Bewertung

Review: #11.24 Die Zeit steht still (2)

Foto: Chandra Wilson, Grey's Anatomy - Copyright: 2016 ABC Studios; ABC/Ron Batzdorff
Chandra Wilson, Grey's Anatomy
© 2016 ABC Studios; ABC/Ron Batzdorff

Was mussten wir in dieser elften Staffel nicht alles durchstehen? Mit der – scheinbar? – endgültigen Trennung von Callie und Arizona, dem Drama um Aprils Schwangerschaft und der Operation an Dr. Herman wurde uns fesselndes und hochemotionales Fernsehen geliefert. Das alles wurde nur durch den Tod von Derek Shepard überschattet, dem männlichen Hauptcharakter, der jahrelang die Serie geprägt hatte und auch in der einzigartigen Liebesgeschichte mit Meredith Grey überzeugte. So ließ sein Tod die meisten Zuschauer fassungslos und schmerzerfüllt zurück. Damit kann die elfte Staffel wohl zu den düstersten von "Grey's Anatomy" gezählt werden. Dieses Staffelfinale liefert allerdings einen komplett anderen Eindruck als die Staffel an sich ab: Anstelle von Entzweiung und Schmerz stehen Annäherung und Versöhnung im Vordergrund. Abgesehen von einer Ausnahme zeichnen sich deutlich positive Entwicklungen für die Figuren ab, die vielfach über sich hinauswachsen.

"The sun's gonna rise again."

Insbesondere Meredith macht charakterlich einen enormen Fortschritt und findet wieder zu ihrer altbekannten Stärke zurück. In meinen letzten Reviews habe ich sie oft für ihre fragwürdigen Entscheidungen kritisiert, wodurch sie mir suspekt wurde. Die Entscheidung, die Geräte bei Derek abzuschalten, ohne sich mit seiner Familie abzusprechen, geschweige denn ihnen den Abschied von Derek zu ermöglichen sowie die zwar charakterlich verständliche, aber unverantwortliche Flucht nach seinem Tod, haben Meredith in einem ungünstigen Licht dargestellt. So konnte ich mir bis zur letzten Folge und ihrem Zusammenbruch auch keinen wirklichen Eindruck von ihrer Verfassung und ihren Gefühlen verschaffen. Dies wandelt sich in dieser Folge zum kompletten Gegenteil. Endlich sehen wir wieder eine Meredith, die sich für andere einsetzt und ihnen Hoffnung in Krisen gibt, charakterlich stark ist und sich nicht unterkriegen lässt. So sorgt sie sich um Amelia und sieht ein, dass sie bei ihr einen Fehler gemacht hat: Sie wird sie weiterhin bei sich wohnen lassen und sie als Teil ihrer Familie einbinden. Dazu schenkt sie Amelia ihr Vertrauen und lässt sie Dereks letzte Voicemail anhören. Sie kümmert sich um Maggie und zeigt ihr, dass sie immer für sie da ist, da sie schon Schlimmeres überstanden hat. Sie bringt Catherine und Webber wieder zusammen, indem sie die beiden erinnert, wie selten und kostbar ihre Liebe füreinander ist (was übrigens für mich eine sehr bewegende Szene war). Und sie zeigt sich als vortreffliche Ärztin und bringt ihren Patienten Keith dazu, Hoffnung für seine OP zu haben. Nachdem mich Meredith zuletzt so irritiert hat, sorgen ihre Handlungen in dieser Folge dafür, dass sie mich wieder vollends überzeugt und präsentieren unsere Protagonistin in Höchstform! Das I-Tüpfelchen dabei? Natürlich das Einführen von Maggie und Amelia in das Austanzen! Ein wunderbar schöner Abschluss dieser durchwachsenen elften Staffel, ein Abschluss, der Hoffnung macht und mir ein Lächeln auf die Lippen gezeichnet hat. Meredith, die von Cristina als "Sonne" bezeichnet wurde, sagt selbst "The sun's gonna rise again." - und nach dieser Folge habe ich keinen Zweifel mehr daran!

Und das war wohl wahrscheinlich Patrick Dempseys letzter Auftritt in "Grey's Anatomy". Die Szene auf der Fähre hatte ich tatsächlich vergessen und war hier sehr positiv überrascht, dass man sie eingebunden hat. Im Grunde genommen ist es auch nichts Besonderes, was Derek sagt – keine hochtrabenden Worte, keine philosophischen Einsichten, wie sie uns beispielsweise Owen in der vorletzten Folge #11.22 Spurlos verschwunden geliefert hat. Doch für Meredith und Amelia ist es einfach seine Stimme, verbunden mit einem Liebesgeständnis an seine Familie, weswegen diese Voicemail eine besondere Bedeutung hat. Und genauso werde von nun an auch ich Derek in Erinnerung behalten – als Familienmensch, als Merediths Ehemann und als Amelias Bruder. Dazu erinnert auch Meredith an die große Liebe ihres Lebens, indem sie ihr gemeinsames Haus, das Haus, das sinnbildlich für ihre Liebe ist und das Derek alleine für sie gebaut hat, als Location für Webbers und Catherines Hochzeitsparty benutzt. Somit ist es voller Leute und laut – genau das, was Derek immer wollte. Als letzte Szene des Traumhauses hätte ich mir keine bessere Szene wünschen können.

Annäherungen

Wie ich bereits erwähnt habe, steht die Folge auch im Sinne von Annäherung und Versöhnung. Die Hochzeit von Catherine und Webber repräsentiert dies deutlich. Dieser "Clash of the titans", wie Jackson den Konflikt so schön bezeichnet hat, hat mich erneut ziemlich genervt. Doch dank Meredith haben die beiden sich ja zusammengerissen und sind sich endlich über grundlegende Regeln in ihrer Beziehung einig geworden. Ein Fan dieses Paares werde ich wohl nie werden, aber für Webber freut mich dieses Glück richtig.

Auch Jo hat mich eher genervt als begeistert, aber ihre Wut über Alex' Entscheidungen über ihren Kopf hinweg ist durchaus nachvollziehbar. Alex selbst gefällt mir wieder mehr in dieser Folge: Er macht Jo deutlich, dass er sein Leben mit ihr führen möchte, gleichzeitig will er immer noch für seine beste Freundin Meredith da sein. Dass Jo sich schlussendlich gegen die Army entscheidet und für ein Apartment mit Alex, ist ein Zeichen, dass auch ihre Zukunft in der Beziehung mit Alex liegt. Dazu macht sie ihm ein erstes Liebesgeständnis. Na, das ist doch mal was. Das freut mich aber eher für Alex; Jo hingegen ist mir wieder unsympathischer geworden. Dennoch ist das eine positive Entwicklung für die beiden – vielleicht folgt in Staffel 12 die Hochzeit?

Die Annäherung, die mir am besten gefallen hat, war die zwischen Owen und Amelia. Amelias Vorbehalte gegenüber einer Beziehung, die Privatleben und Job vermischt, sind bereits bekannt, aber die gemeinsamen Szenen mit Owen haben deutlich gezeigt, wie stark die Gefühle der beiden mittlerweile füreinander sind. Insbesondere als Amelia den privaten Moment der Voicemail mit Owen teilen wollte und ihn dabei brauchte, zeigt deutlich, wie viel sie einander bedeuten. Ich mag die beiden zusammen sehr und freue mich auf sie als Paar in der nächsten Staffel!

Entzweiung

Die einzige Storyline, die die positive Stimmung dieser Folge etwas trübt, findet zwischen April und Jackson statt. Nicht nur Bailey ist aufgefallen, wie sehr sich April mittlerweile geändert hat, auch ich bin immer mehr begeistert von dieser neuen April. Sie war komplett in ihrem Element, hat alles ins Rollen gebracht und Keiths komplette Behandlung angeleitet. Kurz um: Sie war eine großartige Ärztin. Für Jackson ist diese Entwicklung von April allerdings ein Stich ins Herz. April wurde durch ihre Arbeit in Jordanien geheilt, hat ein Ventil für ihre Trauer gefunden und somit Samuels Verlust überstanden. Wie er es selbst sagt: Sie hat ihr Licht wieder gefunden. Er jedoch wurde von ihr zurückgelassen und musste seine Trauer alleine bewältigen, ohne ihre Hilfe und ist, wie wir gesehen haben, oft daran verzweifelt. Dieses Ultimatum ist für ihn wohl der einzige Schritt, um April zu zeigen, wie sehr ihr Verhalten ihn verletzt hat: Sie hat sich eigentlich nicht wirklich um ihn geschert, hat nie realisiert, dass Jackson ebenfalls gelitten hat und hat sich nur mit ihrer eigenen Heilung befasst. Damit ist es verständlich, dass es für Jackson ein Trennungsgrund ist, wenn April nach Jordanien zurückkehren würde. Es ist aber auch schwierig, April Vorwürfe zu machen, da die Arbeit im Kriegsgebiet ihr tatsächlich geholfen hat und man verstehen kann, dass sie wieder an den Ort ihrer Heilung zurückkehren möchte. Ich kann sowohl Jackson als auch April verstehen, hätte aber eine ganz einfache Lösung für die beiden parat: Warum gehen die beiden nicht einfach zusammen nach Jordanien? Vielleicht würde diese Arbeit auch Jackson helfen? Für April ist diese Situation mehr als schwierig – ihr eigenes Wohlbefinden gegen ihre Ehe, wie wird sie sich wohl entscheiden? Ich bin sehr gespannt, was auf die beiden zukommt.

Kurze Eindrücke

  • Im Laufe dieser Staffel ist Maggie mir sehr ans Herz gewachsen und diese Folge hat mir auch wieder bewiesen, warum: Ihre süße und dorky Art, als sie ihre emotionalen Ausbrüche zu kontrollieren versuchte ("Don't look at me, ignore me.") war einfach nur witzig! Dazu war für mich ihr Geständnis, nie wirklich Verluste erlebt zu haben, eine Erleichterung: Somit wird eine Antithese zu Meredith aufgestellt und gezeigt, dass jeder Mensch anders an Krisen gewöhnt ist. Die schwesterliche Beziehung der beiden überzeugt mich mittlerweile auch vollends und stimmt mich hoffnungsvoll auf die zwölfte Staffel!
  • Bailey als Chief? Ich weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll. Bailey hatte auch in dieser Staffel Aufs und Abs und obwohl diese Folge uns mehr ihre Aufs präsentiert hat, schrecken mich ihre Abs eher ab. Daher bin ich hier eher skeptisch.
  • Keiths und Joans Fall wurde – Gott sei Dank! – erfolgreich abgeschlossen und hat mich abermals berührt. Bezeichnend für die Verbindung der beiden war einfach, dass der Gedanke an Keith Joan Kraft für ihre OP gab, während ihr gemeinsames Baby ihm die Kraft gab. Dazu wurde Keith mir wahnsinnig sympathisch durch seine Vertrautheit Meredith gegenüber und er hatte einige grandiose One-Liner: "How do you feel?" – "Popular".
  • Als Ärztin ist Stephanie grandios, als Lehrerin muss sie noch einiges lernen; das erinnert mich ziemlich an die Anfänge von Meredith und Co. als Lehrer. Baileys Ansprache "Raise your ducklings" kam da gerade richtig und hat Stephanie den Kopf gewaschen. Ich nehme aber fest an, dass Stephanie diese Rolle bald schon großartig ausfüllen wird.
  • Ihre Anfänger hingegen überzeugen nicht wirklich. Leider sehen wir kaum was von dem aufmerksamkeitserregenden DeLuca, dafür mehr von einer gewissen Shaw. Ernsthaft?! Die war zu doof, einen Aufzug aufzuhalten. Hier hoffe ich wirklich, dass wir sie bald nicht mehr sehen müssen.
  • Ich bin immer noch überrascht, wie entspannt und freundschaftlich Callie und Arizona mittlerweile miteinander umgehen. Arizona ermuntert Callie sogar zum Daten! Diesen Umgang können die beiden gerne beibehalten.
  • Bei Merediths Worten an Jackson "Welcome to the family" musste ich sehr lachen. Webber ist nun Jacksons Stiefvater und Maggie damit auch seine Stiefschwester. Vielleicht werden Jackson und Maggie ebenfalls eine Freundschaft unter Geschwistern entwickeln?

Fazit

In dieser letzten Folge der elften Staffel wird uns nun Patrick Dempseys – vermutlich – letzter Auftritt gezeigt und dennoch werden neue Impulse geboten. Diese letzte Folge zeigt, wie nahe Schmerz und Glück nebeneinander liegen, wie eng die Grenze zwischen Annäherung und Entzweiung liegt und hinterlässt den Zuschauer mit einem beinahe unwirklichen Gefühl, dass alles wieder besser werden kann. "The sun's gonna rise again" - genau wie Meredith werden wir auch wieder Glück und Frieden mit der Serie "Grey's Anatomy" verbinden können. Das stimmt zuversichtlich für die kommende zwölfte Staffel. Vielleicht wird diese ein bisschen leichter und ruhiger werden.

Lux H. - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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