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Review: #5.17 Die Bedeutung des Materiellen

Foto: Julianna Margulies & Christine Baranski, Good Wife - Copyright: Paramount Pictures
Julianna Margulies & Christine Baranski, Good Wife
© Paramount Pictures

Geprägt von den tragischen Ereignissen um Wills Tod muss sich Alicia auf ganz unterschiedliche Weise in ihrem beruflichen und privaten Umfeld behaupten. Unterdessen versprechen die Ränkespiele bei Lockhart/Gardner und der Staatsanwaltschaft interessante Entwicklungen in Richtung des Staffelfinales.

"We should merge."

Der Einstieg in die Folge wusste gleich einmal zu überzeugen. Das Auslassen von Szenen von Wills Trauerfeier war eine gute Entscheidung. Wir wissen ohnehin, dass sein Tod für alle, die ihn kannten, ein Schock war und so war es doch umso spannender zu sehen, wie die Protagonisten in ihrem Alltag mit der neuen Situation umgehen anstatt ihnen noch einmal beim Trauern am Grab zuzusehen.

So war dann auch zu Beginn die gemeinsame Szene von Alicia und Diane in der Bar sehr sehenswert. In offensichtlich angetrunkenem Zustand wurden hier überraschende Zukunftspläne geschmiedet. Dabei lag die Überraschung weniger in der Spekulation über die von Diane vorgeschlagene Fusion der beiden Kanzleien. Diese erscheint aus wirtschaftlicher Sicht und der vielen gemeinsamen Interessen hinsichtlich der Vergangenheit und des Kundenkreises durchaus sinnvoll. Allerdings war das Verhältnis von Diane und Alicia bislang zwar von gegenseitigem Respekt geprägt, eine tiefe Freundschaft verband die beiden jedoch bisher nicht. Will dient hier als Bindeglied für neue Allianzen, wobei Diane durch eine Fusion mit Florrick/Agos auf den ersten Blick mehr profitieren könnte, in dem Sie die Rivalen in den eigenen Reihen in Person von David Lee und Damian Boyle in die Schranken weisen könnte. Sie bezeichnet Ihre Lage bei Lockhart/Gardner ja selbst schon als (bedrohte) Gazelle in der Savanne. Für Alicia wäre es dagegen eventuell nur eine Rückkehr in einen sicheren Hafen, ohne das wirtschaftliche Risiko, auf eigenen Füßen stehen zu müssen. Die ersten Gehversuche waren schließlich nicht gerade hindernisfrei. Auf jeden Fall bietet die Merger-Option eine spannende Ausgangslage für die verbleibenden Folgen, dieser bis jetzt schon herausragenden fünften Staffel. Denn die genannten Rivalen haben da ganz andere Pläne. Doch dazu später mehr.

"When someone dies there’s nothing left of him?"

Es ist nicht das erste Mal seit der Trennung der Kanzleien, dass die ehemaligen Partner vor Gerich aufeinander treffen. In der Häufigkeit, in der das bisher geschah, ist mir das fast schon etwas viel, aber als dramaturgischer Kniff für spannende Auseinandersetzungen funktioniert das bisher noch sehr gut. Die bereits angesprochene Annäherung von Alicia und Diane, aber auch deren Situation bei Lockhart/Gardner wird auch in diesem Fall deutlich sichtbar. Während zwischen den beiden Frauen stets Interesse an einer schnellen Einigung herrscht, ist es wieder David Lee, der in seiner typischen, fast schon widerlichen Art dem Fall immer wieder neue Wendungen verpasst. Schmutzige Spiele kann dieser in Perfektion spielen, während Alicia sichtlich anzusehen ist, wie sie diese verachtet. Das Highlight in diesen (Gerichts-)Szenen ist hier jedoch gar nicht der Fall und die Auseinandersetzung mit David an sich, sondern vielmehr Alicias Kreuzverhör mit dem Ehemann und Wissenschaftler. Von Wills Tod noch so sehr mitgenommen, hallen dessen Worte seiner Ansicht, dass man (gemeinsame) Augenblicke auskosten müsse, weil nichts davon bleibt, derart bei ihr nach, dass sie im Anschluss nahezu paralysiert das Gericht verlässt und in Tränen ausbrechen muss. Das sind wieder einmal ganz starke Szenen von Julianna Margulies, die auch den Zuschauer emotional packen und mit Alicia leiden lassen. Cary hatte bereits zu Beginn der Folge Zweifel, ob Alicia schon wieder bereit ist, vor Gericht zu treten. Doch das Stürzen in die Arbeit ist meines Erachtens gar nicht das eigentliche Problem, sondern die direkte Verknüpfung der Worte des Wissenschaftlers mit ihrem eigenen Schicksal. Das lässt sich verständlicherweise nur schwer verkraften. Und selbst in dieser Situation gelingt es den Autoren einen recht überraschenden Counterpart zu setzen, indem man Jennifer, Graces eigenwilliger Tutorin aus Staffel vier, zu einem unerwarteten Gastauftritt verhilft. Das Gespräch zeigt uns eine an sich und ihrem Beruf zweifelnde Alicia, die sich in einer tiefen Krise befindet. Der Rückzug ins heimische Bett unter die Bettdecke ist nur noch ein weiteres Sinnbild, das mich auch an die Szenen zwischen Will und ihr aus der Zeit erinnerte, in der sie ihre Affäre auslebten und gemeinsam unter der Decke lagen. Damals fühlte sie sich geborgen und dieses Gefühl scheint sie wieder zu suchen.

"I lost my husband a long time ago."

Das war jedoch nicht der einzige starke Moment von Julianna respektive Alicia in dieser Folge. In der Auseinandersetzung mit Peter zeigt sich, wie weit sich Alicia inzwischen auch emotional von Peter entfernt hat. Indem Sie zugibt und es Peter mit aller Wucht entgegenschleudert, ihre Affäre mit Will genossen zu haben und zudem äußert, ihren Ehemann vor langer Zeit bereits verloren zu haben, wird deutlich, was uns Zuschauern schon lange klar war, aber von Alicia als "Good Wife" eben bislang nie zum Ausdruck gekommen war. Insofern überrascht die emotionale Kälte der Äußerungen gegenüber Peter durchaus und wird von Julianna Margulies auch ganz hervorragend transportiert. Aber auch Chris Noth muss sich in dieser Szene nicht verstecken. Ein intensiver Gänsehautmoment und ganz große Charakterarbeit der beiden. Das Fazit verwundert dennoch kaum und bleibt nüchtern: im beruflichen Leben benötigt der eine auch weiterhin den anderen, auf privater und emotionaler Ebene aber ist es das Ende. Die "Good Wife“ bleibt zwar äußerlich erhalten, aber Alicia hat sich von dem befreien können, was ihr stets auf der Seele lag. Auch dies verspricht Spannung für die Zukunft und ich sehe schon Elis Verzweiflung vor mir, wenn er den Vermittler spielen darf.

Und dann waren da noch…

Wieder einmal sind so viele Aspekte in der Folge einer Bemerkung wert, dass man sich gar nicht mit allem intensiv auseinandersetzen kann. Dennoch will ich noch einige Gedanken formulieren, die auf jeden Fall erwähnenswert sind.

Es scheint wohl so, als ob wir mit dieser Folge Abschied von Damian Boyle nehmen müssen. Zumindest bei Lockhart/Gardner hat er keine Zukunft mehr, was natürlich spätere Auftritte in Auseinandersetzungen vor Gericht nicht ausschließt. Ich war von Anfang an kein großer Fan von Damian und auch froh, dass er bereits in den vergangenen Folgen kaum noch eine Rolle spielte. Vom Rollenprofil hat man mit David Lee schon einen recht skrupellosen Charakter in den eigenen Reihen. Dazu war das durch ihn angestoßene Dreieck aus Kalinda, Jenna und ihm über weite Strecken auch ziemlich zahnlos und nervig. Was mich auch gleich zum nächsten Thema bringt: Kalinda. Sie braucht dringend mal wieder eine interessante Story und nicht wieder ein pseudo-erotisches Triangle, das an die schlimmen Kalinda Momente zu Beginn der vierten Staffel erinnert. So empfand ich die Szenen von ihr und Jenna sowie mit Cary als eher störend und irritierend zugleich, was ihre blutigen Bilder vor ihrem geistigen Auge anbelangte. Ja, auch Kalinda hat an Wills Tod zu knabbern und war zum Tatzeitpunkt nah dran am Geschehen. Mir persönlich wäre es jedoch viel lieber, wenn ihre Aufgabe weiter darin bestehen würde, an der Seite von Diane Wills Andenken zu bewahren. Das hat sie zumindest im Ansatz durch den Triumph gegenüber David und Damian schon einmal beweisen dürfen.

Ein weiterer Handlungsstrang, der uns sicher noch eine Weile beschäftigen wird, entspinnt sich außerdem um den Staatsanwalt Finn Polmar, der im Jeffrey Grant Fall gegen Will angetreten war. Im Büro des State Attorney’s scheint man in ihm ein Bauernopfer zu sehen, der für das Geschehen im Gerichtssaal verantwortlich gemacht werden soll. Seine Hilfe für Will hat bei Alicia Eindruck hinterlassen und sie will verhindern, dass James Castro als ehemaliger Rivale von Peter, hier seinen Einfluss geltend machen kann. Besonders hervorzuheben, ist die interessante Vertrautheit, die Alicia und Finn von Anfang an haben. Die Harmonie im Zusammenspiel trifft nicht nur auf die Charaktere, sondern auch auf deren Darsteller zu. Matthew Goode gefiel mir dabei sehr gut. Von ihm will ich unbedingt mehr sehen. Alicia gelingt es trotz der über sie hereinbrechenden Lethargie in Verbindung mit ihrer Trauer um Will, für Finn trotzdem ein offenes Ohr zu haben, während sie beispielsweise sogar Diane am Telefon abwimmelt. Mir ist an der ganzen Sache zwar nicht ganz klar, warum man auf Seiten der Staatsanwaltschaft dazu bereit ist, Finn über die Klinge springen zu lassen, aber die Konstellation von ihm und Alicia sowie der früheren Rivalität von Peter und Castro verspricht noch jede Menge Spannung.

Und dann ist da auch noch der Cliffhanger, der die Pläne von Diane und Alicia von zu Beginn der Folge noch einmal über den Haufen werfen könnte. Während Damian von Diane und Kalinda ausgebremst wurde, will sich David offenbar nicht ausspielen lassen und holt sich Louis Canning ins Boot. Der Charakter und damit auch Michael J. Fox sind bei mir immer sehr gerne gesehen und ich bin wirklich neugierig, was uns hier bei Lockhard/Gardner nun an Machtspielchen noch erwarten wird.

Fazit

Eine seltsame Folge, die uns diese Woche präsentiert wurde. Abzüge gibt es auf jeden Fall für Kalinda und ihre Sexkapaden mit Cary und Jenna. Als positiver Nebeneffekt kann immerhin noch der (vorläufige?) Abschied von Damian Boyle verbucht werden. Was genau da in der Staatanwaltschaft abgeht, ist mir zwar unklar, aber die Dynamik von Alicia und Finn gefällt mir einfach gut, dass ich das jetzt einfach mal so hinnehme. Die Stärken der Folge lagen aber ganz eindeutig in den Szenen von Alicia, sei es in der Bar mit Diane, ihre Reaktion auf das im Kreuzverhör des Ehemannes oder ihr Streit mit Peter. Das war eine ganz starke Vorstellung von Julianna Margulies, keine Frage. Mit dem Cliffhanger kommt weitere Würze hinzu, die für die Folgen bis zum Staffelfinale weitere Spannung verspricht. Das hohe Niveau der fünften Staffel von "Good Wife“ kann auch nach Wills tragischem Tod weiter gehalten werden.

Jan H. – myfanbase

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