Review: #1.04 Hannahs Tagebuch
In der vierten Folge "Girls" führte Allroundtalent Lena Dunham erstmals nicht Regie bei einer Folge und erstmals funktioniert die Grundkonzeption einer Folge der Lena-Dunham-Serie auch nicht so gut, wie in den vorherigen. Trotz einiger starker Einzelmomente, wie der berührenden Schlussszene, passiert in dieser Folge dann doch irgendwie zu wenig, die einzelnen Storylines treiben so vor sich hin, ohne wirklich ein konsistentes und funktionierendes Ganzes zu ergeben. Wirklich schlecht ist das Ganze sicherlich trotzdem nicht, aber auch leider nicht so überzeugend, wie die ersten drei Episoden.
"That is a big dick."
Die vierte Folge "Girls" beginnt genauso, wie man sich den Beginn einer solch ehrlich-direkten Serie vorstellt: mit einem in Pelz gehüllten Penis-Bild. Der Moment, in dem Hannah spät am Abend eben jenes Bild von Adam erhält und durch ihren lauten Aufschrei Marnie und Charlie in ihr Zimmer lockt, ist schon ein vielversprechender Anfang, der nur dadurch getoppt wird, dass Hannah wenig später die Nachricht erhält, dass dieses Bild gar nicht für sie gedacht war. Irgendwie macht es Drehbuchautorin Lena Dunham dem Zuschauer am Anfang der Serie fast zu einfach, Adam nicht zu mögen, verhält er sich doch von Folge zu Folge kontinuierlich immer wieder komplett daneben. Trotzdem zählt Adam schon jetzt zu den interessantesten und sicherlich auch schillerndsten Figuren in dieser Serienwelt, was zweifellos auch an der immer wieder grandiosen Performance von Adam Driver liegt, der diesem Charakter durch sein ganz eigenes Charisma Leben einhaucht. Und ist es auch irgendwie fast nachvollziehbar, warum Hannah sich dem weirden Charisma des stets oberkörperfreien Irren auch am Ende nicht entziehen kann. Die Wutrede Hannahs, bei der wieder ihre Lippen anfangen kräftig zu zittern, ist auch wieder einer dieser ganz besonders gut geschriebenen Momente, von denen diese Serie lebt und die das Herz des Ganzen bilden. Hannah ist wütend, fühlt sich erniedrigt, emotional missbraucht, kann sich schlussendlich Adam dann aber doch nicht entziehen, der nicht mal wirklich was sagen muss, um sie schlussendlich wieder ins Bett zu kriegen. Diese Beziehung ist dermaßen kaputt und widerspricht allen Vorgaben an gesunde Beziehungen und funktioniert in der ganz eigenen Parallelwelt von Adams Apartment dann aber doch irgendwie, wobei wohl auch nur, weil Hannah eine Person ist, die absolut süchtig ist nach Aufmerksamkeit und irgendeiner Form von Nähe, was Adam schon fast clever auszunutzen versteht. Die vertrackte Dynamik dieser affärenartigen Beziehung wird sicher auch in Zukunft im Zentrum stehen und es wird sich zeigen, ob Adam sich irgendwann mal noch ansatzweise weiterzuentwickeln beginnt.
Nebenher tritt Hannah in dieser Folge auch ihren ersten wirklichen Job in einer Rechtsfirma an, in dem sie gleich mit einem Vorgesetzten konfrontiert wird, der seine Finger nicht ganz bei sich behalten kann. Neben der kontrovers diskutieren Abtreibungs-Thematik behandelt diese Folge nun das auch weiterhin aktuelle Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz auf ihre ganz eigene Weise. Sexuelle Belästigung wird hier als was fast alltägliches dargestellt, an das man sich irgendwann schon gewöhnt, sind die Alternativen eines Jobverlustes doch wesentlich gravierender. Auch wird Hannahs Vorgesetzter nicht als überhebliches Ekelpaket dargestellt, sondern als älterer, fast väterlicher Typ, der aus einer anderen Zeit zu stammen scheint und für den das Begrabschen seiner Mitarbeiterinnen zum Arbeitsalltag eben dazu gehört. Es wird hier deutlich, wie etabliert und normal klassische Formen von sexueller Belästigung im normalen Arbeitsalltag bereits schon geworden sind und wie schnell sich auch das weibliche Personal damit abfindet. Die Thematisierung solcher Themen und die dadurch erfolgte Verschiebung ins gesellschaftliche Bewusstsein ist eine weitere Stärke dieser unkonventionellen, oft sehr lustigen, aber auch mutigen Serienproduktion. Der Humoraspekt ist in dieser Woche dafür auf Seiten Hannahs nicht ganz so stark ausgeprägt und die Idee, Hannahs Augenbrauen auf eine fast verstörende Art und Weise anzumalen, hätte man sich auch getrost sparen können.
"You're such a little Nazi, you know that?
Passiert bei Hannah in dieser Folge doch noch relativ viel, geht es bei Jessa nicht wirklich weiter. Wie auch schon in der letzten Folge sehen wir sie bei ihrem Job als Babysitterin und erneut sehen wir auch die sexuellen Spannungen zwischen ihr und dem Vater der betreuten Kinder aufflammen. Die ganze Geschichte um die Bildung einer Babysitter-Allianz und die Problematik um die plötzlich verschwundenen Kinder ist dagegen weniger aufregend und außer ein paar pointierter Kommentare Jennas gibt es hier auch nicht wirklich viel zu lachen. Die Ausstrahlung von Jemima Kirke rettet dieses Storysegment dann aber gerade noch. Dass Jessa in dieser Folge bis auf eine kurze Szene mit Shoshanna wieder kaum in Interaktion mit den anderen "Girls" tritt, ist auch schade. Dieses Nebeneinanderherlaufen der einzelnen Storylines sollte in Zukunft mal ein wenig aufgebrochen werden, so dass Raum geschaffen wird für mehr direkten Austausch zwischen den einzelnen Charakteren. Zudem sollte Lena Dunham sich auch davor hüten, die Figur der Hannah zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen und die anderen drei gleichberechtigten Hauptdarstellerinnen dabei zu vergessen.
"Do you wanna have sex instead?"
Das erste Mal steht nun auch Shoshanna mehr im Zentrum des Geschehens und bekommt ihre erste eigene Storyline serviert, die dann insgesamt eher ein Gefühl unangenehmer Berührung hinterlässt. Deutlich wird, dass der Umstand von Shoshannas Jungfräulichkeit das für sie bestimmende Thema dieser Staffel bleiben wird. Ihr Date mit ihrem ehemaligen Feriencamp-Kumpel Matt ist dann auch wieder einer dieser unangenehmen, unglaublich direkten und ungeschönten Momente, für die diese Serie schon jetzt bekannt ist. Eine Mischung aus Fremdscham, Anteilnahme und leichter Merkwürdigkeit überschattet auch diese Storyline, in der Shoshanna kurz davor steht ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, dann aber aufgrund ihrer Ehrlichkeit den Typen dann doch abschreckt. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer liebenswürdigen Überdrehtheit und Nervosität mausert sich Shoshanna langsam zum heimlichen Star dieser Serie. Irgendwie muss man sie einfach mögen und man hofft, dass sie schnell jemanden findet, der sie auch verdient hat.
"You're such a fucking bitch."
Das Beziehungsdrama zwischen Charlie und Marnie geht in die nächste Runde und beginnt sich langsam zuzuspitzen. Wirkten Marnie und Charlie am Anfang der Folge in Zeiten von Hannahs Penisbild-Affäre durchaus wie ein eingespieltes, süß miteinander harmonierendes Paar, so wird sich dies spätestens nach Ende der Folge grundlegend ändern. Nachdem Ray durch das Lesen von Hannahs Tagebuch die wahren Gefühle und Einschätzungen der Beziehung zwischen Marnie und Charlie offenlegt, könnte dies vielleicht sogar das Ende der Beziehung sein. Die ganze Story um das Durchforsten von Hannahs und Marnies Apartment wollte dagegen nicht wirklich zünden und wusste komödiantisch nicht wirklich zu überzeugen. Erst zum Ende der Folge, in dem Ray und Charlie mit ihrer minimalistischen Zwei-Mann-Band, die instrumentell auch nur aus einer kleinen Trommel und einer Gitarre besteht, auf ihrem Konzert Auszüge aus dem Tagebuch von Hannah musikalisch performen, nimmt das Ganze ungeheuer an Tempo auf und stellt sowohl die Freundschaft zwischen Hannah und Marnie, als auch die Beziehung zwischen Marnie und Charlie auf eine harte Probe. Der erste richtige Cliffhanger der jungen Seriengeschichte wirbelt die Charakterkonstellationen ganz schön auf und entschädigt dann für einige eher laue Momente dieser Folge.
Fazit
Die vierte Episode nimmt erst in den Schlussminuten so richtig an Fahrt auf und entschädigt dann für einige nicht ganz so gelungene und nicht wirklich homogene Momente in einer Folge, die zum jetzigen Stand als die schwächste der bisherigen Serie bezeichnet werden muss.
Moritz Stock - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Hannah's DiaryErstausstrahlung (US): 06.05.2012
Erstausstrahlung (DE): 13.07.2013
Regie: Richard Shepard
Drehbuch: Lena Dunham
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