Review: #4.01 Bluthochzeit
Eine neue Staffel = ein neuer Anfang?! Irgendwie schon, aber irgendwie auch wieder nicht… Das Ende der dritten Staffel schuf ideale Voraussetzungen, um "Homeland" einen neuen Anstrich zu verpassen. Schließlich starb mit Brody eine der zentralen Hauptfiguren, um die sich bislang alles in der Serie drehte. Es war also zu erwarten, dass sich einiges ändern würde. Aber ganz so neu und anders wirkte zumindest der Staffelauftakt dann doch nicht. Und das war gut so.
"What the hell is wrong with you?"
Das möchte man sich, wenn es um Carrie geht, im Prinzip die ganze Folge über fragen. Dass Carrie sich nicht mehr in Washington befinden, sondern einen Job in Kabul annehmen würde, wurde bereits im Vorfeld der Staffel bekannt. Was der Job jedoch beinhaltet, hat erst der Staffelauftakt so richtig gezeigt. Sie gibt das Kommando, wenn Anschläge auf mutmaßliche Terroristen verübt werden sollen. Sie befiehlt also den Tod anderer Menschen. Dabei wirkt sie – jedenfalls nach außen – härter, tougher als früher. Ungeachtet ihrer Bedenken richtet sie sich voll und ganz nach den Anweisungen von Sandy Bachman und begeht damit dieses Mal einen Fehler. Denn nicht nur der Terrorist wird getötet, sondern auch eine unschuldige Hochzeitsgesellschaft. Die CIA ist natürlich auf gute alte Lockhart'sche Manier bestrebt, diesen Schlamassel unter den Tisch zu kehren und die Geschichte zu ihren Gunsten zu drehen. Und eigentlich untypisch für sie, spielt Carrie mit. Trotzdem scheint sie innerlich mit ihrer Situation und ihren neuen beruflichen Aufgaben zu hadern. Ihre Schwester würde sie viel lieber im sicheren Istanbul wissen, wo sie gemeinsam mit ihrer Tochter leben könnte. Auch Quinn fragt sie, warum sie überhaupt in Kabul sei. Geld und Action, lautet ihre eigenartige Begründung. Die Fassade bröckelt nur in einzelnen Momenten, etwa wenn der den Angriff ausführende Leutnant sie als Monster beschimpft. Fast scheint es, als würde Carrie vor ihren Sorgen flüchten oder sich sogar für irgendetwas bestrafen. Möglicherweise dafür, dass sie Brody nicht retten konnte? Wirklich sie selbst scheint sie momentan jedenfalls nicht zu sein.
"It's not your job anymore."
Mehr er selbst als es ihm und vor allem Mira lieb wäre, ist derweil Saul. Die ganzen ersten drei Staffeln über stand seine Beziehung zu Mira auf der Kippe, weil er eher eine Ehe mit seiner Arbeit statt mit ihr zu führen schien. Erst Beruf, dann Privatleben, so Sauls Devise. Am Ende der vorherigen Staffel kehrt er der CIA den Rücken, um endlich mehr Zeit für Mira zu haben. In Staffel 4 ist davon Fehlanzeige. Er arbeitet als privater Berater für das Pentagon und ist in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. So verpasst er ein für Mira wichtiges Abendessen und will sich auch hinsichtlich eines permanenten Umzugs nach New York nicht festlegen. Schließlich müsse man sich alle Optionen offenhalten. Mit seiner neuen, passiveren Rolle – beruflich wie privat – scheint sich Saul also nicht wirklich anfreunden zu können. Nach so vielen Jahren bei der CIA ist das auch nur schwer vorstellbar. Es wäre ziemlich eigenartig, wenn die Serienmacher eine wichtige Figur wie Saul einfach so in Rente schicken würden. Interessant ist allerdings, in welche Richtung seine Geschichte nun gelenkt wird. Dass seine Ehe nicht die stabilste ist, wurde bereits zu Genüge erzählt. Und genug ist genug – sicherlich auch für Mira.
"It's politics. I want no part of it."
Wer weiß, wie lange Aayan diese Einstellung noch vertreten kann. Als neuer Charakter wird er als einer der wenigen Überlebenden des Raketenangriffs eingeführt. Ein junger, pakistanischer Medizin-Student, der Englisch spricht, gebildet ist und alles in allem ziemlich vernünftig, um nicht zu sagen ziemlich normal wirkt. Obwohl bei dem Anschlag seine gesamte Familie getötet wird, scheint er trotz seiner anfänglichen Wut keine Rachegelüste gegenüber den Amerikanern zu verspüren. Sein Mitbewohner versucht ihn erfolglos aufzustacheln und stellt ungefragt ein Video der unbeschwerten Hochzeitsgesellschaft online. Aayan befürchtet jedoch, dass dieses zu ihm zurückverfolgt werden könnte und will deshalb, dass es aus dem Netz genommen wird.
Es ist gut möglich, dass Aayan im Verlauf der nächsten Episoden eine wichtigere Rolle spielen wird und sich nicht mehr ohne Weiteres aus allem heraushalten kann. Was "Homeland" hier jedoch macht, ist, was "Homeland" immer schon gut konnte: Die Serie zeichnet kein klischeebehaftetes Schwarz/Weiß-Bild ("wir die guten Amerikaner, ihr die bösen Terroristen"), sondern es rückt, wie auch schon bei Brody, den Menschen in den Vordergrund – ganz egal, welcher Nationalität oder Religion er angehört. Beleuchtet werden die Hintergründe, die einen Menschen dazu bringen, zu handeln, wie er handelt. Seine Motivation wird verdeutlicht. Es gibt nicht gut und böse, schwarz oder weiß – stattdessen jede Menge Grautöne. Durchaus vorstellbar also, dass auch Aayan im weiteren Staffelverlauf eine spannende Entwicklung durchläuft und nicht mehr ganz so unschuldig bleibt. Potential für eine tolle Geschichte ist reichlich vorhanden. Und darüber hinaus würde sich die Serie damit einer Thematik widmen, die zum aktuellen Zeitgeist nicht besser passen könnte.
"Give me a goddamn minute!"
Eine Minute zum Durchatmen brauchte man definitiv. Mehr als eine. Was für ein Ende! Die Folge plätscherte mehr oder weniger vor sich hin, war nicht schlecht, aber auch nicht überragend – bis zu den letzten zehn Minuten.
Zuerst der nicht ganz durchschaubare Sandy, der offenbar einen geheimen Kontakt hat, mit dem er sich "off-campus" trifft (wer auch immer dieser Kontakt sein mag). Und dann werden er, Quinn und Carrie von einem wütendem Mob im Auto angegriffen. Fensterscheiben werden zerstört, Schüsse fallen und dann wird Sandy doch tatsächlich aus dem Fahrzeug gezerrt. Es wird auf ihn eingeschlagen und Quinn und Carrie können nichts anderes tun, als die Flucht zu ergreifen. Ästhetisch besonders gut gelungen ist dabei die anschließende kurze Autofahrt von Quinn und Carrie durch die Straßen Islamabads. Der Schock steht ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Dem Zuschauer geht es in diesem Moment nicht anders. "Homeland" wusste immer schon, wie man spannungsgeladene Momente erzeugt und dafür sorgt, dass das Publikum seinen Augen nicht traut. Und genau einen solchen Moment hat #4.01 The Drone Queen mit dieser Szene geboten.
"Fazit"
Neue Charaktere, neues Setting. Aber "Homeland" ist zum Glück immer noch "Homeland". Die Serie weiß genau, dass im Storytelling und der aktuellen thematischen Brisanz ihre Stärken liegen. Der Staffelauftakt hat erahnen lassen, in welche Richtung sich die Geschichte in den kommenden Episoden weiterentwickeln könnte. Brody hat man dabei nicht wirklich vermisst. Liegen könnte das daran, dass weite Teile der dritten Staffel bereits auf eine Brody-lose Handlung vorbereitet haben. Dass nun nicht mehr alles auf ihn fokussiert ist, gibt der Serie hoffentlich frischen Wind, mit dem die Macher umzugehen wissen. Gute Grundlagen wurden auf jeden Fall gelegt.
Franziska G. - myFanbase
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Drone QueenErstausstrahlung (US): 05.10.2014
Erstausstrahlung (DE): 10.07.2015
Regie: Lesli Linka Glatter
Drehbuch: Alex Gansa
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