Bewertung

Review: #20.02 Zusammenhalt

Foto: Alexis Floyd, Grey's Anatomy - Copyright: Disney/Nino Muñoz
Alexis Floyd, Grey's Anatomy
© Disney/Nino Muñoz

Es war schon immer ein Hauptmotiv in "Grey's Anatomy", dass Familie mehr ist als nur Blutsverwandtschaft. Seien es nun "klassische" Familien, Freundschaften, "die Person", verschiedenste Patchwork-Varianten oder selbsternannte Schwestern – das Konzept "Familie" wurde stets facettenreich dargestellt und ist für mich nach wie vor eine der großen Stärken der Serie. Genau darum geht es auch in #20.02 Keep the Family Close, was mit etwas Witz und vielen emotionalen und tiefgründigen Szenen punkten kann.

Nachdem in der letzten Folge Bailey ihre große Rückkehr als Ausbilderin der Anfänger feiern konnte und da praktisch nur noch der Superhelden-Umhang gefehlt hat, der um ihre Schultern weht, war ich schon sehr gespannt, wie es denn nun weitergeht. Wir kennen ihre Lehrmethoden ja nun seit vielen Jahren: Struktur, Grenzen, Tough Love, wie sie schon selbst recht passend zusammenfasst. Ein etwas militärischer Hauch, der jedoch zweifelsohne auch seine Erfolge hatte. Von dem her fand ich ihren Grundgedanken, dass die Assistenzärzte erst einmal die Grundlagen wiederholen und festigen, bevor sie sich wieder an Operationen beteiligen, gar nicht so verkehrt. Gleichzeitig ist das natürlich automatisch ein Setup, das dazu einlädt, die Liste irgendwie möglichst schnell abzuhaken, um wieder einen OP von innen zu sehen. Da braucht sich Bailey also nicht wundern, wenn Konkurrenzkampf entsteht und Patienten mit 'nützlichen' Eingriffen bevorzugt werden. Schließlich ist der Sinn ihrer Ausbildung ja, am Ende Chirurg zu werden. Ich kann also Winston komplett zustimmen, der Bailey da offen Kontra gibt und meint, dass man im OP viel mehr lernen könnte. Es wäre doch viel sinnvoller, beide Ansätze zu verbinden: Die Anfänger bekommen weiterhin Zugang zum OP (vielleicht erst einmal nur in der Zuschauerrolle oder für Kleinigkeiten) und arbeiten parallel ihre Liste ab – aber ohne den Operationssaal als Belohnung am Ende.

Mein persönliches Highlight der Folge war das Gespräch zwischen Bailey und Ben am Ende des Tages. Ihre Selbsterkenntnis, dass sie sich selbst verändert hat, dass sie zu viel gesehen und gefühlt hat, um dieselbe Rolle darzustellen wie früher, war echt ergreifend. Und ich kann Ben da zu hundert Prozent zustimmen: Sie hat sich zum Besseren verändert. Denn die alte Bailey hätte es mit ihrem Stolz nicht vereinbaren können, dass Winston sie offen kritisiert. Sie hätte vermutlich auch nicht so schnell erkannt, dass sie hier andere Wege einschlagen muss, sondern hätte ihr Ding noch weiter durchgezogen und wäre dabei auch sehr beleidigt und eingeschnappt gewesen. Toll, dass das nun nicht mehr der Fall ist! Dass ihr der Job nach wie vor am Herzen liegt, das ist offenkundig. Ich bin schon gespannt, was sie nun ändern wird.

Obwohl die Assistenzärzte nicht operieren durften, hatten sie alle einen ereignisreichen Tag. Simone schafft es erst einmal, richtig ins Fettnäpfchen zu treten, indem sie Dante gegenüber mit einer Diagnose herausplatzt, die dieser noch gar nicht kannte. Blöd gelaufen, denn sie kann ja nicht wissen, dass er es eben noch nicht weiß. Gleichzeitig wäre gerade bei so einer Diagnose wie HIV vielleicht etwas mehr Feingefühl angebracht gewesen. Immerhin konnte das ganze relativ schnell von Levi ausgebügelt werden, der dabei auch gleich noch mit Dante flirten darf.

Viel unschöner war da Simones Umgang mit Lucas. Seit den Geschehnissen rund um ihre nicht-stattgefundene Hochzeit schienen sich die beiden in einer etwas unangenehmen und peinlichen Pause zu befinden. Irgendwas ist da definitiv zwischen den beiden, aber was genau, das will keiner so recht benennen. Wobei Lucas ja zumindest versucht, ihren Beziehungsstatus aktiv anzusprechen. Simone wiederum lässt ihn da schon abblitzen, später kommt er ihr aber wieder als Ablenkung nach ihrem Fauxpas bei der Arbeit ganz gelegen. Es ist also nicht wirklich eine Überraschung, dass die beiden gegen Ende der Folge erst einmal getrennte Wege gehen. Für Simone ist es auf jeden Fall der richtige Schritt, sich erst einmal auf sich selbst und die Arbeit zu konzentrieren. Trotzdem kann ich Lucas hier vollkommen verstehen, der aufgebracht ist und Simone vorwirft, nur an sich selbst zu denken. Immerhin hat er ihr seine Gefühle gestanden und hat brav abgewartet, damit sie Zeit zum Nachdenken hat. Und jetzt endet er doch nur als Ablenkung, die sie gerade nicht brauchen kann?

Während Jules nach dem stressigen Tag mit der Großfamilie durch den MVP-Pokal wohl das glücklichste Ende bekommen hat, scheint Blue am meisten mitgenommen zu haben. Er wird ja immer gerne als eher emotionslos und knallhart dargestellt, auch dieses Mal wieder, als er recht pragmatisch die Wiederbelebung am vermeintlich toten Patienten üben möchte. Hier konnte Bailey aber bereits wirkungsvoll eingreifen, als sie ihm und Lucas vorhält, die Patienten nicht nur als Eingriffs-Möglichkeiten zu sehen, sondern als menschliche Wesen. Bei seinem anschließenden Gespräch mit den Eltern des jungen Mannes konnte Blue dann auch beweisen, dass er auch ganz anders kann. Das war vollkommen professionell und doch auch einfühlend. Ebenso, als er das Geld, das Lucas irgendwo liegenließ, für ihn sicher aufgehoben hat, anstatt ihn auflaufen zu lassen.

Mika muss derweil Babysitterin für Teddy spielen. Nachdem sie erstmal gute Miene zum bösen Spiel macht und sich von Teddy herumkommandieren lässt, um nach deren Patienten zu schauen, platzt ihr dann, ähnlich wie zuvor gegenüber Jo, doch noch der Kragen. Ansprachen sind ab jetzt wohl Mikas Ding, denn erneut trifft sie mit ihren Anschuldigungen genau ins Schwarze und hält Teddy dazu an, der Realität ins Gesicht zu blicken. Verständlich, da sie es ja auch war, die Teddy damals im OP am Leben gehalten hat, bis die anderen Ärzte dazugekommen sind. Da ist Teddy sicher nicht die Einzige, die von ihrem Nahtoderlebnis gezeichnet ist. Gut gefallen hat mir hier auch das Gespräch zwischen Owen und Teddy, der sie wieder erdet und davon überzeugt, an ihrer Gesundheit zu arbeiten, weil sie das kontrollieren kann.

Irgendwie fand ich die kleine Nebenstory von Link und Jo dieses Mal etwas merkwürdig. Link, der erst beim Kaffeeverkäufer eifersüchtig reagiert und Jo dann noch an irgendwelche solche Vorfälle erinnert, die vor Ewigkeiten passiert sind. Das Ganze wurde dann als romantisch aufgebaut, weil er sich ja an alles erinnert, was die Personen angeht, die er liebt, was ich jedoch eher als das absolute Gegenteil bezeichnen würde. Man muss doch noch netten Smalltalk mit dem Barista haben können, ohne darauf angesprochen zu werden. Naja, Jo scheint das nicht weiter zu stören und sie kontert daraufhin mit einem tatsächlich echt süßem Abendessen samt Anekdote an ihre frühere gemeinsame Zeit im Meeresfrüchte-Restaurant.

Fazit

Auf die Vergangenheit blicken, um etwas an seiner Zukunft zu ändern – das ist manchmal gar nicht so leicht. Es bedarf an Selbstreflexion, gutem Rat von anderen und der Stärke, die eigenen Fehler zu erkennen, einzugestehen und an ihnen zu arbeiten. Teddy musste lernen loszulassen und ihre Prioritäten anders zu setzen. Bailey hat gemerkt, dass ihre altbewährten Methoden nicht mehr zu der Person passen, in die sie sich inzwischen entwickelt hat und dass sie nun umdenken muss. Bei den Assistenzärzten konnte jeder seine ganz eigene Lehre ziehen; sei es, sich selbst voranzustellen, Gefühle zuzulassen oder die Siege zu feiern, die man bekommt.

Denise D. - myFanbase

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