Bewertung

Review: #5.01 Ein Crowe kommt selten allein

Foto: Michael Rapaport, Justified - Copyright: 2013, FX Networks. All rights reserved.; Kurt Iswarienko
Michael Rapaport, Justified
© 2013, FX Networks. All rights reserved.; Kurt Iswarienko

Harlan County ist für uns "Justified"-Fans nach vier Staffeln ein Ort geworden, an dem wir uns auskennen, wo wir immer wieder auf altbekannte Gesichter treffen, wo wir immer wieder an vertraute Schauplätze zurückkehren. Wir kennen das Geschäft, die Gefahren, die Regeln des Spiels. Kurzum: Wir kennen uns aus in der Welt von Harlan. Und so startet dieser Auftakt zur fünften Staffel in medias res, setzt gleich in den ersten 15 Minuten verschiedene Hebel in Gang – und endet schließlich damit, dass diese Welt, wie wir sie vorher kannten, völlig auf den Kopf gestellt wird.

#5.01 A Murder of Crowes ist eine ungewöhnliche "Justified"-Episode, denn sie verzweigt sich gleich zu Beginn in mehrere Storylines, die prinzipiell erstmal überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Trotz des relativ schnellen Erzähltempos entsteht so der Eindruck einer ziemlich überhasteten Exposition, um gleich in der ersten Folge sämtliche Weichen für die verschiedenen Handlungsstränge der fünften Staffel zu legen. Bei dem hohen Bodycount und all den kriminellen Aktivitäten an gleich drei Schauplätzen – Harlan, Detroit und Florida – wird Raylan regelrecht in den Hintergrund gedrängt. Er ist in dieser Folge eigentlich nur ein Nebenakteur, der wenig agiert und meist nur reagiert. Als ungewollter Crowe-Experte wird Raylan von Art nach Florida geschickt, um den Mord an Simon Lee aufzuklären und den verdächtigen Elvis Machado dingfest zu machen. Viel kommt dabei nicht rum: ein bisschen Geplauder hier, ein Schusswechsel da. Im Endeffekt dient diese ganze Story nur für eines: um Daryl Crowe Jr. zu präsentieren.

Die Crowe-Sippe – bislang bestehend aus Daryl, seinen jüngeren Brüdern Danny und Dilly (RIP) und seiner Schwester Wendy – wird in Season 5 zweifellos eine zentrale Rolle spielen und bei dem, was wir bislang von ihnen zu sehen bekommen, könnte das durchaus interessant werden. Anders als sein dämlicher Cousin Dewey ist Daryl nämlich ein ziemlich gewiefter Typ. Als white trash Ex-Häftling, der sich mit zwielichtigen Geschäften durchschlägt und mit eiserner Hand als Oberhaupt seiner Familie agiert, liegen Parallelen zu Matriarchin Mags Bennett aus Staffel 2 selbstverständlich nicht fern. Dennoch scheint Daryl das Potential zu haben, mehr zu sein, als nur ein Abklatsch von Mags. Welch verquere Vorstellung er von Familienloyalität hat, beweist er gleich in dieser Folge, als er die Unvorsichtigkeit seines Bruders Dilly mit dem Tod bestraft. Ganz klar: Mit Daryl sollte man sich besser nicht anlegen. Oder eben nur, wenn man Raylan Givens heißt.

Abseits von den Crowes erhalten wir einen ersten Einblick in die Zusammenarbeit von Boyd und Wynn Duffy (willkommen im Hauptcast, Jere Burns!), die nach einem missglückten Drogendeal nach Detroit fahren, um der Dixie Mafia Druck zu machen. Dieses ganze Unterfangen entpuppt sich als derart skurril und chaotisch, dass ein abgeschossenes Ohr und ein Mann mit Schürze und Kettensäge fast noch das Normalste sind. Gemeinsam mit Boyd und Duffy werden wir Zeugen davon, wie die anscheinend schon seit längerer Zeit strauchelnde Dixie Mafia innerhalb von wenigen Minuten ausgelöscht wird: Sammy Tonin, der sich in der letzten Folge von Staffel 4 noch Nicky Augustines entledigte, wird selbst erledigt, verraten von Picker, der sich mit den Kanadiern zusammengetan hat. Das ganze endet in einer herrlichen Szene in einem Donut-Laden, in dem die scheinbar zivilisierten kanadischen Gangster den barbarischen Südstaatlern das Geschäft kündigen ("The idea behind organized crime is that it's supposed to be organized."), womit Boyd und Duffy nun ohne Geld und ohne Ware dastehen. So schnell kann's gehen.

Boyd befindet sich somit in einer verzweifelten, ja geradezu aussichtslosen Lage und steht unter großem Zugzwang: Er will Ava aus dem Gefängnis holen, braucht dazu aber Geld, um Paxton zu bestechen, damit dieser den Richter dazu bringt, Ava freizusprechen. Doch weder hat Boyd Geld, noch ist Paxton dazu bereit, ihm auch nur irgendwie zu helfen. Der schmierige, unerträglich arrogante Paxton provoziert Boyd schließlich so lange, bis bei diesem ein Schalter durchbrennt und er komplett ausrastet. Weg sind seine Coolness, sein Sarkasmus, seine Scharfzüngigkeit, seine Cleverness. In einem Moment totaler Rage schlägt er so lange auf Paxton ein, bisher dieser leblos (tot?) am Boden liegt. Derart außer Kontrolle haben wir Boyd noch nie gesehen und umso bezeichnender ist es für ihn, wie er mittlerweile ohne mit der Wimper zu zucken Leute erschießt und erschlägt. Für Ava wird er alles tun, doch das könnte ihm letztlich den Kopf kosten.

Mit dieser Episode gelingt "Justified" ein solider Auftakt ins fünfte Jahr, der den Zuschauer im Handumdrehen wieder in die wunderbar schräge Welt von Harlan hineinzieht, der aber vor lauter neuen Charakteren und Wendungen seinen zentralen Protagonisten etwas aus den Augen verliert. Trotz der etwas planlosen Erzählstruktur wird eine gute Basis für die Staffel geschaffen und man darf guter Dinge sein, dass die Serie, sobald sie wieder alle in Harlan County vereint, schnell wieder zur Höchstform auflaufen kann und wird. Freuen wir uns also aufs fünfte Jahr im guten alten Harlan.

Maria Gruber - myFanbase

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