Bewertung

Review: #5.01 Assoziativer Gedankenintegrator, Modell-11

Foto: Georgina Haig & John Noble, Fringe - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX
Georgina Haig & John Noble, Fringe
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX

In der fünften Staffel wird es ein Kampf ums Überleben, für "Fringe" als Serie selbst war es bereits seit ungefähr zwei bis drei Jahren ein solcher Kampf. Denn wie oft stand "Fringe" schon kurz davor, frühzeitig abgesetzt zu werden und wie oft schaute man doch besorgt auf die Quoten dieser immer fesselnder gewordenen Science-Fiction-Serie? Als "Fringe"-Fan hatte man nicht selten die Hoffnung aufgegeben und zu glauben aufgehört, dass diese Serie das Privileg erhält, einen runden Abschluss zu bekommen. Doch letztendlich bekamen wir im April diesen Jahren ein zartes Löwenzahnpflänzchen in Form der offiziellen Verkündigung einer finalen Staffel vorgesetzt, die der Serie nicht nur zu einem runden Abschluss verhelfen, sondern auch mit einer spektakulären Rahmenhandlung aufwarten soll.

Und somit ein allerletztes herzliches Willkommen zu der finalen Staffel von "Fringe". Zwar wird diese nur dreizehn Folgen umfassen, doch dafür kann man jeder Folge mit einer wunderbaren Entspanntheit entgegenblicken, da die Zukunft der Serie gewiss ist und man sich das Bangen um eine weitere Staffel ersparen kann. Deshalb sollten wir mit allen Zügen die letzten Folgen der Serie genießen und sollten diese im Schnitt alle die Qualität des Staffelauftaktes #5.01 Transilience Thought Unifier Model-11 aufweisen, dann steht uns die wohl fringetastischste Staffel bevor, die die Serie zu bieten hatte.

Erneut: 2036

Starten wir zu Beginn dieser Review doch gleich mit dem einzig negativen Aspekt der Folge, damit wir das schon mal hinter uns haben. Und dieser ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass es tatsächlich keinerlei Verbindung zu dieser Staffel und den Geschehnissen der vierten Staffel zu geben scheint, wenn man #4.19 2036 mal ausblendet. Das hinterlässt nach wie vor den Eindruck, dass Staffel 4 ziemlich für sich alleine steht, was sehr bedauerlich ist, da man sicherlich Bells Plan, ein neues Universum zu erschaffen, irgendwie mit der Handlung der gerade gestarteten Staffel hätte verknüpfen können.

Ansonsten profitiert dieser Staffelauftakt natürlich von der ungemein vielversprechenden Ausgangshandlung, die uns bereits in #4.19 präsentiert wurde. Die Idee einer von aus der Zukunft stammenden Menschen regierten Welt, die die Menschheit der Gegenwart auf brutalste Weise unterdrückt und die Welt totalitär regiert, ist und bleibt einfach eine extrem spannende Angelegenheit. Und es gefiel mir sehr, dass man direkt an die Geschehnisse aus #4.19 anknüpfte, da ja hier und da die Frage aufkam, ob man die fünfte Staffel von Beginn an im Jahre 2036 ansiedeln oder sie kurz nach Septembers Warnung am Ende von #4.22 Schöne neue Welt (2) starten würde. Die erstere und letztendlich die Variante, für die man sich entschied, sorgt natürlich gleichzeitig dafür, dass noch Unmengen an Fragen offen bleiben und man unbedingt erfahren möchte, was auf der Welt so vor sich ging, unmittelbar nachdem die Beobachter 2015 die Macht an sich rissen. Hier hoffe ich, dass uns noch zahlreiche Rückblenden bevorstehen. Auch eine ganze Episode, die im Jahr 2015 spielt und nicht nur die direkten Auswirkungen der Invasion zeigt, sondern auch, wie die Bishop-Familie getrennt wurde, was September und Walter für einen Plan entwickelten sowie was letztendlich aus September wurde, würde ich für eine ganz nette Idee halten. Aber lassen wir uns hier einfach überraschen, was die Autoren geplant haben, um diese auch nach dem Staffelauftakt noch offenen Fragen zu beantworten.

"That's my girl!"

Eine Frage wurde uns zumindest schon beantwortet, nämlich die Frage nach Olivias Verbleib. Nachdem man in #4.19 durch diversen Anspielungen noch befürchtete, Olivia könnte tot sein, wird man in dieser Episode eines besseren belehrt. Denn natürlich wird die Protagonistin der Serie auch in der finalen Runde noch dabei sein und letztendlich wird klar, dass auch sie sich in Bernstein eingefroren hat, allerdings an einem anderen Ort als Peter und die anderen. Darüber, dass Olivia ebenfalls in Bernstein eingefroren war und nicht 21 Jahre irgendwo versteckt darauf wartete, aufgefunden zu werden, kann man nur mehr als dankbar sein. Eine um mehr als 21 Jahre gealterte Olivia in den letzten dreizehn Folgen der Serie zu sehen, ist nämlich nicht unbedingt das, was ich mir erhofft hatte. Andererseits bekommt Anna Torv in dieser Staffel ja generell Konkurrenz durch ihre Serientochter Georgina Haig alias Henrietta "Etta" Bishop, die nicht nur schauspielerisch trotz ihrer wenigen Schauspielerfahrungen zu überzeugen weiß, sondern auch optisch so aussieht, als hätte man es mit einer jüngeren Anna Torv zu tun. Da hat die Castingabteilung der Serie wirklich mehr als gute Arbeit geleistet.

Was mir persönlich rein storytechnisch noch besser gefällt als die Idee einer von Beobachtern regierten Welt ist die Tatsache, das eine einzige Familie die größte Gefahr für die Beobachter darstellt. Zwar waren Olivia, Peter und Walter schon immer ein eingespieltes und tolles Team, doch durch die Tatsache, dass das Team formal nun aus einem Vater, einer Mutter, der gemeinsamen Tochter, dem Großvater und dem Babysitter des Großvaters besteht, die allesamt ein paar glatzköpfigen Männern den Kampf angesagt haben, bekommt das Ganze noch einmal einen völlig neuen Stellenwert. Sowieso scheint die Bishop-Dynamik in dieser Staffel noch einmal superb zu werden und so gab es bereits im Auftakt zahlreiche fantastische Szenen zwischen den Charakteren. Allen voran natürlich das wunderbar subtil dargestellte Aufeinandertreffen von Olivia und Etta, dicht gefolgt von der Szene zwischen Olivia und Peter in der Bronx, in der Joshua Jackson wirklich eine ganz tolle Leistung ablegte.

"You are fighting much more than I thought it is possible."

Derweil hat man es hervorragend geschafft, die Beobachter in dieser Folge mehr denn je als bedrohliche, brutal und kalt agierende Gegenspieler zu etablieren. In dieser Hinsicht war besonders die Folterszene zwischen Captain Windmark und Walter wichtig, um zu zeigen, dass mit den Beobachtern definitiv nicht gut Kirschen essen ist. Gleichzeitig war diese Szene wohl eine der härtesten Momente, die "Fringe" bisher zu bieten hatte, da es einfach fürchterlich war mit anzusehen, wie Walter zu leiden hatte. Davon abgesehen scheint das menschliche Leben keinen hohen Stellenwert bei den Beobachtern inne zu haben, was unter anderem auch die Veränderung der Zusammensetzung der Luft zugunsten der Beobachter zeigt, die gleichzeitig dazu führt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen bei 45 Jahren liegt.

Was mir momentan noch missfällt, ist die Darstellung der Loyalisten, da sie von ihrem Auftreten und ihrem Verhalten doch sehr an bestimmte Anhänger des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland erinnern. Natürlich scheint es auch hier, wie das kurze Gespräch zwischen Etta und einem Loyalisten zeigte, welche zu geben, die nicht hundertprozentig hinter den Beobachtern stehen. Aber insgesamt scheint die Menschheit nicht nur unter den Beobachtern zu leiden zu haben, sondern auch unter dem Verfall menschlicher Werte, hier veranschaulicht durch die sehr makabere Idee der Bernsteinzigeuner, die in Bernstein gefangene Menschen in Blöcken herausschneiden, diese dann auf dem Schwarzmarkt verkaufen und, wie bspw. von Markham, dann als Couchtisch benutzt werden. Grotesker, aber sehr effektiver Einfall der Autoren, um zu zeigen, wie die Menschheit im Jahre 2036 so drauf sein kann. Auch ein sehr netter Gimmick war das Wiederauftauchen des ehemaligen Buchhändlers Markham, dessen fanatische Liebe zu Olivia gut ins Bild passt, wenn man seine schamlosen Anmachversuche aus der Vergangenheit bedenkt.

Ansonsten hat dieser Staffelauftakt genau das geboten, was man von einer Science-Fiction-Serie erwartet. Es wird geschossen, es wird geflohen, es wird durch ein von Beobachtern grausam missgestaltetes zukünftiges New York gerannt, durch verwüstete sowie zerstörte Straßen gefahren und in den mittlerweile verwaldeten Bronx kurz nach Luft geschnappt. Dabei macht die Serie einen cineastisch hervorragenden Eindruck, die Kulissen sind wirklich gut gemacht und über die Spezialeffekte lässt sich auch nicht meckern. Von dem geringen Budget, das zur Verfügung steht, merkt man an dieser Stelle wirklich kaum was.

"I failed myself. I failed the world! What is wrong with me?"

Unbestreitbar ist, dass Walter in dieser Folge derjenige war, der am meisten zu leiden hatte. Einerseits wurde er von Captain Windmark übel zugerichtet, andererseits musste er sich am Ende der Episode der Tatsache stellen, dass er keine Ahnung hat, wie sie den Beobachtern das Handwerk legen könnten und somit jegliche Hoffnung aufgibt. Dabei glänzt John Noble natürlich wieder einmal durch seine Performance, egal ob als Walter, wie wir ihn kennen, oder als weniger liebenswerter Walternate-Verschnitt. Glücklicherweise machten die letzten Szenen der Folge den Eindruck, als dürften wir uns in Zukunft wieder mehr auf den infantilen Walter freuen. Indessen stand gleichzeitig die Frage im Raum: Hat Walter wirklich alle Hoffnung aufgegeben? Sieht er keinen Weg, die Beobachter zu besiegen?

Die simple Antwort lieferte uns die Schlussszene, die in meinen Augen einer der schönsten Momente ist, die uns "Fringe" in all den Jahren bisher geliefert hat: Walter läuft frustriert durch eine völlig verwüstete Straße, setzt sich in ein Auto, wirft eine CD ein und entdeckt plötzlich zwischem dem zerstörten Asphalt der Straße einen einzigen Löwenzahn. Wir erinnern uns zurück an die erste Szene dieses Auftaktes, einem Flashback bzw. ein Traum von Peter, der die Ankunft der Beobachter zeigt. Dabei sehen wir auch eine Pusteblume, die bei der Ankunft all ihre Samen verliert. 21 Jahre später entdeckt Walter nun zwischen all den zerstörten Autos und den aufgerissen Straßen einen Löwenzahn, der sich mutig seinen Weg an die Oberfläche gebahnt hat. Ein Zufall? Für uns Zuschauer und auch für Walter ist nach diesem Moment jedenfalls eines klar: es gibt Hoffnung. Einen schöneren Schluss hätte man für diese Folge nicht finden können.

Fazit

Ich mache es ausnahmsweise mal kurz und behaupte, dass der Auftakt der finalen Staffel von "Fringe" fast alle Erwartungen erfüllt und manche gar übertroffen hat. Sollte es so weiter gehen, stünde uns eine turbulente letzte Reise mit dem Fringe-Team bevor, die nicht nur für die etwas weniger gelungene vierte Staffel entschädigen würde, sondern wirklich die Chance mit sich brächte, "Fringe" endgültig in die Liga der besten Science-Fiction-Serien zu katapultieren. Freuen wir uns also auf die hoffentlich fulminanten kommenden zwölf Episoden und darauf zu sehen, wie die Bishops noch mehr Beobachtern kräftig in den Hintern treten.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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