Bewertung

Review: #5.10 Brutal normal

Das Staffelfinale rückt näher. Und das merkt man. Die Folgen legen an Intensität zu. Das war in #5.09 Der Mann im Käfig schon zu merken und #5.10 Brutal normal steht dem in nichts nach. Im Großen und Ganzen eine sehr sehenswerte Folge, die Lust auf den Rest von Staffel 5 macht. Aber auch dieses Mal gibt es Ungereimtheiten, die das Fernsehvergnügen trüben.

"She's lying, clearly. " - "Is she?"

Allison spielt ihr Spiel wirklich gut. Ihre Erklärungen klingen durchaus plausibel. Sogar David Estes baut sie geschickt in ihre Lügengeschichte ein. Clever! Und trotzdem fragt man sich als Zuschauer, wie es Allison so leicht gelingen kann, alle um ihren Finger zu wickeln? An einer Stelle fragt sie Dar Adal sogar: "Am I under arrest?" Woraufhin er antwortet: "That's something of an open question at the moment." Ja, wenn's noch nicht mal Dar Adal weiß?! Wie kann es sein, dass SaulOHNE Beweise sofort von Dar verdächtigt wurde, Allison jedoch einfach weiterhin für die CIA arbeiten kann, obwohl Etliches gegen sie spricht? Und wie kann es sein, dass ihr noch während ihres 'Arrests' (oder was auch immer es gewesen ist) ein Arzt mitteilt, was sich 'draußen' gerade abspielt und womit die CIA aktuell zu tun hat? Wo bitte gibt es denn so etwas? Gibt es dafür irgendeine vernünftige Erklärung? Nein. Daher fällt es mir ziemlich schwer, über solche offensichtlichen Widersprüchlichkeiten hinwegzusehen.

Interessant ist in dieser Episode Sauls Umgang mit Allison. Vor allem sein Wutausbruch, der längst überfällig und absolut nachvollziehbar war. Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn jemals so wütend gesehen zu haben. Deswegen verwundert es auch, dass Allison ihn im Vorfeld als "one of the angriest man I've ever known" bezeichnet. "Angry" wäre mir jetzt nicht unbedingt als Erstes eingefallen, um Saul zu charakterisieren.

"Nobody wants to see another Paris."

#5.10 Brutal normal wurde in den USA zum ersten Mal im Dezember 2015 ausgestrahlt. Also nur etwa einen Monat nach den Anschlägen in Paris. Hat man diese Folge sofort nach ihrem Erscheinen gesehen, liefert dieser eine Satz daher einen absoluten Wow-Moment: Haben sie tatsächlich gerade auf Paris Bezug genommen? Nur so kurze Zeit danach?

"Homeland"" ist wahnsinnig aktuell. Und das ist beeindruckend. Darin liegt auch die große Faszination dieser Episode: Man ist quasi live dabei, wenn Terroristen kurz vor der Durchführung eines Anschlags stehen. Eine Gefahr, die heute – traurig, aber wahr – leider das "New normal" zu sein scheint. Man erlebt ihre Planungen, erhält Einblick in ihre Gedanken und Beweggründe und zumindest am Beispiel von Qasim auch in die Skrupel, die sie eventuell haben. Allerdings scheint Qasim der einzige zu sein, der von seinem Gewissen geplagt wird. Äußerst spannend ist die Szene, in der die Rucksäcke durchsucht werden und Bibi offenbar ohne mit der Wimper zu zucken Zaheer erschießt – von dem er, wie sich später herausstellt, weiß, dass er unschuldig ist. Als Zuschauer muss man hier wegen der Radikalität/Brutalität des Geschehens schlucken. Dass Bibi Qasim bewusst verschont, erstaunt allerdings. Familie hin oder her - müsste sowas für das übergeordnete Ziel nicht egal sein?! Wenn das mal nicht nach hinten losgeht… Wenn Qasim jetzt schon solche Zweifel hegt, wenn es nur um Quinn, also um einen einzigen Menschen, geht, wie soll er dann einen Terroranschlag durchziehen, bei dem Hunderte oder sogar Tausende zu Schaden kommen?

Als seltsam erscheint mir übrigens, dass die Terroristen sich mal auf Deutsch, mal auf Englisch unterhalten. Hier will man es sicher den englischsprachigen Zuschauern der Serie leichter machen, damit diese nicht ständig Untertitel lesen müssen. Als deutschem Zuschauer fällt die fehlende Logik dahinter allerdings auf.

"It's pretty rough."

So schockierend wie die Ermordung von Zaheer auch ist, was die Autoren für Quinns Schicksal in petto haben, übersteigt das um ein Vielfaches! Als langjähriger "Homeland"-Zuschauer ist man ja schon einiges gewöhnt. Wie weit die Macher dann aber doch jedes Mal wieder bereit sind zu gehen, ist wirklich schockierend. Das war bei Brody so und bei Quinn ist es nicht anders. Die vorherrschenden Gedanken, die mir beim Schauen solcher Szenen durch den Kopf gehen, sind in etwa folgende: Sie werden doch wohl nicht …?! Da gibt's doch bestimmt noch ein Schlupfloch?! Irgendwie wird er doch noch gerettet?! Das können die doch nicht durchziehen! Oh doch. Sie können...

Um zu beschreiben, was mit Quinn passiert, sind "unbelievable" oder "it's pretty rough" noch gelinde ausgedrückt. Es gibt dafür kaum treffende Worte. Es ist heftig. Unglaublich heftig. Und wirft bei mir die Frage auf: Muss das wirklich sein? Warum muss Quinn so ein Ende finden? (Wenn es denn sein Ende ist.) Warum muss sein Tod, genau wie Brodys, so tragisch sein? Warum muss er überhaupt sterben? Quinn war so ein toller Charakter, von dem ich gern in zukünftigen Episoden und Staffeln noch sehr viel mehr gesehen hätte. Am Ende von #5.10 Brutal normal wird er von Carrieund Astrid gefunden. Lebend. Vielleicht gibt es also doch noch Hoffnung?

Auch in diesem Handlungsstrang gab es jedoch wieder zwei Dinge, die mich gestört haben: Als Carrie Zaheers Leichnam findet, warnt Astrid sie, dass dieser kontaminiert sein könnte und ihm Carrie deshalb nicht zu nahe kommen soll. Gilt das nicht erst recht für Quinns Körper? Müsste er im Krankenhaus nicht isoliert werden? Wieso können Carrie und Saul dann einfach so an seinem Krankenbett sitzen? Gibt es dafür irgendeine (medizinische) Erklärung?

Noch negativer aufgefallen ist mir jedoch die Fliesen-Geschichte: Quinn ist in einer Kammer. In einer abgeschlossenen Kammer, in die sich die Terroristen nicht mehr hineinwagen. Über die sie sogar ausdrücklich sagen: "Wir können die Kammer ohne Risiko nicht öffnen." Sie filmen Quinns Martyrium also von außen – durch die Glasscheibe hindurch, so dass man einen Blick auf sein Gesicht bekommt. Das macht Sinn, schließlich ist Sinn und Zweck ihres Videos, dass man Quinn leiden sieht. Und das spielt sich nun mal am offensichtlichsten in seinem Gesicht ab. Warum ist er am Ende des Videos, das sich Carrie und Astrid anschauen, dann auf einmal von hinten zu sehen? Warum sollten Bibi & Co. auf einmal in die verseuchte Kammer gegangen sein, um ihn aus einem anderen Blickwinkel zu filmen? Oder haben sie im Vorfeld eine ferngesteuerte Kamera in der Kammer installiert? Falls nicht, ist dieser Perspektivwechsel absolut unlogisch. Da Carrie und Astrid aber irgendeinen Anhaltspunkt brauchten, um ihre Suche nach Quinn aufzunehmen, mussten wohl die Fliesen auf irgendeine Weise eingebaut werden. Doch hätte man das nicht cleverer anstellen können?

"An attack in Berlin, we can't just sit on that."

Zu guter Letzt noch ein Blick auf Laura Sutton, Jonas Hollander und Otto Düring: Laura und Jonas wollen Faisal schützen, einen Syrer, der unschuldig im Gefängnis saß und dort Kontakt mit Hajik hatte. Zufällig hat er dabei mitbekommen, wie über einen Anschlag in Berlin gesprochen wurde, hat dem aber keine weitere Bedeutung beigemessen. So weit, so gut. Macht Sinn. Könnte so tatsächlich passieren. Was allerdings keinen Sinn ergibt, ist Laura Suttons Reaktion. Es steht der Verdacht im Raum, dass möglicherweise ein Terroranschlag in Berlin verübt wird, bei dem zig Leute zu Schaden kommen könnten, und die einzige Sorge, die Laura Sutton hat, sind die Rechte von Faisal? Oh bitte. Was gibt's denn da zu überlegen? Dass Jonas, Düring und Laura erst noch darüber diskutieren müssen, ob sie diese Information melden und unnötig Zeit verstreichen lassen, ist lächerlich.

In der Realität könnte so etwas aber, wie ich befürchte, so oder so ähnlich ablaufen. Oft genug hat man in letzter Zeit schon in den Medien davon gehört, dass wichtige Informationen nicht an entsprechende Behörden weitergeleitet wurden.

Warum der BND trotz Sauls Versprechen, dass Faisal nichts passiert, diesen dann auf diese Art und Weise festnimmt, wie am Ende der Folge geschehen, gibt mir momentan noch Rästel auf. Mal sehen, was uns hier noch erwartet. Genauso gespannt bin ich im Übrigen auch darauf, was uns in Hinblick auf Otto Düring noch bevorsteht. Oder was sollte der auf Carrie bezogene Seitenhieb: "Vielleicht haben die ja weniger Altlasten?"???

"Fazit"

#5.10 Brutal normal ist eigentlich eine gute Folge. Sie ist sehr spannend, die Geschichte, die erzählt wird, ist toll und genau das, was man von "Homeland" erwartet. Schade sind nur diese immer wieder aufkommenden Logiklöcher, so unbedeutend sie manchmal auch sein mögen. Irgendwann kann man einfach nicht mehr über sie hinwegsehen. Und das ist echt ärgerlich.

Franziska G. - myFanbase

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