Bewertung

Review: #16.09 Zuhause

Foto: Grey's Anatomy - Copyright: 2020 ABC Studios; ABC/Christopher Willard
Grey's Anatomy
© 2020 ABC Studios; ABC/Christopher Willard

Na, zu dieser Bar wird so schnell keiner mehr gehen. Der zunächst etwas belanglos erscheinende Episodentitel erschließt sich erst mit dem Cliffhanger, in welchem buchstäblich etwas drohend über einem Abgrund hängt – nur, dass es im Fall von “Grey‘s Anatomy – Die jungen Ärzte ” ein Auto ist, das in Joes Bar gekracht ist und nun die Ärzt*innen unter sich gefährdet. Wir hatten schon lange nicht mehr eine Katastrophenfolge und so bin ich doch durchaus gespannt, was passieren wird – allerdings mit Vorbehalt. Der neue Sendeplatz von “Grey’s Anatomy“ nach der Winterpause führt nämlich dazu, dass die Staffelpremiere von “Station 19“ den ersten Nachhall dieser Folge liefern wird. Als jemand, der nach dem Backdoor-Piloten kaum Lust verspürt hat, Station 19 anzuschauen und vor kurzem die erste Folge nicht beenden konnte, fühle ich mich, ehrlich gesagt, im Moment ziemlich verschaukelt. Muss ich jetzt etwa zwei Staffeln Station 19 nachholen, um nächstes Jahr überhaupt einen Durchblick haben zu können? Um es mit Catherines Worten auszudrücken: “Station 19? What is that? A TV channel?“

Allerdings muss man deutlich sagen, dass diese Folge einen viel besseren Backdoor-Piloten abgegeben hätte. Ein Großteil der Figuren aus dem Spin-Off taucht auf und wird in kurzen Momenten insgesamt doch sympathisch dargestellt. Verantwortlich ist dafür vor allem Jo: Nachdem diese zuletzt ihr Trauma immer weiter aufgearbeitet hat, entscheidet sie sich nun, Freiwillige einer “Safe Haven“-Organisation zu werden, die sich um ausgesetzte Babys kümmert. Nicht nur bei Link klingeln dabei sämtliche Alarmklingeln, auch ich muss zugeben, dass ich diesen Schritt zu übereilt finde; schließlich hat Jo gerade erst wieder zu sich selbst gefunden. Und so ist es überhaupt nicht überraschend, dass die Konfrontation mit dem ausgesetzten kleinen Jungen Jo zu sehr an ihr eigenes Trauma erinnert und sie den Jungen kurzerhand entführt, um ihm vor einem ähnlichen Schicksal, wie es ihr selbst wiederfahren ist, zu bewahren. Das erinnert nicht ohne Grund an Merediths damalige Entführung von Zola. Obwohl man den Karevs durchaus das Kinderglück wünscht und ich gerne den kleinen Wonneproppen in der Serie behalten würde (würde ja zum Kinderboom dieser Staffel passen), so dominiert doch für mich vor allem die Sorge um Jo. Wird sie jemals endgültig ihren Frieden mit ihrer Vergangenheit schließen können? Und wie groß sind die Schwierigkeiten, in die sich nun begeben hat?

Schön an dieser Storyline sind vor allem die Freundschaften mit Ben und Link, die Jo beide auf ihre eigene Weise beistehen und Kraft geben. Es ist auch spannend, dass es gerade diese beiden Männer sind, die in diese Storyline involviert sind, da ihre jeweiligen Partnerinnen, Amelia und Bailey, in dieser Folge einen Club der Schwangeren gründen und sich eifrig über ihre Schwangerschaften austauschen. Durch die Gegenüberstellung der Leben dieser beiden Frauen fühlt sich Baileys Storyline nur umso tragischer an und man kommt nicht umhin, unglaublich großes Mitleid mit ihr zu haben. In einer anderen Review habe ich bereits geschrieben, dass das die Storyline sein könnte, die für mich Baileys Charakter retten kann und das bestätigt sich in dieser Folge komplett. Jeder einzelne Moment hat mich ins Mark getroffen und berührt: Der sprachlose Moment zwischen Ben und Bailey, als er zu ihr ins Krankenzimmer kommt. Bailey, die Ben von sich stößt, weil sie seine Nähe nicht ertragen kann. Bailey, die Amelia ihren Verlust nicht beichten kann, obwohl gerade Amelia ihr beistehen könnte. Bailey, die sich einsam ihren Tränen hingibt. Chandra Wilson darf in dieser Folge großartig aufspielen und ich bin mehr als gespannt, wohin Baileys und Bens Weg nun führen wird.

Bei Amelias Schwangerschaft überwiegen allerdings ganz andere Gefühle: Irritation und Genervtheit. Amelias Baby könnte also von Owen sein? Och nö. Auch wenn ich tatsächlich Amelias und Owens Versöhnung vor kurzem viel abgewinnen konnte, habe ich wenig Interesse daran zu sehen, ein richtiges Patchwork-Verhältnis hier sehen zu müssen. Ich bete also inständig, dass Link doch irgendwie der Vater sein kann, obwohl der Cliffhanger anderes prophezeit. Lasst doch Link und Amelia einfach glücklich miteinander sein, die tun sich doch so gut. Owen als Vater würde das ganze einfach noch komplizierter machen, als es ohnehin schon ist.

Denn schließlich gibt es nicht nur ein Dreiecksverhältnis zwischen Owen, Amelia und Link, sondern das altbewährte Dreiecksverhältnis zwischen Owen, Amelia und Teddy und darüber hinaus darf auch noch Tom, hier mitmischen. Ich muss ja sagen, dass ich Tom und Teddy als Paar unglaublich vermisse. Irgendwie erinnern mich die beiden mit ihrer Dynamik an mein absolutes Lieblingspaar Mark und Lexie und gerade Toms “Ich werde auf dich warten“ erinnert mich stark an Marks ständige Heiratsanträge an Lexie. Außerdem spricht es tatsächlich Bände, dass Owen seine Beziehung mit Teddy bis jetzt nicht auf eine höhere Ebene gebracht hat, auch wenn ich es ziemlich altmodisch finde, dass das mit einem ausbleibenden Heiratsantrag von Seiten Owens belegt wird. Viel mehr wird das durch Owens Flirten mit der neuen Trauma-Chiurgin bewiesen. Wird aus diesem, sagen wir mal, Liebesfünfeck etwa noch ein Sechseck? Irgendwie kommt dabei (wieder mal) Owen am unsympathischsten weg.

Sympathisch ist dagegen der neuste Zugang der Serie, Cormac oder McWidow, wie Cristina ihn bereits getauft hat. Seine verschlossene, arrogante Art setzt gute Akzente und auf den ersten Blick wirkt er doch wie eine gute Partie für Meredith: Beide sind verwitwet und haben sich durch ihre Trauer verändert, beide haben Kinder und die Tatsache, dass die beiden die ganze Zeit aneinanderrasseln, gleichzeitig Cormac zugibt, dass Männer oft nicht wissen, wie sie mit Frauen reden sollen, deutet doch auf eine weitere Annäherung der beiden hin. Mich irritiert allerdings, dass McWidow explizit als Cristinas Geschenk an Meredith dargestellt wird. Zwar finde ich es großartig, wie zurzeit immer wieder subtil Merediths und Cristinas anhaltende Freundschaft thematisiert wird, dennoch bin ich wegen der Logistik des Geschenks verwirrt. Woher kennt Cristina Cormac und hat er durch sie seine Stelle im Krankenhaus bekommen? Hat er sie nur bekommen, weil Cristina für Meredith einen Freund wollte? Und ist sich Cormac diesbezüglich im Klaren? Hier bräuchte ich dringend ein paar Erklärungen.

Generell deuten die Zeichen aber sehr deutlich auf ein Liebesdreieck, schließlich wird Andrew hier immer noch ein Wörtchen mitzureden haben. Ich finde es generell mehr als unfair, dass man Andrews Wunsch, von Meredith respektiert zu werden, so runterspielt. Klar, Meredith ist eine großartige Ärztin und ein sehr toller Mensch, aber ihre undankbare und arrogante Art Andrew gegenüber in den letzten Folgen (die zwar verständlicherweise Resultat ihrer Unsicherheiten und Vertrauensprobleme ist) hätten mich an Andrews Stelle auch schlecht fühlen lassen. Deswegen kann ich es einfach nicht gutheißen, wie Link und Nico nun Andrews Bedürfnisse kleinreden und ihm einreden, dass er sich wie eine Dramaqueen verhalten hat. Klar, vielleicht hätte es keine Beziehungspause sein müssen, aber warum darf Andrew nicht sagen, wenn er sich schlecht behandelt fühlt?

Eine Storyline, die mich hingegen komplett fesseln und überzeugen konnte, stellte die Geschichte um Maggie dar. Vor kurzem hatte ich noch den Eindruck, dass Maggies Storyline sich darauf beziehen würde, dass sie in der Chirurgie ihre große Liebe findet, nun wird jedoch auch dieses Herz gebrochen. Maggies Abwärtsspirale, die mit dem Verlust von Sabi begann, führt nun dazu, dass sie von Selbstzweifeln und Ängsten eingeholt wird und im OP die Nerven verliert. Abermals darf sich Kelly McCreary von ihrer besten Seite präsentieren und eine Maggie darstellen, die immer mehr Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten verliert und dabei zusehends vereinsamt. Maggies Kündigung ist dabei nur die logische Konsequenz. Diese Storyline hat meines Erachtens nach großes Potenzial und lässt diesen Charakter, der sich vor allem über sein chirurgisches Talent definiert hat, zu den momentan spannendsten der Serie werden.

Kurze Eindrücke

  • Ironisch ist es ja schon, dass ausgerechnet Owen und Webber, beide Fremdgänger in der Vergangenheit, sich gegenseitig vor Untreue warnen. Webbers Storyline wird für mich immer uninteressanter, niemand wirkt hier wirklich mehr im Ansatz sympathisch.
  • Das wiederkehrende Element einer Person, die eine schwere Entscheidung mit ungeahnten Konsequenzen trifft und dafür ausgeschlossen und gemobbt wird, hat mir in der Vergangenheit schon nicht gefallen (siehe zum Beispiel April in der Minnick-Geschichte) und dass es jetzt den armen Levi trifft, finde ich echt ungerecht. Immerhin hat er Nico, der ihm zur Seite steht.
  • Kommt es nur mir so vor oder ist Justin Chambers in dieser Staffel vergleichsweise wenig zu sehen? Obwohl Alex in großen Storylines involviert war/ist, er selbst als Person wird zurzeit wenig thematisiert. Merkwürdig.
  • Ich mochte den Patientenfall von Maggie ja sehr gerne, der war sehr gut und ausdifferenziert dargestellt. Die Szene mit dem Vater vor der Baby-Intensivstation hat mich außerdem stark an Callies erste Begegnung mit Sofia erinnert.
  • Und wenn ich bereits glaube, Amelia könnte mir nicht noch sympathisch werden, da erklärt sie einfach mal den Unterschied zwischen “gender“ und “sex“. Genial.

Fazit

Entschuldigt bitte die Länge dieser Review, es ist einfach wahnsinnig viel in dieser Folge passiert. Das meiste überzeugt mich dabei, vieles irritiert mich jedoch und lässt mich gespannt und nervös zurück – also genau das, was ein Winterfinale verursachen sollte.

Lux H. - myFanbase

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