Bewertung

Review: #5.10 Anomalie XB-6783746

Foto: Anna Torv & Blair Brown, Fringe - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX
Anna Torv & Blair Brown, Fringe
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX

Von einer finalen Staffel erwartet man natürlich so einiges, schließlich soll eine langjährige Serie würdevoll beendet werden, sodass nicht nur die Handlungen zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht werden müssen, sondern auch die Figuren auf einen Punkt hinentwickelt werden sollten, der ihrem bisherigen Werdegang gerecht erscheint. Natürlich erwartet man von einer finalen Staffel auch generell spektakuläre Handlungen und einen temporeichen Verlauf.

Wenn eine finale Staffel dann nur dreizehn Folgen umfasst, dann erwartet man aufgrund der Komprimierung der Handlung selbstverständlich eine sehr temporeiche Staffel. Natürlich muss es nicht sofort drunter und drüber gehen, was heißt, dass das erste Viertel problemlos einen ruhigeren Gang einlegen darf. Auch wenn nach der Hälfte der Staffel das Tempo eher noch etwas gemächlicher ist, ist das natürlich vollkommen okay. 75% der Staffel sind um und trotzdem geht es nicht richtig vorwärts? Kein Grund zur Sorge, selbstverständlich planen die Autoren dann ein spektakuläres letztes Viertel. Wenn man sich dann aber am Anfang des letzten Viertels befindet – und das tun wir im Falle von "Fringe" mit #5.10 Anomaly XB-6783, da die Episoden #5.12 Liberty und #5.13 An Enemy of Fate gemeinsam als Finale fungieren -, und das Tempo noch immer nicht anzuziehen scheint, dann darf der Zuschauer definitiv schon mal mit dem Gedanken spielen, den Verantwortlichen in den Hintern zu treten. Meine Wenigkeit steht jedenfalls kurz davor. Das, mal wieder, nur am Rande.

"Prep the subject." "His name is Michael."

In dieser Episode wurde nicht nur das große Geheimnis um die Identität des mysteriösen Donalds gelüftet, sondern es fand mit Nina Sharp auch ein Charakter der ersten Stunde sein Ende. An bedeutsamen Entwicklungen mangelte es der Folge also keineswegs und dennoch hatte ich nicht das Gefühl, in besonderem Maße unterhalten zu werden.

Zunächst einmal punktete die Folge jedoch dadurch, dass man sich mit dem Beobachterkind Michael befasst hat und somit direkt an die Ereignisse aus #5.09 Black Blotter anknüpfte. Ärgerlicherweise wurden dahingegen die Entwicklungen um Walter völlig unter den Tisch gekehrt. Natürlich kann man nicht erwarten, dass in jeder Folge der Fokus so sehr auf Walters Psyche liegt, wie in der vergangenen Episode. Aber dass man Walters inneres Leiden, seinen Hass auf seine ehemalige Persönlichkeit und die Angst, ebendiese wieder zu werden, mit keiner einzigen Szene irgendwie in dieser Episode untergebracht hat, ist ärgerlich gewesen. Da entschädigte auch der kurze Dialog zwischen Nina und Peter nicht, in dem Peter äußerte, dass er nicht unbedingt davon begeistert ist, dass Walter nach dem Sieg gegen die Beobachter Teile seines Gehirns entfernt haben möchte. Interessant war jedoch ein Satz von Nina: "Your father understands that anything worth fighting for comes with a cost." Für mich war diese Aussage erneut ein Zeichen dafür, dass Walter das Finale vielleicht nicht überleben könnte, nachdem bereits die letzte Folge in meinen Augen so einige Hinweise diesbezüglich bereithielt.

Kurz vor dem Finale versuchte man dann tatsächlich, die Rahmenhandlung dieser Staffel, also den Kampf gegen die Beobachter, ein wenig voranzutreiben. Es galt, die Frage zu beantworten, inwieweit und weshalb überhaupt Michael eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Beobachter spielt, weshalb das Team nach einem Weg suchte, um mit ihm zu kommunizieren. Das geschah wieder in bester Staffel 5-Manier: Natürlich klappte es nicht auf Anhieb, mit Michael in irgendeiner Weise zu kommunizieren. Natürlich musste erst mal wieder Nina Sharp konsultiert werden. Natürlich fehlte dann in Ninas Labor ein wichtiges Gerät, weshalb Olivia und Peter sich natürlich erst wieder auf eine gefährliche Mission begeben mussten. Letztendlich stellte sich natürlich heraus, dass dieses Gerät eigentlich gar nichts bringt, beziehungsweise gar nicht vonnöten ist, weil Michael mit einer simplen Berührung Walters graue Zellen wieder ankurbeln lassen kann, sodass dieser sich an sein Aufeinandertreffen mit Donald alias September erinnert. Doch natürlich kommt Michael erst am Ende auf diese Idee. Ihr seht, worauf ich hinausmöchte: Wieder einmal wurde diese Handlung unfassbar in die Länge gezogen und mit Elementen vollgestopft, die am Ende eigentlich vollkommen unnötig waren. Leider ist das in dieser Staffel Gang und Gäbe, wodurch man zu sehr den Eindruck vermittelt bekommt, dass die Autoren mit ihrer Aufgabe überfordert sind, eine 42-minütige Episode zu schreiben, ohne, dass ihnen die früher üblichen Fälle der Woche zur Verfügung stehen, mit denen man eine Episode ausstaffieren kann.

"For all your years of evolution you inadvertently redeveloped and honed primitive instincts that we moved beyond long ago. So in reality, you're the animal."

Jedoch kam während der Folge an einigen Stellen Spannung auf. So beispielsweise in den Momenten, in denen Captain Windmark sämtliche Mitarbeiter von Nina verhört, da diese Verhörszenen immer recht intensiv dargestellt werden und man mit den betroffenen Personen durchaus mitleidet. Die stärkste Szene der gesamten Folge war dann aber definitiv im Aufeinandertreffen von Windmark und Nina zu finden. Bereits Windmarks angewidertes Verhalten, als er erkennt, dass man mit manchen seiner Artgenossen offenbar experimentiert hat, gipfelte dann in einer herrlich ironischen Feststellung, als er ausgerechnet uns Menschen als Tiere bezeichnet. Doch die herausragendste Szene gehörte Nina, die mit ihrem kleinen Monolog wirklich brillierte und Windmark Paroli bieten konnte. Besonders ihre Ansicht, dass die angeblich so hochentwickelten und sehr viel fortschrittlicheren Beobachter evolutionär betrachtet im Vergleich zum "normalen" Menschen eigentlich einen Rückschritt darstellen, gefiel mir sehr gut und war ein wirklich interessanter Aspekt. An diesem Punkt war Ninas Schicksal irgendwie schon vorherzusehen, daher war ihr darauffolgender Selbstmord zwar keine allzu große Überraschung mehr, aber natürlich dennoch ein Augenblick, der im ersten Moment schockierte. Schließlich hatte sich gerade ein Charakter erschossen, der seit der ersten Staffel an eine Rolle spielte und daher fest zur Serie gehörte.

Und obwohl mit Nina ein Charakter der ersten Stunde starb, muss ich ganz ehrlich sagen, hat mich der Tod nicht wirklich mitgenommen. Das lag nicht an der Folge selbst, schließlich war es zweifelsohne ein sehr trauriger Moment, als Olivia, Peter und Walter vor Ninas Leiche stehen und Michael tatsächlich eine Träne über seine Wange läuft. Es lag viel eher an der recht dünnen Zeichnung der Figur, die mich nachträglich nicht wirklich traurig über Ninas Tod machen. Zwar versuchte man besonders in Staffel 4, Nina enger an die anderen Charaktere zu binden, aber hundertprozentig mochte das nicht gelingen. Außerdem bleibt immer wieder in Erinnerung, welch Potential Ninas Charakter gehabt hätte, welches aber nie ausgenutzt wurde. War Nina in der ersten Staffel noch die undurchsichtige Geschäftsführerin von Massive Dynamic, der das Fringe-Team nie trauen konnte und man nie wusste, ob sie es gar ist, die die Strippenzieherin hinter ZFT und dem sogenannten "Schema" ist, wurde sie ab Staffel 2 praktisch nur noch zum Helferlein des Teams degradiert, das immer dann kontaktiert wurde, wenn Olivia und Co. eine Maschine benötigten oder wissenschaftliche Fragen hatten. Daher fehlte mir eigentlich all die Jahre eine wirkliche Daseinsberechtigung für diesen Charakter und letztlich ist Ninas Tod dadurch nicht der Schocker geworden, für den ihn die Autoren gehalten haben, auch wenn er selbstverständlich nachhallt und ein bedeutsames Ereignis innerhalb des Fringe-Universums darstellt.

"I know who Donald is. Donald is September."

Leider ging man mit dem Geben von Antworten und interessanten Informationen innerhalb der Folge wieder recht sparsam um, wenn man mal vom Ende absieht. Besonders was Michael betrifft, hätte man mit ein paar mehr interessanten Details rechnen können, aber letztlich wissen wir nach dieser Folge nur, dass Michael in der Zukunft der Beobachter eine genetische Anomalie war und eigentlich zerstört hätte werden sollen, weshalb man davon ausgehen kann, dass die Menschheit/die Beobachter in der Zukunft, ähnlich wie bspw. in Aldous Huxleys Dystopie "Schöne neue Welt", in Laboren erschaffen werden und nicht mehr auf natürlichem Wege. Die Geschichte um Michael bleibt jedenfalls weiterhin sehr interessant, weil nach wie vor die Frage offen steht, weshalb Michael solch eine Bedrohung für die Beobachter darstellt. Captain Windmark war schließlich sichtlich geschockt, als er hörte, dass das Team im Besitz eines Beobachterkindes ist.

Am Ende dieser Episode wird schließlich offenbart, dass es sich bei dem ominösen Donald, dessen Namen immer wieder in dieser Staffel fiel und der mit Walter an dem Plan arbeitete, um unseren Lieblingsbeobachter September handelt. Mit dieser Enthüllung überraschte man uns Zuschauer durchaus, denn ich hatte die Theorie, dass es sich bei Donald um September handelt, relativ schnell verworfen. Schließlich wurde uns des Öfteren eine Beschreibung von Donald gegeben, die aber niemals andeutete, dass es sich dabei um einen Beobachter gehandelt hat. Der Grund wurde uns recht einfach erklärt, als wir in der letzten Einstellung sehen, wie sich Walter mit Donald/September trifft, der Haare auf dem Kopf hat. Trug September nur ein Toupet, um nicht als Beobachter aufzufallen, oder hat er sich die Technologie aus seinem Nacken entfernen lassen und war somit gar kein Beobachter mehr? Auf jeden Fall war es gut, dass man in dieser Szene noch mal kurz ein Bild von September eingeblendet hat, denn ich hatte Michael Cerveris mit Haaren tatsächlich nicht erkannt. Die Enthüllung, die im Nachhinein absolut logisch und naheliegend erscheint, verspricht jedenfalls, dass wir nun endlich erfahren werden, wie genau der große Plan aussieht, weshalb sich September gegen seine Artgenossen gewendet hat und was mit September letzten Endes passiert ist. Immerhin hatten wir ihn schon seit dem Finale von Staffel 4 nicht mehr gesehen und in #4.19 2036 deutete Walter gegenüber Etta an, dass mit September etwas "Unerwartetes" passiert sei.

Fazit

Nüchtern betrachtet war mit der Enthüllung von Donalds Identität erneut nur das Ende der Folge für den weiteren Verlauf der Handlung wirklich relevant und der Weg dorthin wurde leider wieder einmal künstlich in die Länge gezogen, auch wenn Ninas Heldentod und die eine oder andere Szene für Lichtblicke sorgen konnten. Besonders wegen Ninas Szenen würde ich die Folge daher liebend gerne besser bewerten, aber die Hinhaltetaktik der Autoren sowie das daraus resultierende sehr gemächliche Tempo sind so kurz vor dem Serienfinale einfach fehl am Platz, wodurch #5.10 Anomaly XB-6783 leider doch nur durchschnittlich abschneidet.

Hoffentlich gibt die Serie mit #5.11 The Boy Must Live, der letzten Folge vor dem zweiteiligen Serienfinale, kräftig Gas und stimmt uns Zuschauer gut auf das Finale ein. Hinsichtlich der Entwicklungen um Donald sowie der offenen Fragen um Michael ist jedenfalls reichlich Potential vorhanden.

Manuel H. - myFanbase

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