Bewertung

Review: #3.02 Zeugenschutz

Foto: Timothy Olyphant, Justified - Copyright: Sony Pictures Television
Timothy Olyphant, Justified
© Sony Pictures Television

Der Großteil der Leser wird mich jetzt lynchen wollen. Trotzdem – Goodall war seit langem das Schlimmste, was man uns bei "Justified" geboten hat. Raylans ehemalige Flamme mag als Charakter prinzipiell funktionieren, hängt aber über der Episode wie eine schwarze Wolke und steht deren Brillanz entschieden im Weg.

"Oh Geez, I'm sorry, I have the wrong room…"

Das Wichtigste zuerst – es geht hier keineswegs um Carla Gugino und ihr schauspielerisches Können. Es geht nicht einmal so sehr um Karen Goodall an sich. Die Beamtin ist ein runder Charakter, sie hat einen gewissen Charme und mit Sicherheit wäre die gemeinsame Geschichte mit Raylan an jeder anderen Stelle durchaus spannend gewesen. Aber gerade hier, an diesem Punkt der Erzählung, in dieser bestimmten Folge, in der so viel mit den Hauptfiguren geschieht – gerade hier wirkt Goodall beinahe unerträglich fehl am Platz. Gerade so, als hätte sie sich im Raum geirrt. Oder in diesem Fall in der Episode.

Goodall ist dem Zuschauer fremd. Sie bringt eine gewisse Tiefe mit, allerdings bleibt die Zeit nicht, mit ihr warm zu werden, weil man zu aufgewühlt ist von dem, was über die Charaktere erzählt wird, die einem wirklich etwas bedeuten. Das hat im Endeffekt zur Folge, dass Raylans ehemalige Partnerin nicht zu einem Spannungsträger in der Erzählung wird, sondern zu einem blassen Störfaktor.

Old School

Raylan ist nicht der einzige, der Besucht von jemandem bekommt, den er von früher kennt. Ganz im Gegensatz zu Karen Goodall ist Marshal Bill Nichols jedoch unverzichtbarer Bestandteil dessen, was diese Folge so besonders macht. Art hat eine merkwürdige Gabe, nicht zu polarisieren und trotzdem mit so viel Stärke aufzutreten, dass er Persönlichkeit zeigt. Der Chief scheint stets zu wissen, was er tut. Ein Fels in der Brandung, der sich allerdings leichter erweichen lässt, als ihm lieb ist. Schwachstelle? Raylan.

Mehr als je zuvor wird in dieser Folge auch klar, warum Art so großzügig über die Probleme seines Sorgenkindes hinwegsieht. Art war nämlich einst selbst so wie sein Marshal. Und als Bill Nichols ermordet wird, Arts Freund aus seinen Zeiten als Anfänger, ein Gefährte vergangener Tage, da zögert der Chief nicht einmal mehr, in alte Muster zurückzufallen. Hat man schon zuvor gesehen, dass man Raylans Vorgesetzten nicht unterschätzen sollte, so wird hier klar, wie weit Art wirklich gehen würde, um für das zu kämpfen, was er persönlich als Ideal vor Augen hat. Er ist ein Mann wie geboren dazu, andere Menschen zu beschützen und zwar ganz gleich, welche Entbehrungen er dafür in Kauf nehmen und wie weit er dafür auch gehen muss.

"The apple of my eye…"

Ebenfalls fest entschlossen für seine Sache zu kämpfen ist Boyd, der einmal mehr jede seiner Szenen zu einem wahren Genuss macht. Während seines recht kurzen Gefängnisaufenthalts versucht Boyd nicht einmal, sein hinterhältiges Lächeln zu verstecken – immerhin ist die Beute in Reichweite. Dickie Bennet ist mit Sicherheit die schwächste Persönlichkeit seiner Familie und eigentlich muss jedem klar gewesen sein, dass er gegen Boyd von Anfang an keine rechte Chance hatte. Boyd windet sich wie ein Aal, passt sich allem an, zieht die Fäden, wie er sie braucht und wann er sie braucht.

Die letzte Konsequenz zur Kaltblütigkeit, die man ihm so gerne unterstellen möchte, fehlt dann aber doch. Ava ist ohne Frage der Schwachpunkt unseres Bösewichts und es würde mich nicht wundern, wenn das Boyds Gegner auch in Zukunft noch ausnutzen werden. Bleibt also nur zu hoffen, dass Ava auch weiterhin so stark auftritt, wie sie es derzeit tut, denn es ist klar, dass sie und Boyd ein unschlagbares Team abgeben und Boyd ist selten stärker, als in Situationen, in denen er Avas Ehre verteidigt. Wenn diese Momente – wie das nahtlos inszenierte Aufeinandertreffen mit Dickie – überhaupt noch zu toppen sind, dann wohl von Treffen mit Raylan.

"What do you make of a man…"

Closeups sind mit Sicherheit eine Stärke von "Justified". Aber Gefängnisszenen mit Raylan und Boyd holen noch einmal das Letzte aus der Kameraführung heraus. Die schnell wechselnden Bildausschnitte verstärken den Eindruck, dass es sich um nichts anderes handelt, als um Tanzpartner. Boyd und Raylan sind vermutlich die einzigen, die es mit dem jeweils anderen aufnehmen können. Sie verstehen sich auf der gleichen Ebene, auf der sie auseinanderdriften und obwohl sie sich gegenseitig ununterbrochen in die Weißglut treiben, kann man wohl nicht bestreiten, dass beide auch ihren Genuss aus dem Katz-und-Maus-Spiel ziehen.

Und dieses Spiel wird noch interessanter durch die Tatsache, dass Raylan mit seinen Gedanken eigentlich woanders ist. Der Marshal fürchtet sich vor seiner Vaterrolle und gleichzeitig macht sie ihn weicher, wärmer und ungewohnt menschlich. Wenn er sich mit Boyd den grandiosen Schlagabtausch im Gefängnis liefert, ist er ebenso guter Laune, wie wenn er mit Winona am Gang über Ultraschallbilder witzelt. Und dass Raylan im Moment dem Gefühl von Glück näher ist als jemals zuvor, zeigt sich schon daran, dass er kein Problem damit hat, Winona ganz offen im Büro zu küssen.

Limehouse

Als Zuschauer wird man bei so viel Ausgeglichenheit skeptisch. Wie viel Glück kann eine Serie ihrem Protagonisten gönnen? Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit lässt sich voraussagen, dass das Machtvakuum, das die Bennetts hinterlassen haben und das derzeit für die Ruhe vor dem Sturm zu sorgen scheint, relativ schnell einem Kampf weichen wird, für den sich die einzelnen Parteien schon bereit machen. Quarles erregt jetzt schon langsam die Aufmerksamkeit der Marshals, Boyd zieht die Schlinge um seine Feinde enger und ebenfalls mit von der Partie ist offensichtlich ein Mann namens Limehouse, der exakt drei Minuten und vierzig Sekunden gebraucht hat, um mich davon zu überzeugen, dass er in Zukunft für einige Spannung sorgen dürfte. Es ist also eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis in Harlan die Hölle losbricht und die ruhigeren Tage für Raylan erst einmal wieder vorbei sind.

Fazit

Die Folge war voller unbeschreiblich guter Momente und grandioser Charakterarbeit. Dabei ist es fast ein bisschen schade, dass man gar so viel Zeit dafür verschwendet hat, uns Karen Goodall mit einem lauwarmen Händedruck vorzustellen. Die Folge steht sich also quasi selbst im Weg, schießt eventuell ein wenig über das Ziel hinaus. Im Endeffekt bleiben aber die positiven Szenen ganz sicher eher im Gedächtnis, als die schale Storyline Goodalls. Der Punkteabzug ist also im Grunde nur Jammern auf hohem Niveau. Etwas anderes ließe "Justified" aber derzeit ohnehin nicht zu.

Eva Kügerl – myFanbase

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