Review: #1.07 Willkommen in Bushwick
Eine Party als Aufhänger bringt einigen Schwung in die einzelnen Charakterentwicklungen und führt erstmals alle handelnden Figuren an einem zentralen Ort zusammen. Marnie muss sich mit den Konsequenzen ihrer selbst eingeleiteten Trennung von Charlie und ihrer eigenen Egozentrik auseinandersetzten, Jessa mit der Midlife-Crisis ihres Vorgesetzten, Hannah mit Adam, der erstmals Oberbekleidung trägt und Shoshanna konsumiert unbeabsichtigt Crack und findet in Ray jemanden, der ihr zur Seite steht. Zusammen ergibt das eine wirklich unterhaltsame, aber auch auf der tiefergehenden Charakterebene gut funktionierende Folge mit einigen starken Momenten.
"I was ideal"
Marnie trifft auf der Party auf Charlie, der mit seiner Band dort ein Konzert spielt und erneut tritt Marnies gnadenlose Egozentrik überdeutlich zu Tage: Als sie Charlies neue Freundin kennenlernt, beginnt sie jedem, der ihr über den Weg läuft vorzuheulen, was für ein grausamer Mensch Charlie doch sei. Dabei vergisst sie, dass gerade sie es war, die mit Charlie in einem der ungünstigsten Momente überhaupt Schluss gemacht hat. Anstatt sich für Charlie zu freuen, dass er sein Leben weiterlebt und auch nach der Trennung versucht glücklich zu sein, denkt sie nur an sich selbst und ihr eigenes egozentrisches Weltbild. Sehr stark ist dann schließlich die Szene mit Elijah, in dem dieser ihr gnadenlos den Spiegel vorhält und ihr bewusst macht, dass nicht nur Hannah über einen extrem egozentrischen Charakter verfügt, sondern auch sie selbst. In wie immer stark geschriebenen Dialogen hält er ihr ihre ganzen vergangenen Verfehlungen vor und kratzt damit gehörig am perfektionistischen Selbstkonzept Marnies. Es ist der Serie hoch anzurechnen, dass hier erst gar nicht versucht wird, die Charaktere sympathischer darzustellen, als sie sind. Stattdessen werden die Unzulänglichkeiten der einzelnen Figuren gnadenlos aufgedeckt und langsam ist tatsächlich Marnie diejenige, die von den vier "Girls" die wenigsten Sympathiepunkte vorweisen kann. Ihr schlussendlicher Einsatz für Hannah in allen Ehren, aber ihr Verhalten gegenüber Charlie, dem sie permanent nur ihren eigenen Willen aufzwängen wollte und auch ihr weinerliches Verhalten in dieser Folge machen sie wirklich nicht sympathischer. Trotz dieser durchscheinenden Unsympathie ist dieser Handlungsstrang sehr gut geschrieben und führt einen die inneren Antriebsmotivationen Marnies noch deutlicher vor Augen.
"You don't want to know me"
Haben Hannah und Adam in der letzten Folge erstmals ein eher in die liebevolle Richtung gehendes Gespräch geführt, in dem es primär nicht nur um sexuelle Aktivitäten ging, wird diese Personenkonstellation in dieser Folge kräftig nach vorne getrieben und mündet in einer intensiven Schlussszene, in der endlich mal Klartext gesprochen wird. Da die Serie aus Hannahs Perspektive erzählt wird, stand Adam in den ersten Folgen stets in einem ziemlich schlechten Licht da, wirkte er doch stets komplett desinteressiert und nur an leicht perversen sexuellen Spielchen interessiert. In dieser Folge trägt Adam dann aber nicht nur endlich mal ein Shirt, sondern bekommt auch als Charakter mit einem Schlag viel mehr Tiefe. Wir bekommen einen gelungenen Perspektivwechsel serviert, in dem endlich mal Adam aus seiner Sicht die merkwürdige Beziehung mit Hannah thematisieren kann. Und es stellt sich raus, dass Adam nicht nur an einer Beziehung auf rein körperlicher Ebene interessiert war, sondern auch Hannah nie versucht hat auf Adam zuzugehen und mehr über ihn zu erfahren. Auch hier zeigt sich einerseits wieder Hannahs eigene Selbstverlorenheit, andererseits auch die Wirkungsmacht von Missverständnissen und fehlender Kommunikationen. Dass Adam nicht von selbst sofort erzählt, dass er bei den Anonymen Alkoholikern ist, ist da auch irgendwie nachvollziehbar. Die finale Konfrontierungsszene auf einem abgelegenen Hinterhof ist dann auch ganz wunderbar intensiv, mitreißend und berührend und bringt diese Beziehung ein ganzes Stück weiter. Das Schlussbild dieser Folge, in der Adam, Hannah und Marnie mitsamt Fahrrad schweigend in einem Taxi sitzen, gehört dann auch zu den besten der ersten Staffel. So witzig und irgendwie auch rührend zugleich, wurde man bisher noch aus keiner Folge entlassen.
"Did you smoke Crack?"
Bisher war Shoshanna leider immer diejenige der zentralen vier weiblichen Hauptfiguren, der am wenigsten Screentime eingeräumt wurde und die deshalb auch noch nicht ganz so viel Tiefe gewinnen konnte, wie die anderen. In dieser Folge ändert sich das zwar auch nicht kolossal, trotzdem wird zumindest eine vielversprechende Storyline eingeleitet, die sich zentral um eine erste Annäherung zwischen Shoshanna und Charlies besten Freund Ray dreht. In den paar Szenen, die die Beiden in dieser Folge zusammen hatten, kann durchaus schon von einer guten und funktionierenden Chemie gesprochen werden. Die eigentliche Storyline, die sich um eine im Crackrausch befindende Shoshanna dreht, die vollkommen überschnappt und von Ray vor sich selbst beschützt werden muss, ist ganz nett, stellenweise aufgrund Shoshannas einmaliger Art auch sehr witzig, manchmal aber auch viel zu überdreht und anstrengend. Hier hat man also eher einen komödiantisch geprägten Nebenstrang, der nicht sonderlich viel Tiefe hat, dafür aber ein womöglich neues Paar gekonnt in Stellung bringt.
"You're gonna reduce us to a subculture and then not accurately name the subculture?"
Die Jessa Storyline war dann insgesamt doch interessanter, wird hier doch ganz geschickt mit den Erwartungen gebrochen, die man im Zuge der ganzen Jeff-Jessa-Annährung allmählich aufgebaut hatte. In einem anderen Serienkosmos hätte man diese leidige Babysitter beginnt Affäre mit Familienvater-Story wohl konsequent durchgezogen, hier hingegen steuert man plötzlich doch in eine ganz andere Richtung und lässt Jeff als weinerlichen und labilen Menschen dastehen, der mit einem Schlag jedweden Charme und auch jedwede Form von Coolness verliert, als er in der Notaufnahme plötzlich anfängt zu weinen und Jenna ungeschickt bittet mit ihm die Nacht zu verbringen. Da kann man Jennas Entscheidung verstehen, dass sie in dessen ganz persönliche Lebenskrise nicht reingezogen werden will absolut nachvollziehen. Auch insgesamt ist Jessa mein persönlicher Held dieser Folge: Niemand strahlt in dieser Serie so viel coole Eleganz aus, wie Jessa. Sie wirkt stets wie von einem anderen Stern und die Szene, in der sie diese beiden Typen aufstachelt und beleidigt ist zudem noch unglaublich witzig.
Im Übrigen soll hier noch kurz festgehalten werden, dass die ganze Gestaltung dieser wahnwitzigen New Yorker-Hipster-Party wunderbar gelungen ist und gerade durch viele kleine Details nur noch dazugewinnt. Eine Party, wie es sie so wohl auch nur in diesem Serienuniversum geben kann.
Fazit
Weiterhin bewegt sich die Serie auf einem erfreulich hohen Niveau, entwickelt die Charakter glaubhaft und konsequent weiter und verbindet elegant einzigartige Komik mit emotionaler Wahrhaftigkeit und dem Mut zur Herausstellung unsympathischer Charaktereigenschaften. Diese televisionäre Party kann also nur als gelungen bezeichnet werden.
Moritz Stock - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Welcome to Bushwick a.k.a. The CrackcidentErstausstrahlung (US): 27.05.2012
Erstausstrahlung (DE): 14.07.2013
Regie: Jody Lee Lipes
Drehbuch: Lena Dunham & Jennifer Konner
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