Bewertung

Review: #2.13 Bloody Harlan

Foto: Kaitlyn Dever, Justified - Copyright: Prashant Gupta/FX
Kaitlyn Dever, Justified
© Prashant Gupta/FX

Mit dem Finale verabschieden wir Zuschauer uns wohl vom Bennett-Clan. Mit Dickie als letztem Vertreter der Pott anbauenden Spezies in Harlan-County sind die großen Zeiten des Grasgeschäfts der Bennetts wohl vorüber und der Weg für Boyd und seine Crew ist frei. Wir sagen aber auch bye bye zu einer großartigen zweiten Staffel "Justified". Mir schwummert noch immer der Kopf vor lauter Kugelhagel und Komplott. Doch werde ich einmal etwas konkreter.

Loretta

Soetwas nenne ich einmal eine Storyline, die von Anfang an durchgezogen wird und erst im letzten Moment vor Spannung explodiert. Nachdem man das Mädchen gewaltig einführte, führt sie nun gewaltig zum Ende des Bennett-Clans hin. Lorettas Schuss auf Mags lässt vor dem Haus die Hölle losbrechen und beendet global eine Ära in Harlan, die die zweite Staffel zu einem Glanzstück machte. Erst wird Loretta seit ihrem Auftritt in Episode zwei bis zum Ende hin fast stiefmütterlich behandelt, und dann haut sie so richtig auf den Mist. Am Ende bleibt mir hier nur eins zu tun, und zwar meinen imaginären Cowboy-Hut zu ziehen. Denn die Autoren haben exzellente Leistung erbracht, Loretta zu dem Teil zu machen, den man kaum in den Episoden bemerkt, an welchem sich aber gleichzeitig alles entscheidet. Loretta bleibt über alle Episoden das kleine Extra, worüber sich der Zuschauer regelmäßig freut. Sie ist es, die Raylan nicht loslassen kann und die er immer wieder retten muss, auch wenn sie das gar nicht nötig hat. Loretta ließ sich am Anfang von ihrem Entführer überrumpeln. Doch aus dem Mädchen, das glaubt, stärker zu sein als alle anderen, ist tatsächlich dieses Mädchen geworden. Sie stolziert, getrieben von Rachegefühlen und dem Wunsch, dass endlich einmal alle komplett ehrlich zu ihr sind und ihr die Wahrheit nicht nur in kleinen Stücken präsentieren, sodass sie sie mutmaßlich besser verkraften kann, schnurstracks zu Mags nach Hause. Sie fordert von der wohl gefährlichsten Frau in Harlan mit vorgehaltener Waffe nichts weiter als die Wahrheit. Am Ende schießt Loratta Mags ins Bein, was glaube ich mehr ein Unfall war, als wirklich geplant. Ich glaubte in keiner Sekunde, dass Loratte Mags tatsächlich töten würde.

Durch den Schuss bricht vor der Tür die Hölle los und in Folge dessen erschießen die Marshals Doyle. Kurz darauf nimmt sich Mags das Leben. Eine rasche Abfolge von einschneidenden Ereignissen, die nur mit Lorettas Wunsch nach Wahrheit und einem kleinen Schuss zusammenhängen. Ich persönlich hoffe, dass wir sie noch einmal wiedersehen werden, vor allem in Anbetracht von Dickies – was ein Wiesel – Überleben.

Kleine Dinge, die die Welt verändern

Am Anfang der Episode knüppelte man noch kurz ein ganz kleines Detail in die Story, das sofort den Blick auf Raylan und Winona verändert. Zwar äußert sich Raylan zuvor noch einmal gegenüber Art, am liebsten nach Glencoe versetzt zu werden, aber so richtig Bedeutung kommt dem erst zu, als Winona mal eben so mitteilt, schwanger zu sein. Raylan ist begeistert und zeigt Gefühle wie nie zuvor. Dem Marshal gehen sogar die Worte aus. Es zeigt, wie sehr ihm Winona am Herzen liegt und wahrscheinlich immer lag. Ihre Beziehung wird nun auf ein ganz anderes Level gehoben. Sie werden ein Kind bekommen, etwas, das Winona immer ausschloss, da Raylan jeden Tag Gefahr läuft, erschossen zu werden. Es ist also auch für Winona ein großer Schritt in der Beziehung der beiden. Für den Zuschauer ist es ein Reißer und in meinen Augen der größte Punkt, der mich in der nächsten Staffel wieder einschalten lässt. Was wird wohl passieren?

Eine weitere Sache steht nun ganz offen. Nun nach Doyles absolut schockierendem Ableben (Sorry, ich mochte ihn!) ist die Frage groß, wer alsbald in Harlan-County die Polizeimacht innehaben wird. Wird es der von Boyd geschmierte Polizist sein? Das wäre doch sehr vorhersehbar, aber es würde mich nicht überraschen. Denn durch die kleine Kugel in Doyles Hirn, werden sich auch hier die Machtverhältnisse ändern. Zwei winzige Dinge also, die am Ende der Staffel alles auf den Kopf stellen und so viele Möglichkeiten eröffnen, dass ich darüber fast gar nicht zu spekulieren wage. Alle begonnenen Handlungen scheinen zwar beendet, trotzdem müssen aus dem neu Entstandenen nun die Weichen gelegt werden, die die Storyline der nächsten Staffel bestimmen.

 

Boyd und Ava

Wie vorhergesehen hat sich Boyd mit Ava angreifbar gemacht. Sie wird sicherlich die Schusswunde überleben – das hätte sie dann mit Boyd gemeinsam  – und anschließend mit ihm das große Loch der kriminellen Machenschaften füllen, das das Ableben des größten Teil des Bennett-Clans nun hinterlässt. Ich fand es eine phantastische Leistung von Walton Goggins, die er in dem Moment hinlegt, in welchen Boyd von Avas Schussverletzung erfährt. So energiegeladen und haltlos, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Impulsives Verhalten bei Boyd? Das war doch einmal ein beeindruckendes Novum! Noch besser fand ich an dieser Stelle nur, dass Boyd bei ihr bleibt, bis der Arzt vor Ort ist. Dann erst macht er sich auf die Jagd nach Dickie.

Ja, Dickie. Er zieht das in meinen Augen größte Los der Episode. Er darf sowohl auf Ava schießen und so in gewisser Weise seiner Mama Recht verschaffen, als auch Raylan mit einem Baseballschläger vermöbeln. Für Dickie ist dieser letzte Teil der wichtigste. Er kann sich endlich an Raylan rächen, dass dieser ihm als Jugendlicher das Knie zerstört hat. Und außerdem daran, dass Raylan seinen Bruder erschoss, obwohl er ihn unter Tränen anflehte, dies nicht zu tun. Für Dickie brach mit Coovers Tod sein gesamter Halt weg, da auch Mags ihn links liegen ließ. Nun hat er die Gelegenheit, sich dafür zu revanchieren. Schlussendlich ist es ironischerweise Boyd, der Raylan vor dem sicheren Tod durch Erschlagen rettet. Die beiden handeln ein Abkommen aus, in dem Boyd in den sauen Apfel beißen muss. Er kann sich nicht an Dickie rächen, obwohl er Raylan praktisch darum anbettelt. Doch Raylan ist es ganz egal, dass Ava angeschossen wurde, was noch einmal seine Liebe zu Winona zeigt. Er will nichts mit Boyds Rache zu tun haben, die sicherlich irendwann folgen wird. Am Ende jedenfalls ist Dickie der einzige noch atmende Bennett. Und zieht damit das große Los – ich hoffe so sehr, dass er in der kommenden Staffel nicht im Knast verrottet. Aber das Wiesel wird sich auch da herauswinden, wie schon so oft zuvor aus brenzligen Situationen. Insgesamt aber halte ich es für eine Herausforderung, die Storyline um Boyds offene Rechung mit Dickie in der kommenden Staffel aufrecht zu erhalten. Ich hoffe, dass die Rache nicht untergeht, denn das wäre ein sehr großer Verlust. Hier sehe ich, wie auch in Winonas Schwangerschaft, große Handlungsmöglichkeiten.

Raylan

Zuletzt muss ich Raylan noch erwähnen, der mir als einzige Figur der Episode nicht durchweg gefallen hat. Das Missfallen startet ab dem Moment, in dem er sich von der weinenden Winona verabschiedet, um in das Harlan-Pulverfass zu stechen. Ich meine, dass das eine verständliche Handlung ist und daran auch Winona wächst (läuft sie ja direkt zu Art, um ihn um Hilfe zu bitten, der dann am Ende Raylan rettet), ist deutlich. Trotzdem hätte ich mir gerade in Anbetracht der Neuigkeit, bald Vater zu werden, andere Reaktionen gewünscht. Zwar ist die Szene sehr emotional, aber Raylan hätte zumindest seine Kollegen bei den Marshals um Hilfe bitten müssen. Ein wenig mehr Verantwortung. Durch sein durchaus nobles, aber auch egoistisches Handeln geht die Neuigkeit über Winonas Schwangerschaft sehr in der Folge unter. Gleich am Ende kommt er aber aus seinem Tief heraus und hat eine überaus starke letzte Szene mit Mags. Sie sitzen am Tisch und es wiederholt sich die Szene aus der ersten Episode, in der Lorattas Vater durch das Gift im selbstgebrauten Apfelschnaps stirbt. Mags sieht nun, da gleich zwei ihrer Söhne tot sind und sie soeben den Mord an Lorettas Vater gestanden hat, keinen Sinn weiter zu leben. Sie tötet sich selbst durch ein mit Gift benetztes Glas und ergreift dabei Raylans Hand, der ihr durch den Selbstmord hilft. Mags' Abgang ist so passend, wie er grausam ist. Sie verliert durch das Spiel um die Pachtungsrechte von Black Pike alles und sieht keinen anderen Ausweg. Raylan bleibt derweilen bei ihr und ist sichtlich mitgenommen, dass Mags diesen Weg wählt.

Für Raylan habe ich so viele Wünsche für die kommende Staffel und möchte an dieser Stelle vor allem einen nennen: Ich hoffe so sehr, dass er nicht nach Glencoe geht! Was soll er denn da? Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, da so alles Erzählte nichtig und überflüssig werden würde. Ich hoffe er bleibt in Harlan und besinnt sich darauf, dass seine Beziehung zu Winona etwas Gutes ist, das ich niemals so in den ersten Episoden mit ihr erwartet hätte, was den Charakter Raylan aber wundervoll beeinflussen kann. Obwohl es natürlich auch möglich wäre, dass Raylan zunächst mit dem Marshaldasein abschließt, aber seine Vergangenheit ihn wieder einholt. Da fällt mir als erstes Gary ein, von dem man nicht weiß, was mit ihm ist. Mein größter Wunsch wäre es, dass er selbst erkennt, dass man auch einmal andere um Hilfe bitten kann. Dass er sieht, wie viel er durch Winona gewinnt und die Beziehung nicht durch eine seiner egozentrischen Handlungen zerstört.

Doch nähme man Raylan vollkommen aus der Umgebung seiner Kindheit, wäre das einfach falsch. So falsch, wie sich der Ausflug nach Miami im Staffelstart schon anfühlte. Trotz seiner doch sehr eigenwilligen Handhabung von Scheuklappen gegenüber Gesetzesverstößen, wenn er daraus einen eigenen Vorteil ziehen kann, macht gerade der dadurch entstehende Balanceakt zwischen dem Gesetz und dem, was richtig ist, den größten Reiz der Serie aus.

Fazit

Die Spannung, die in der letzten Episode aufgebaut werden konnte, kann über die Folge hin gehalten werden. Am Ende werden lose Enden zusammengeführt. Das schließt die Storyline der Staffel vom Oxybus beginnend, über die Bennetts, Boyd und Black Pike rund ab. Durch das Durchschimmern neuer Storyelemente (wie die Schwangerschaft oder deutlicher das Ableben der Bennetts) werden jedoch auch Weichen für die neue Staffel gestellt. Wohin diese führen, ist unklar. Doch weil die Bennetts fort sind, kann ich mir gut vorstellen, dass Boyd versuchen wird, die Lücke auszufüllen. Seine Beziehung zu Ava wird vertieft werden, was ich mir nur wünschen kann, denn sie hat mich positiv überrascht!

Alles in allem war #2.13 Bloody Harlan genau das, was der Titel verspricht: bloody. Und somit auch actionreich und in "Justified"-Manier mit klugen Sprüchen gespickt. Insgesamt ein passender Abschluss der Staffel, der so manche Überraschung parat hatte. Zuletzt wirkt erst einmal alles abgeschlossen, aber Möglichkeiten wurden geschaffen, die den Zuschauer neugierig machen und zumindest bei mir garantieren, dass ich wieder einschalten werde.

Jamie Lisa Hebisch - myFanbase

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