Bewertung

Review: #4.09 Das Kriegsbeil

Foto: Jacob Pitts, Justified - Copyright: James Minchin/FX
Jacob Pitts, Justified
© James Minchin/FX

Einer der großartigen Aspekte von "Justified" ist die Fähigkeit der Drehbuchautoren, auch den Nebenfiguren eine derartige Tiefe und Komplexität zu verleihen, dass sie in ihrer Authentizität und Greifbarkeit den Protagonisten in quasi nichts nachstehen. Man erinnere sich an die schlagfertige Helen Givens, die durchtriebene Mags Bennett, den schmierigen Robert Quarles, den unbeholfenen Dickie Bennett, den tölpelhaften Gary Hawkins, oder sehe sich Charaktere wie Wynn Duffy, Colt, Constable Bob, Sheriff Shelby Parlow und Hunter Mosley an – diese beeindruckende, bei weitem nicht vollständige Liste an vielseitigen Nebencharakteren macht deutlich, wie viel Liebe zum Detail in jedem von ihnen steckt und wie gut "Justified" diese Charaktere zu jonglieren weiß. Auch #4.09 The Hatchet Tour bietet mal wieder eine Glanzvorstellung des Zusammenspiels all dieser Figuren und beweist, welch tolle Charakterarbeit bei dieser Serie geleistet wird.

Die drei großen Spieler – neben Raylan und Boyd – sind in dieser Episode Shelby, Mosley und Colt. Beginnen wir mit den beiden erstgenannten, die sich als zentral für den staffelübergreifenden Storyarc herausgestellt haben. Shelby ist also tatsächlich der seit langem gesuchte Drew Thompson, eine Enthüllung, die, soweit man sich die rar gesäten Hinweise nicht schon zusammenreimen konnte, durchaus für eine Überraschung gut ist. Shelby ist immer ein sehr sympathischer Mann gewesen, sicherlich nicht ohne Fehler (er hat sich schließlich von Boyd zum Sheriff machen lassen), aber mit dem Herz am rechten Fleck. Dieser Eindruck bestätigt sich in der wirklich gelungenen Szene zwischen Shelby und Mosley, in der sich die beiden alten Freunde ein letztes Mal aushelfen und Shelby sich aufrichtig für die Loyalität Mosleys bedankt. Diese ist mal wieder auf eine lang zurückliegende Angelegenheit mit den Crowders zurückzuführen, denn Shelby hatte Mosley geholfen, sich an Henry Crowder für dessen Vergehen an Mosleys Nichte zu rächen. Man sieht: In Harlan County ist alles ein Geflecht aus Familienfehden und vergangenen Intrigen, und auch wenn sämtliche Protagonisten versuchen, einen Weg aus diesem Geflecht zu finden, so ist dies meist vergeblich.

Das wird auch bei Raylan deutlich, der dies mit einer witzigen Anekdote über die Givens, Crowders, Mosleys, Sorensens, McClarens und einem Hund auf den Punkt bringt. In Harlan County wird die Gegenwart vor allem durch die Vergangenheit geprägt, und so wird auch Raylan von seinem verstorbenen Vater geprägt, auf den er diesmal einen neuen Blickwinkel bekommt, als Shelby ihm erzählt, dass Arlo bei besagtem Hundevorfall in Wirklichkeit die Ehre seiner Mutter Frances verteidigte. Überhaupt ist es ganz wunderbar gelungen (und von Timothy Olyphant hervorragend gespielt), die Auswirkungen, die Arlos Tod für Raylan hat, in diese Episode einzuarbeiten. Da haben wir die herausragende Szene in Duffys Trailer, in der Duffy tatsächlich in einem kurzen Moment ehrliches Beileid für Raylans Verlust zu zeigen scheint. Da haben wir Raylans Wutausbruch nach Hunters Selbstmordversuch, als er diesen mehrfach schlägt, und erst nach einigen Sekunden wieder seine Fassung wiedererlangt. Und da haben wir den kurzen, aber unwahrscheinlich wichtigen Dialog am Ende der Episode, als Raylan versucht, seine Trauer über Arlos Tod mit Sarkasmus herunterzuspielen und Hunter ganz treffend sagt: "You listen to what your Momma taught you and not to that son of a bitch, you may turn out all right. But I wouldn't count on it. Cause I think we both know whose voice it is that makes you do what you do." Starke Momente, die beweisen, wie sehr Raylan von Arlos Tod doch betroffen ist.

Auch Colt wird von der Vergangenheit eingeholt, nämlich von seinem Faux-Pas mit Ellen May, der diesmal ans Licht kommt. Erfreulich ist hierbei die Rückkehr von Cassie St. Cyr, deren urplötzliches Verschwinden nach #4.04 etwas irritierend war, die nun aber der entscheidende Auslöser dafür ist, dass Boyd hinter die Wahrheit über Ellen May kommt. Interessant ist hier zum einen die Freundschaft zwischen Boyd und Colt, die am Anfang noch von uneingeschränktem Vertrauen von Boyd zu Colt geprägt ist, zum Schluss aber nur noch von Verrat und Betrug. So ist es eine sehr spannungsgeladene Szene, die sich da zwischen den beiden im Hinterzimmer der Bar abspielt. Zum anderen überzeugt auch die komplizierte Dynamik zwischen Boyd und Johnny, da letzterer erstmals seinem Unmut darüber Luft macht, dass Boyd Colt einfach so als seine rechte Hand eingestellt hat und Johnny links liegen ließ. "I have always been there for you" sagt Johnny zu seinem Cousin, mit vorwurfsvoller Enttäuschung in der Stimme. Weiterhin steht es also offen, ob Johnny wirklich dazu bereit sein wird, Boyd zu töten.

In den ganzen Trubel um Boyd, Ava, Johnny, Colt und Ellen May ist nun auch Tim hineingezogen worden, der natürlich den Mord an Mark aufklären will und ganz richtig Colt verdächtigt. Es ist nur positiv, Tim endlich einmal mehr in das Geschehen eingebunden zu sehen und die Konfrontation zwischen ihm und dem völlig zugedröhnten (und brandgefährlichen) Colt in Cassies Zelt ist definitiv ein Moment zum Luftanhalten. Ein wenig verwunderlich ist es da, dass Tim Colt einfach gehen lässt, doch wie er später zu Cassie sagt, ist seine Rache damit ganz gewiss noch nicht abgehakt ("When I take him down, his eyes will be clear.").

Mit der überfälligen und letztlich sehr gelungenen Auflösung rund um das Drew-Thompson-Geheimnis leitet #4.09 The Hatchet Tour nun das finale Viertel der Staffel ein, das durch den Auftrieb dieser und der letzten Episode definitiv vielversprechend ist. Die Episode schafft es, den vielen Figuren genügend Raum zu geben: Sie thematisiert auf subtile Weise Raylans Trauer und Rage um Arlos Tod, sie liefert eine Erklärung für Hunters Verhalten, sie wirft für Boyd und Ava viele neue Probleme auf, sie bietet zudem einen großartigen Ausrastermoment für Art (!) und auch für Constable Bob (!!), dessen wahnwitziger Schusswechsel mit Paxton und Johns einfach nur phänomenal ist. Kurzum: Mit dieser Episode zeigt sich "Justified" erneut von seiner besten Seite.

Maria Gruber - myFanbase

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