Review: #17.06 Keine Zeit für Verzweiflung
Bei "Grey's Anatomy" ist die Zeit für das Winterfinale gekommen. Dafür, dass wir die Serie erst einmal in eine dreimonatige Pause verabschieden, empfand ich die Episode recht eindruckslos. Nicht, dass nicht einiges passiert wäre, und auch einige gute Charaktermomente gab es zu sehen – trotzdem haben mir hier einfach die Plottwists und sonstigen Highlights gefehlt, die einen voller Anspannung auf das Ende der Pause hinfiebern lassen.
Im Auge des Sturms
Ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der Folge ist Meredith, die sich endlich von ihrem Traumstrand verabschiedet und aufwacht. Das war für alle Beteiligten ein dringend benötigter Hoffnungsschimmer in all dem Tod und der Aussichtslosigkeit, die sie umgibt. Bei Tom sieht es glücklicherweise ähnlich aus. Ich hatte ihn zwischenzeitlich schon fast abgeschrieben, vor allem nachdem er aber auch von allen Seiten nur Negatives abbekam. In dieser Episode scheint sich das Blatt aber wohl gewendet zu haben, denn auf einmal besinnt man sich wieder auf die Charakterzüge von Tom zurück, die um einiges sympathischer sind. Wir bekommen zu sehen, wie er ehrlich betroffen über den Tod seines Zimmernachbarn ist. Und zwar nicht nur, weil der die gleiche Krankheit hat, sondern wegen dessen Familie, die er zurücklässt. Dann ist da noch sein Gespräch mit Meredith, dem man deutlich anmerkt, wie froh beide sind, einfach mal an etwas anderes denken zu können und kurz abzuschalten.
Soviel zu den positiven Punkten. Mit um einiges gemischteren Gefühlen habe ich dann den Rest von Merediths spontanen Besserung verfolgt. Denn egal, was für eine tolle Ärztin Meredith auch sein mag, ich kann mir nicht vorstellen, dass man nach gut einer Woche, in der man bewusstlos mit COVID im Krankenbett gelegen hat, derart problemlos aufspringt, ins andere Zimmer rennt und dort eine Patientin wiederbelebt. Dramatisch ja, glaubwürdig nein. Auf jeden Fall ist sie am Ende der Folge noch schlechter dran als zuvor: Wieder bewusstlos, nur dieses Mal auch noch an der Lungenmaschine. Als letzter Ausweg. Definitiv kein gutes Omen, wobei es dabei bleibt, dass Meredith nun mal die Hauptfigur der Serie ist und damit eigentlich ja sicher. Eigentlich.
Die nächste größere Storyline waren die entführten jungen Frauen, die in der Parallel-Episode von "Seattle Firefighters" aus einem brennenden Haus gerettet wurden. Allzu spannend fand ich die Geschichte nicht, vielleicht fehlte mir da aber auch der persönliche Bezug, der in der anderen Episode aufgebaut wurde. So war es für mich nur einer von vielen Patientenfällen, bei dem die jungen Patientinnen auch keinen allzu großen Eindruck hinterlassen konnten. Interessanter war da schon der Entführerring dahinter. Der Entführer an sich war nichts Neues – schon oft mussten die Ärzte Patienten retten, die schlimme Dinge getan hatten. Das ist sicher unschön, aber nun mal Teil des Berufs, wie Amelia es eben auch gesagt hat. Die Dame jedoch, die sich ebenfalls ins Krankenhaus geschlichen hat, war da um einiges spannender. Von Anfang an hat man gemerkt, dass da irgendwas so gar nicht stimmt. Ich muss gestehen, dass ich sie nicht wiedererkannt hatte. Sobald der Flashback kam, war aber klar, wer sie ist und was ihr Auftauchen bedeutet. Diese Geschichte wird nun also wieder aufgegriffen und hat einiges an Potential. Vor allem, nachdem Andrew wieder voll im Leben steht und dafür auch so deutlich von Bailey gelobt wurde. Jetzt, wo Andrew Opal am Ende der Folge entdeckt hat und ihr mit Carina hinterher ist, bin ich natürlich gespannt, wie es weitergeht.
Nachdem Teddy in der letzten Folge fast so etwas wie einen guten Moment mit Tom hatte, nervt sie mich jetzt wieder einfach nur. Erst geht sie völlig unprofessionell Taryn Helm an und dann sind wir wieder beim üblichen Selbstmitleid. Da hat es mich echt gefreut, dass Richard sie gleich damit abgeblockt hat, dass es ihre eigene Schuld war. Denn auch wenn ich glaube, dass Teddy ihre Aktionen der Vergangenheit wirklich bereut, ändert das nun mal nichts an der Tatsache, dass es geschehen ist und sie nun damit leben muss. Owen bei dieser Gelegenheit über ihre Verbindung mit Allison aufzuklären ist zwar immerhin ein ehrlicher Schritt gewesen, erneut braucht sie sich aber nicht wundern, wie Owen darauf reagiert. Ich hatte schon fast befürchtet, dass sein freundliches Verhalten ihr gegenüber der erste Schritt zu einer Versöhnung ist, aber nach seiner heutigen Reaktion gehe ich davon aus, dass die beiden wohl endgültig Geschichte sind.
Ähnlich kritisch sehe ich Jos plötzliche Idee, ihre Karriere zu wechseln. Irgendwie wirkt das alles wie eine Flucht in das Schöne, in die "Freude", wie sie es ausdrückt. Natürlich ist nichts verwerflich daran, etwas Schönes im Leben tun zu wollen, trotzdem hatte sie all die Jahre so viel Freude an der Chirurgie und allem, was damit zu tun hat, dass ich diesen Richtungswechsel gerade einfach merkwürdig finde. Noch dazu in all dem Trubel, der gerade im Krankenhaus abläuft.
"Pretty soon we're going to start losing our own. Not to the disease but to the toll it's taking."
Wie schon gesagt, große Cliffhanger gab es in dieser Episode nicht. Wohl aber eine beunruhigende Anmerkung von Richard inmitten der umfunktionierten Cafeteria. Dass sie bald ihre eigenen Leute verlieren würden, und das nicht wegen COVID. Der Hauptfokus dieser Staffel war bis jetzt die Krankheit an sich. Wie sich das Krankenhaus verändern musste. Wie viele Patienten dort ankommen und sterben. Wie Angehörige sich nicht von ihren Lieben verabschieden konnten und Familien getrennt werden. Wie die Krankheit besonders auch POCs betrifft. Wie selbst so unerschütterliche Charaktere wie Meredith Grey ihr zum Opfer fallen können. Es war und ist die große Stärke dieser Staffel, einerseits, weil eine Krankenhaus-Dramaserie nun mal einfach genau am Zentrum des Geschehens ansetzen kann, andererseits aber auch, weil man selbst als Zuschauer auf ungewohnt starke Art und Weise selbst in die Storyline involviert ist.
Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass durch die Fokussierung auf die Coronakrise die Storylines der Charaktere zurückstecken mussten. Richards Kommentar lässt mich nun aber vorsichtig hoffen, dass man den Schwerpunkt der Erzählperspektive etwas verlagert. Weg von der Krankheit an sich und hin zu den eher passiven Corona-Konsequenzen: Der Isolation, der Überforderung und Traumatisierung, die die Ärzte tagtäglich erleben, der allgemeinen Unsicherheit was denn die Zukunft bringt. Vielleicht läuft es also darauf hinaus, dass wir weder Meredith noch Tom an Corona verlieren, sondern stattdessen einen der anderen Charaktere auf ganz unerwartete Art und Weise.
Fazit
Die Episode hat einige neue Storylines losgetreten, die womöglich in der nächsten Staffelhälfte eine größere Bedeutung haben werden. Meredith bleibt wohl ohne Zeitsprung erst einmal weiterhin ans Krankenbett gefesselt. Eine Wiederversöhnung von Owen und Teddy scheint ferner denn je. Dafür könnte Maggie vielleicht endlich mal etwas mehr Glück in Liebesdingen haben, nachdem Winston vor ihrer Tür aufgetaucht ist (bedeutet das, dass wir vielleicht auch einen neuen Arzt dazugewinnen?). Die DeLucas sind auf eigene Faust einem Entführerring auf der Spur, was nun entweder recht unspektakulär im Sand verlaufen kann oder aber das Potential für eine spannende Geschichte hat. Über all den Ereignissen schwebt Richards Warnung mit dem drohenden Verlust von einem der ihren. Wirklich stark mitreißen konnte mich jetzt keine der Storylines, allerdings bin ich gespannt, ob man den Schwerpunkt wieder mehr auf die Figuren und ihre Geschichten verlagern wird. Denn so realitätsnah, emotional und wichtig die Thematisierung auf die Pandemie auch ist, so sollte auch der (noch dazu sehr große) Cast dabei nicht vernachlässigt werden.
Denise D. - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: No Time for DespairErstausstrahlung (US): 17.12.2020
Erstausstrahlung (DE): 02.06.2021
Regie: Pete Chatmon
Drehbuch: Felicia Pride
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