Review: #1.06 Zu Hause
Irgendwann kommt der Moment im Leben von fast jedem, in dem man den Entschluss fasst sein Elternhaus zu verlassen, um ein eigenständiges Leben fern des Ortes zu führen, in dem man aufwuchs. Hat man diesen Entschluss erst mal gefasst, wird irgendwann dann wieder Zeitpunkt kommen, in dem man zurückkehrt, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Dann sieht man bewaffnet mit neuen Lebenserfahrungen und einigen Abstand die alte Heimat und den eigenen Ursprung in einem anderen, neuen Licht. Man sieht, wie sehr man sich weiterentwickelt hat oder auch nicht und wie weit man sich von den Leuten entfernt hatten, die in der alten Heimat geblieben sind. Die heimatliche Rückkehr ist das zentrale Thema der sechsten, erzählerisch mit dem bisherigen Konzept leicht brechenden Folge, in der erstmals nur Hannah alleinig im Zentrum steht. Ihre kurze Rückkehr nach in ihre Heimat Michigan ist eine sehr ungewöhnliche, aber auch interessante Folge, die durch eine Collage kleiner Einzelszenen überzeugt und auf eine ganz bestimmte Art auch rührt.
"It's like we're slaves to this place that doesn't really want us"
Hannah kehrt als New Yorker Großstadthipster zurück in ihr provinzhaftes Heimatkaff und sieht sich nicht nur den Fragen ihrer Eltern ausgesetzt, die wissen wollen, wie es in ihrem momentanen Job läuft, den sie ja schon längst gekündigt hat, sondern auch ihrer eigenen Vergangenheit. Sie schläft in ihrem alten Mädchenzimmer, trifft auf alte Bekannte und fühlt sich auch in ihrer alten Heimat in keinem Moment wirklich geborgen oder sicher. Das Thema dieser Folge ist auch der Versuch der Neuerfindung, sich vom kleinstädtischen Leben zu befreien und es in der großen Welt da draußen zu etwas zu bringen. Exemplarisch wird dies gezeigt an einer alten Mitschülerin Hannahs, die sich vorgenommen hat als Tänzerin in Hollywood ihren ganz eigenen amerikanischen Traum zu leben und so auch dem Kleinstadtleben in Richtung großstädtischem Glamour zu verlassen. Das Problem ist nur, dass ihr tänzerisches Talent eher begrenzt ist und dieser Traum sich leicht in einen Alptraum verkehren könnte. Hannah merkt in einem Gespräch mit ihrem Apotheker-Date auch genau dies an und weiß wohl auch selbst, dass sie sich von dieser leicht naiven Mitschülerin mit ihren großen Träumen gar nicht so sehr unterscheidet. Eigentlich müsste Hannah, die nun in der vielleicht aufregendsten Metropole der Welt New York lebt, mit großem Selbstbewusstsein in ihre Heimat zurückkehren. Das Gegenteil ist hingegen der Fall: Sie lebt zwar in New York, hat es aber ansonsten auch nicht sonderlich weit gebracht. Sie transportiert ihre Klamotten in einem Müllsack, hat keinen Job, keine finanziellen Mittel und auch so keine wirkliche Möglichkeit die Miete zu bezahlen. Die Vorstellungen vom Leben in der Großstadt, welche sich in der Theorie wie ein schöner, aufregender Traum anhören, treffen allzu häufig auf die harte Realität und so wird in dieser Folge auch die Frage danach gestellt, ob das kleinstädtische, leicht öde anmutende Leben in der Provinz, in dem man für vergleichsweise wenig Geld eine riesige Wohnung und ein nettes Leben bekommt, schlussendlich nicht doch das "bessere" ist. Und so trifft das vorangestellte Zitat die Lage vieler junger, moderner Großstädtischer auch ganz gut: Man wird zum Sklaven eines Ortes, der einen eigentlich gar nicht haben will und ständig versucht die Tür zum Paradies wieder zu verschließen. Ganz gut zu dieser ganzen Thematik passt auch die Szene, in der Hannah sich mit folgenden Worten Mut einzureden versucht: "You are from New York, therefore you are just naturally interesting. The worst stuff you say sounds better than the best stuff that some other people say." Wirklich überzeugend klingt dies aus ihrem Mund jedoch nicht.
"Please don't put your finger in my asshole"
Während ihrer Zeit zu Hause, in der sie eigentlich mit ihren Eltern den Hochzeitstag feiern sollte, trifft Hannah auf den Apotheker Eric, der auch damals mit ihr zusammen zur Schule gegangen und der schlussendlich in der Heimat geblieben ist, einen soliden Job ausübt und insgesamt mit seinem Leben recht zufrieden wirkt. Immer noch verunsichert und emotional angeschlagen durch ihre merkwürdige Nicht-Beziehung mit Adam, den sie auch kurz versucht anzurufen, lässt sie sich auf ein Date mit Eric ein, wohl auch um mal von jemanden ausgeführt zu werden, der einen solideren Eindruck macht, als ihr New Yorker Bettpartner. Hannahs grenzenlose Unsicherheit und ihr zwanghafter Versuch cool und interessant zu wirken, brechen auch hier wieder durch und so wird dieses Date, welches schlussendlich in einem unangenehmen sexuellen Akt mündet, auch kein wirklicher Erfolg. Hannah weiß mal wieder nicht richtig, was sie da überhaupt tut, was sie überhaupt will und was sie mit diesem Typen da eigentlich macht. So überträgt sie die sexuellen Spielchen, die sie mit Adam stets durchführt auf Eric und erntet damit nur Unverständnis und Ablehnung. Sie will sich als moderne Großstädterin verlaufen, irgendwie auch Eindruck schinden, kommt dabei aber nicht wirklich weit und so endet dieses ganze Date mal wieder in einem Moment der Peinlichkeit. Hannah bleibt ein schwieriger Charakter, der in ihrer ganzen Unsicherheit und auch Unbeholfenheit einen manchmal aber fast schon leidtun kann.
"I have been dating someone who treats my heart like it's monkey meat"
So findet Hannah schlussendlich auch in ihrer alten Heimat nicht wirklich einen Ort der Sicherheit, sondern trifft vielmehr auf noch mehr Irritationen. Ihre Eltern lügt sie wegen ihres verlorenen Jobs an, zu ehemaligen Mitschülern bekommt sie auch nicht wirklich einen Draht und ihr Date endet mit einer Enttäuschung. Den einzigen Halt findet sie schließlich dann tatsächlich in einem Telefongespräch mit Adam, mit dem sie erstmals ein fast emotionales, überaus süßes Gespräch führt, in dem es um den Austausch von Gefühlen geht. Die Beiden erzählen sich Alltäglichkeiten und wirken dabei fast wie ein normales Paar. Derjenige, der ihr Herz wie Affenfleisch behandelt hat, ist schlussendlich aber auch derjenige mit dem sie am liebsten reden will. Deutlich wird aber auch der Umstand, dass Hannah sich weiterhin nicht von Adam lösen kann und dies im Grunde auch gar nicht will.
Fazit
Die sechste Folge, die mitgeschrieben wurde von Komödienguru und Produzent Judd Apatow fokussiert sich komplett auf die Figur der Hannah und ihre Reise in die eigene Vergangenheit. Eine Folge mit vielen kleinen, schräg-liebevollen Momenten, die viel Wahrhaftigkeit ausstrahlen und so diese Folge zu einem schönen Erlebnis werden lassen.
Moritz Stock - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The ReturnErstausstrahlung (US): 20.05.2012
Erstausstrahlung (DE): 14.07.2013
Regie: Lena Dunham
Drehbuch: Lena Dunham & Judd Apatow
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