Bewertung

Review: #2.06 Verlassen

Foto: Copyright: 2005 ABC, Inc. All rights reserved. No Archive. No Resale./Mario Perez
© 2005 ABC, Inc. All rights reserved. No Archive. No Resale./Mario Perez

Der Staffelauftakt, sowie die ersten paar Episoden der 2. Staffel waren vor allem der Action verschrieben: eine Armageddontaste, die alle 108 Minuten gedrückt werden muss, das Aufeinandertreffen von Sawyer, Michael und Jin mit den anderen Überlebenden des Flugs 815 und deren lebensgefährliche Tour durch den Dschungel, danach Jins und Mr. Ekos Suche nach Michael... erst seit #2.05 Gefunden haben wir eigentlich das "Lost" zurückbekommen, das wir gewohnt sind: Action auf brillante Art kombiniert mit Gefühl. In dieser Folge fließen Tränen. Aber auch die Action kommt nicht zu kurz...

Ein ungleiches Paar: Shannon und Sayid

Die Liaison zwischen Shannon und Sayid, die sich seit #1.13 Gefühl und Verstand entwickelt hatte, wurde von vielen argwöhnisch beäugt, hatte aber durchaus auch viele Shipper. Sicherlich faszinierend an dieser Beziehung sind die krassen Gegensätze, die Shannon und Sayid verkörpern: Shannon ist Amerikanerin, eingebildet, egoistisch und lässt andere für sich arbeiten. Sayid hingegen kommt aus dem Nahen Osten, er ist ein Kämpfer. Dass gerade diese beiden Menschen zusammenfinden, ist sowohl interessant, als auch ein gewagter Schritt der Autoren: In einer Zeit, in der die USA immer mehr gegen den Nahen Osten aufgewiegelt wird, setzen J.J. Abrams und seine Leute quasi ein politisches Zeichen, indem sie so einer Beziehung eine Chance geben und im Fernsehen verwirklichen.

Die Komplikationen der Beziehung zwischen Shannon und Sayid basierten anfangs aber nicht nur auf dieser kulturellen Problematik, sondern auch auf Shannons Stiefbruder Boone, was die ganze Sache noch interessanter machte. Boone aber lernte mit der Zeit (und mithilfe von Locke), sich von Shannon loszulösen und befreite dadurch nicht nur sich selbst aus dieser eigenartigen Liebe zu seiner Stiefschwester, sondern auch Shannon, und machte somit den Weg frei für eine Beziehung zwischen ihr und Sayid.

Sowohl für Shannon, als auch für Sayid brachte diese Liaison eine Weiterentwicklung: Shannon lernte nach langer Zeit (wieder) die Liebe kennen, sie benutzte Sayid nicht wie die anderen Männer und löste sich von der Abhängigkeit zu Boone. Sayid konnte dadurch die Sache mit Nadia verarbeiten, wenn das auch immer ein Kritikpunkt bleiben wird: Für mich war Nadia immer ein Hindernis, das Sayid von einer baldigen neuen Liaison hätte abhalten sollen. Schließlich war Nadia der Grund gewesen, warum Sayid letztendlich im Flieger nach L.A. war (wie wir in #1.21 Ein Höheres Ziel erfuhren). Innerhalb von einem Monat hatte er diese dann offenbar vergessen und sich Hals über Kopf in Shannon verliebt; eine Sache, die irgendwie nicht ganz so gut durchdacht war. So bleibt Shannons und Sayids Liebesgeschichte zwar schön, hat aber meiner Meinung nach diesen einen Makel, der sich Nadia nennt.

Goodbye, Shannon Rutherford

Das absolute Highlight der Episode ist natürlich das Ende: Shannon stirbt in Sayids Armen! Erschossen von Ana-Lucia. Eine geniale und unerwartete Wendung. Shannons Fans werden geweint haben und auch welche, die sich nie großartig für Shannon erwärmen konnten, werden mit offenem Mund vor dem Fernseher gesessen sein.

Um der Figur der Shannon noch mal mehr Tiefe zu verleihen, bevor sie das Zeitliche segnet, bekommen wir einen komplexen und inhaltlich sehr voll gepackten Rückblick, der sie auf der Sympathieskala ein ganzes Stück weiter nach oben bringt: Wir erfahren, wie Shannon zu der Person wurde, die wir bisher kannten. Dass sie sehr unter der Ehe ihres Vaters mit Boones Mutter litt und besonders nach dem Tod des Vaters in ein Loch fiel, aus dem sie nur herauszukommen vermochte, indem sie begann, Männer auszunutzen und schließlich Boone, der eigentlich der einzige Mensch war, den sie noch hatte. Ihre Entwicklung vom liebenswerten Teenager über eine arrogante, verwöhnte junge Frau bis hin zu der reiferen Shannon, die sich schließlich in einen Iraker verliebt (den sie vorher ausgenutzt hatte, wie alle anderen auch, man erinnere sich an #1.23 Exodus (1)), hat mit diesem Tod einen guten und vor allem hochtragischen Abschluss gefunden.

Sawyer am Ende seiner Kräfte

Der Mann, der sonst immer alles aushält – Sawyer – gelangt in dieser Episode schließlich auch einmal ans Ende seiner Kräfte. Wie immer ist er unglaublich stur und nimmt partout keine Hilfe an, doch als er zusammenbricht, sehen wir, dass unsere drei Lostaways viel enger zusammengeschweißt sind, als es den Anschein hatte: Jin und Michael, die sich anfangs wegen Sun an die Gurgel gesprungen sind, sind zu Freunden geworden und auch für Sawyer, der immer alle auf Abstand hält, haben sie zumindest so viel Sympathie, dass sie ihn nicht zurücklassen können. Rührend ist die Szene, in der Michael und Jin den halbtoten Sawyer nicht aufgeben wollen und Sawyer sich dafür schämt, so egoistisch gehandelt zu haben, als Michael in #2.05 Gefunden im Dschungel verschwand.

Das Rätsel um die "Anderen"

Durch das Treffen von Michael, Jin und Sawyer auf die anderen Überlebenden des Flugs 815 kommen wir dem Geheimnis um die "Anderen" immer wieder ein Stückchen näher. In der letzten Episode konnten wir sie zum ersten Mal sehen und diesmal erzählt Ana-Lucia endlich ein wenig über die schrecklichen Ereignisse, die den anderen Überlebenden aus dem hinteren Teil des Flugzeugs widerfahren sind.

Wir wissen, dass es anfangs 23 Überlebende waren (so Libby in #2.04 Alle hassen Hugo) und nun wissen wir auch, dass in der ersten Nacht drei von ihnen von den "Anderen" entführt wurden und nach zwei Wochen wiederum neun. Zudem haben wir noch Goodwin, der tot ist. Damit müssten noch zehn Personen übrig bleiben - doch Ana-Lucias Gruppe besteht nur aus Mr. Eko, Libby, Roses Ehemann Bernard, Cindy und ihr selbst, also sind sie zu fünft. Was ist also mit den anderen fünf, die auch den Absturz überlebt haben müssen? Und wo ist jetzt eigentlich Cindy?

Madonnen und schreiende Babies: Claire, Charlie und Locke

In einer schönen Storyline, die abseits von aller Action und Tragik am Strand im Camp der Lostaways spielt, sehen wir endlich wieder Claire und Charlie zusammen. Claires genervte Reaktion auf Charlie, der sich wie der Vater von Aaron aufführt, ist verständlich. Ebenso verständlich allerdings auch Charlies Verhalten, der sich für Claire und das Baby verantwortlich fühlt, nicht zuletzt wegen seiner besonderen Sympathie für Claire, und eifersüchtig wird, als diese sich zu Locke wendet. Eine Eifersucht, die völlig unbegründet ist, wie Locke selbst klarstellt. Dieser weiß nun auch bescheid, dass Charlie von den Madonnen und somit auch von den Drogen weiß. Ob Charlie wieder rückfällig wird? Oder wird Locke das zu verhindern wissen, falls es dazu kommt?

O Jack and Kate, where art ye?

Auch wenn es nur eine Nebensächlichkeit ist: Jack und Kate glänzten in dieser Episode durch ihre Abwesenheit. Lediglich Jack sah man für einen Moment in Shannons Rückblick im Krankenhaus. Ansonsten waren sie zum ersten Mal in einer Episode nicht zu sehen. Einige mögen sie vermisst haben, andere nicht. Doch zugegeben: Hatten wir in den ersten Episoden der Staffel nicht erstmal genug von den beiden? Umso mehr können wir uns auf die nächste Folge freuen, in denen wir sie sicherlich wieder zu Gesicht bekommen werden.

Maria Gruber - myFanbase

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