Bewertung

Review: #2.04 Offener Vollzug

Foto: Erica Tazel, Justified - Copyright: Robert Zukerman/FX
Erica Tazel, Justified
© Robert Zukerman/FX

Lange habe ich überlegt, wie ich an #2.04 Offener Vollzug herangehen soll. Normalerweise hab ich recht schnell eine Meinung zu einer Episode und bleibe dann auch dauerhaft dabei, wenn auch ich mich auf Diskussionen darüber einlasse und manchmal meine Meinung, nie jedoch die allgemeine Tendenz ändere. Aber hier ist mal wieder eine der Episoden, über die man ewig und drei Tage nachdenken könnte und trotzdem irgendwie nie zu einem Schluss kommen wird, mit dem man vollkommen zufrieden ist. Das hat in dieser Episode zweierlei Gründe. Natürlich ist es toll, dass man dem Zuschauer mehr über Rachel Brooks erzählt, die bereits die komplette Staffel über schon sehr im Mittelpunkt stand. Doch auf der anderen Seite verschwindet die viel spannendere Story über Raylan und seine Suche nach dem Oxy-Bus-Mördern unter der Storyline. Dem entsprechend ist die Episode zweigeteilt.

Das erste Viertel

Die ersten Minuten von #2.04 Offener Vollzug behandeln Raylans Suche nach den Männern, die in der vorhergegangenen Episode #2.03 Auge des Sturms den Oxy-Bus überfallen haben. Ein wahres Highlight ist das Wiedersehen mit Mags Bennett samt Familie. Man spielt nach einigem Hin und Her einmal mit offenen Karten und es ist wirklich befreiend, das mitanzusehen. So ist Raylan, wie wir ihn kennen und lieben. Außerdem versprechen beide Söhne von ihr, Coover und Dickie, noch eine interessante Storyline, als sie Mags Standpauke so verstehen, dass sie den Marshall umbringen sollen. Herrlich, da kommt sicher noch die ein oder andere dumme Aktion auf uns zu.

Nach seinem Besuch bei den Bennetts sucht Raylan Emmitt Arnett auf, der damals ja in die Geschichte mit Gary Hawkins verwickelt war. Als die Episode dann im Verlauf eine andere Richtung, nämlich die hin zu Rachels Schwager, einschlägt, weiß man als Zuschauer, dass das ganze mit dem Oxy-Bus noch nicht zuende ist und wartet die gesamte Episode über, dass weitere Details ans Licht kommen – vergebens. Nun fokussiert man auf Clinton und sein Katz- und Mausspiel mit den Marshals.

Die mittlere Hälfte

Clinton, dargestellt von Larenz Tate, fördert bei mir das Verlangen, in den Fernseher hinein zu schlagen. Doch ich kann mich beherrschen, denn das, was man über Rachel erzählt, macht diese schwache Storyline wieder wett. Ich weiß am Ende nicht, ob ich vor Wut auf diese Figur platzen oder tatsächlich mit ihm Mitleid haben soll. Denn der Umgang mit seinem Sohn ist schon echt bewegend, der Rest aber ist einfach nur blöd und nervtötend. Ich verstehe einfach nicht, wie genau mich seine Figur berühren soll, denn man kann einfach keine Bindung herstellen. Bei mir macht es den Eindruck, dass er nicht alle Tassen im Schrank hat, oder zumindest ein ordentliches Aggressionsproblem. Erst ist er freundlich und nett und dann verdrischt er einen mindestens doppelt so schweren Mann, dass die Fetzen fliegen.

Im großen Ganzen kann der mittlere Teil der Episode nur ein schönes Licht auf Rachel werfen, die hier an Dimensionen dazugewinnt. Sonst ist es langweilig und fördert nur beim Zuschauer die Aggressiosfähigkeit. Schade, denn das hätte man sicherlich auch schöner machen können. Am Ende wird man noch mit einem Gespräch der vier Marshals belohnt, in denen sie Raylan ihre Anerkennung aussprechen, dass er die Möglichkeit hatte, seinen Vater anzuschießen. Und der nunmehr völlig darüber enttäuschte Zuschauer, dass es in der Oxy-Geschichte in der Episode nicht weiter ging, freut sich über Raylans Erkenntnis, dass der Schuss nicht so befriedigend war, wie er es sich ausgemalt hatte. Man lacht. Endlich mal.

Das letzte Viertel

Wie zufällig eingestreut in die bereits erwähnten Dreiviertel der Geschichte, wirkt Boyd hier. Seine Szenen mit Ava sind toll und ich mag die Chemie zwischen den beiden. Außerdem bekommen wir am Ende noch einen Ausblick auf eine große Sache, bei der Boyd tatsächlich seine Finger davon lassen will. Ich bin bei ihm ja noch immer skeptisch, ob er tatsächlich aufgehört hat, den dunklen Pfad zu gehen, denn er ist bei weitem die spannendste Figur der Serie. Aber gleichzeitig auch die undurchsichtigste. Man weiß einfach nicht, was er als nächstes macht.

Zu dem eingestreuten Viertel zählt auch die Geschichte mit Winona, Gary und der Scheidung. Das kleine Gespräch zwischen ihr und Raylan ist schon wirklich ein nettes Intermezzo, das die gruselig schlechte Geschichte mit Clinton kurz aus dem Fokus des Zuschauers wirft. Wenn da nur nicht die fehlende Kontinuität hinsichtlich ihrer Strähne wäre, auf die man viel mehr achtet, als auf das, was die Figuren zueinander sagen. Wenn man Winona frontal zeigt, hängt ihre Haarsträhne vor dem Ohr am Gesicht. Wenn man aber sie von hinten und Raylan frontal zeigt, hängt sie hinter ihrem Ohr. Das hat mich richtig abgelenkt, sodass ich die Szene zwei Mal schauen musste. Ich bin ja fast blind für solche Fehler, aber der springt einem förmlich ins Gesicht. Nunja, zumindest ist er konsequent bis zum Ende des Gesprächs durchgezogen worden, sodass man nur eine hin und her tanzende Strähne, nicht ein totales Hampelmännchen von Strähne hat, die in jeder Kameraeinstellung anders sitzt.

Fazit

Schade ist, dass die Geschichte um Clinton so unglaublich langweilig ist. Ich könnte fast schreien, trotzdem kann die andere Hälfte der Episode ja überzeugen. Außerdem findet sich auch in der Clinton-Geschichte etwas Gutes. Somit ist #2.04 Offener Vollzug zwar keine Top-Episode, aber noch im oberen Bereich von Grundsolide anzusiedeln.

Jamie Lisa Hebisch - myFanbase

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