Bewertung

Review: #1.05 Einfach geht anders

Zum Ausklang der mit einer erneut wahnsinnig schrägen Adam-Hannah-Szene endenden Folge ertönt der Song "I don't love anyone" der Band Belle and Seabastian, der die Grundthematik dieser Folge, die sich um das Ende von Beziehungen und die Unfähigkeit wirklich zu lieben dreht, wunderbar auf den Punkt bringt. Wer liebt in dieser Serie eigentlich wen und liebt am Ende nicht jeder der handelnden Figuren nicht am meisten sich selbst? Die Beziehung zwischen Marnie und Charlie steht nach den Ereignissen der letzten Folge kurz vor dem Aus, Jessa trifft auf den einzigen Typen, der je mit ihr Schluss gemacht und Hannah macht ihrem Vorgesetzten ein unmoralisches Angebot und schafft es weiterhin nicht wirklich sich von Adam zu lösen. Die Thematisierung und Erforschung moderner Beziehung findet in dieser stellenweise sogar ziemlich bitteren und traurigen Folge ihren vorläufigen Höhepunkt und macht vor allem eines deutlich: In dieser Serie geht es nicht darum besonders liebenswerte, sondern komplexe und irgendwie auch menschliche Charaktere zu zeichnen, die häufig mehr aus egozentrischen, als aus altruistischen Motiven handeln.

"I don't like it, when you ass-fuck my friend in the heart"

Die stärkste, komplexeste und am besten ausgearbeitete Storyline in der bisherigen kurzen Serienhistorie ist die der vorläufig wohl endgültigen Trennung zwischen Marnie und Charlie und dabei spielt sich diese fast komplett nur in einem einzigen Zimmer ab. Lena Dunham bringt die Schwierigkeiten und Unvereinbarkeiten dieser Beziehung in einigen starken Momenten prägnant auf dem Punkt, entwickelt die Figur der Marnie konsequent weiter und liefert dazu noch einen gelungenen Beitrag über die Schwierigkeiten und Zerstörungsmechanismen moderner Beziehungen. Die Beziehung scheitert schließlich an unterschiedlichen Lebensvorstellungen, Ansprüchen und Persönlichkeitskonzepten. Charlie gibt einfach zu viel und braucht selbst zu viel emotionale Nähe und Bestätigung, die Marnie ihm einfach nicht geben kann. Durch einen kleinen Rückblick in die Vergangenheit, in der wir auch Elijah und Hannah auf dem Höhepunkt der eigenen Verliebtheit sehen können, sehen wir eine Marnie, die sich nach Emotionalität und Nähe sehnt, die Charlie schon vom ersten Moment ihres Kennenlernens für ihr eigenes Wohlbefinden benutzt. Deutlich wird, dass diese Beziehung vom ersten Moment an bereits kaputt war, dass es sich hier um keine Beziehung zwischen zwei gleichberichtigten Partnern handelt, sondern um eine, der Marnie ihren Stempel aufdrückt. Marnie gibt die Richtung vor und ist damit wohl ein Prototyp unserer heutigen individualisierten Gesellschaft, in dem sich vieles nur noch um einen selbst dreht. Nicht ohne Grund hat Marnie in der vierjährigen Beziehung Charlie noch nie (!) in seiner Wohnung besucht und nicht ohne Grund beginnt Marnie erst dann wieder mehr Interesse und Leidenschaft für ihn zu entwickeln, als er kurz davor steht mit ihr Schluss zu machen. Diese Schmach des Zurückgelassenwerdens bringt sie dazu sich wieder mehr auf ihn einzulassen und sogar um ihn zu kämpfen. Charlie kann sich dagegen auch nicht wirklich wehren, hat er doch das Problem sie wirklich und aufrichtig zu lieben und so ist es auch wenig überraschend schließlich Marnie, die mit Charlie Schluss macht. Da man als Zuschauer nur einen kurzen Einblick in die Mechanismen dieser Beziehung gewährt bekam, kann ein komplettes Urteil darüber sicher nicht gefällt werden, doch ist es wohl so, dass Marnie im Lauf der Beziehung mehr das Geliebtwerden an sich und die Bestätigung des eigenen Selbstwertkonzeptes geliebt hat, als ihren Partner Charlie selbst. Irgendwann wurde ihr das aber auch zu langweilig und seine Gabe ihr viel Nähe zu schenken, die in der weit zurückliegenden Vergangenheit einst die Beziehung begründete, war schließlich ihr Untergang. Ganz bemerkenswert wie hier die Charaktere weiter an Tiefe gewinnen und gleichzeitig auch noch der Aufstieg und Fall einer Beziehung nachgezeichnet werden. Das in einem 30-minütigen Comedyformat hinzukriegen ist schon beachtlich.

"What about Gillian?"

Die Stärke der Folge liegt auch in dem Umstand, dass übergreifend ähnliche Muster herausgearbeitet werden: So schläft Jessa wohl auch nur mit ihrem Ex-Freund Gillian, der kurz davor steht mit seiner neuen und wesentlich älteren Freundin zusammenzuziehen, um die Schmach des damaligen Zurückgewiesenwerdens wieder loszuwerden. Der schlussendliche Sex-Akt ist dann auch schnell, wild und ohne jegliche Form von wirklicher und echter Leidenschaft. Von Liebe kann auch hier keine Rede sein, wieder eher von der Reparatur des angeschlagenen Selbstwertkonzeptes. Auch Jenna liebt das Begehrt werden und die Blicke, die ihr auch von dem viel älteren Familienvater Jeff schon länger zugeworfen werden. Sie liebt das Spiel mit der Wirkung, die sie auf Männer hat und auch sie will immer alle selbst im Griff haben und wirkt gerade deshalb auch immer äußerst distanziert, fast gefühlskalt. Sowohl Marnie, als auch Jenna sind ähnlich angelegte, stark individualisierte Frauenfiguren, die den Männern ihre eigenen Regeln regelrecht aufzwingen und um ihre eigene Autonomie bemüht sind. Sich fallen zu lassen und Liebe wirklich zuzulassen fällt ihnen dagegen äußerst schwer. Es ist interessant zu sehen, dass in dieser Serie die einzige wirkliche Liebe, die funktioniert und auch zugelassen wird, die zwischen Gleichgeschlechtlichen Freunden ist. Wenn Ray gegenüber Marnie deutlich macht, dass er Charlie als Freund wirklich liebt oder Hannah dies auch gegenüber Marnie tut, hat man das Gefühl, dass dort viel innigere Beziehungen bestehen, als in den hier bisher präsentierten romantischen Beziehungen. Sowohl die Frauen-, als auch die Männerfreundschaften übertrumpfen die Beziehungen zwischen den gegengeschlechtlichen Partnern in vielerlei Hinsicht deutlich.

"I hate everyone, who loves me"

Hannah ist wohl schon jetzt der kontroverseste und schwierigste Charakter der Serie und gleichzeitig die zentrale Hauptfigur – eine komplizierte Situation, die der Serie vielleicht sogar noch Probleme bereiten könnte. In dieser Folge weiß man irgendwann einfach nicht mehr wirklich, was man von ihr und ihren getroffenen Entscheidungen halten soll. Sie lebt ihr Leben so, als wäre sie die Hauptfigur in ihrem eigenen Roman, was sie ironischerweise irgendwie auch ist. Sie stürzt sich in die absurdesten Situationen, die sie oftmals auch selbst kreiert und in denen sie oft so wirkt, als ob sie selbst gar nicht so genau wisse, was sie da eigentlich macht und was das alles schlussendlich soll. So bietet sie ihrem Vorgesetzten an, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben, damit die ganze sexuelle Anspannung endlich abflaut und die ständigen sexuellen Belästigungen ein Ende haben. Ist es ein adäquates Mittel der sexuellen Belästigung offensiv entgegenzutreten und einfach mit dem Vorgesetzten zu schlafen? Für Hannah, die hier auf einen Rat von Jessa hört anscheinend schon. Als ihr Chef sie dann nicht wirklich ernst nimmt, droht sie zusätzlich noch mit einer Klage und literarischem Rufmord. Die Selbstinszenierungs-Hannah ist hier voll in ihrem Element und es ist natürlich klar, dass es ihr hier gar nicht um die Bekämpfung von sexueller Belästigung, sondern vielmehr erneut um die Kreierung einer spannenden Story für ihr Buch geht. Ein Leben als Romanfigur führt dazu, dass man immer wieder was neues, aufregendes erleben muss und so sind alle anderen Personen in ihrem Leben auch meist nur Nebendarsteller in der großen Hannah-Show, über die sie aber gleichzeitig selbst immer wieder die Kontrolle verliert. Das klingt negativer, als es gemeint ist, sind Hannahs Eskapaden doch häufig die mit dem größten Unterhaltungspotenzial, wenn auch auf einer manchmal fast traurigen Ebene mit erhöhtem Fremdschamfaktor. Hannah ist jemand, der oft im luftleeren Raum zu schweben scheint und irgendwie und irgendwo versucht Halt und Sicherheit zu finden. Leider weiß sie selbst überhaupt nicht, was sie eigentlich will und wohin ihr Leben führen soll, weshalb sie auf eine sehr naive Art auch immer in diese abstrusesten aller Gegebenheiten stolpert.

Schlussendlich gab es dann in dieser Folge auch wieder einen legendär-schrägen-Adam Moment, der einem auf seine verschrobene-irre-Art immer sympathischer wird. Ob es in dieser Beziehung um Liebe geht darf übrigens auch stark bezweifelt werden, trotzdem ist diese Beziehung im Vergleich zu der zwischen Marnie und Charlie die ehrlichere und aufrichtigere, bei der sich beide Partner kaum in Illusionen verlieren. Hannah weiß ganz genau, was sie von Adam zu erwarten hat und auch wenn ihr das nicht immer passt und sie damit vielleicht auch nicht ganz glücklich ist, bietet er ihr doch das Abenteuer und die Aufregung, nach der sie sich sehnt. Irgendwie ist diese Beziehung auf eine kranke Art und Weise fast schon gesund, wirken sowohl Adam, als auch Hannah in ihrem Mikrokosmos durchgeknallter Sexspielchen so glücklich und zufrieden, wie sonst keine der Charaktere in irgendeiner Beziehung und gerade Adams Apartment ist der vielleicht einzige sichere Rückzugsort, in der sie das bekommt, was sie erwartet. Das macht diese Paarkonstellation so spannend und interessant, auch wenn man davon ausgehen kann, dass es sich dabei um keine stabile und auf Liebe gegründete Partnerschaft handelt.

Fazit

Nachdem die letzte Folge leicht enttäuscht hatte, startet die Serie mit dieser Folge weiter durch und liefert eine hochspannende, toll geschriebene und gespielte Folge voll kluger lebensweltlicher Beobachtungen und gut ausgearbeiteten Charakterentwicklungen. Die beste Folge der bisherigen ersten Staffel.

Moritz Stock - myFanbase

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