig, dass sich #4.22 Brave New World: Part 2 nur auf einen deutlichen Faden mit weniger effekthascherischem Drumherum und mehr Tiefe konzentriert, sodass das Finale der vierten Staffel wirklich nur "mind-blowing" wird.
Manuel H. - myFanbase
Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Brave New World (1)Erstausstrahlung (US): 04.05.2012
Erstausstrahlung (DE): 20.08.2012
Regie: Joe Chappelle
Drehbuch: Akiva Goldsman & J. H. Wyman & Jeff Pinkner
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