Review: #4.12 Die Rückkehr (1)

Hätte mich jemand vor vier Jahren gefragt, wie ich mir das Ende von "Lost" vorstelle, dann hätte ich wohl geantwortet, dass die Serie mit der Rettung der Verschollenen endet. Die Losties kehren zurück, es gibt ein großes Wiedersehen mit den Familien, viele Tränen werden vergossen, alle sind glücklich. Prinzipiell das also, was zu Beginn von #4.12 Die Rückkehr (1) passiert. Aber es ist wohl klar, dass dieser Auftakt zum dreiteiligen Staffelfinale nur der Anfang ist – der Anfang eines fantastischen Finales und einem fantastischen letzten Drittel dieser fantastischen Serie.

Fantastisch? Aber ja.

"They're referring to you as the Oceanic Six."

#4.12 zeigt uns zunächst einmal, wie die Oceanic Six zu den Oceanic Six wurden. Während die erste Hälfte der vierten Staffel sich vor allem darum drehte, wer die Oceanic Six sind, stellt sich nun vielmehr die Frage, wieso ausgerechnet Jack, Kate, Aaron, Sun, Hurley und Sayid die Einzigen sind, die zurückkehren. Dass etwas im Busch ist, ist ganz klar – nur, was ist die wirkliche Geschichte und wieso tischen sie diese große Lüge auf?

Als sich die Oceanic Six dem Blitzlichtgewitter und den Fragen der Journalisten stellen, hören wir erstmals die komplette "offizielle Story" der Rettung: laut dieser haben nur acht Leute den Absturz überlebt, Mama Kate ist die Heldin der Nation und der Grund für ihre Rettung war ein wundersamer Taifun, der ihnen ein Fischerboot zuschwappte, sodass sie schließlich nach Manukangga segeln konnten und dort nach insgesamt 108 Tagen (108=4+8+15+16+23+42) gerettet wurden.

Fällt euch was auf? Genau, diese Story ist ziemlich... wirr.

Nach der Pressekonferenz wird Sayid dann von einer gewissen Noor Abed Jazeem erwartet, die sich als Nadia entpuppt. Was folgt, ist eine unglaublich emotionale Szene, die Naveen Andrews und Andrea Gabriel wunderbar gespielt haben. Sie projizierten die gesamte Tragik der Beziehung von Sayid und Nadia in diesen einen Moment: nach Jahren der Suche finden sie sich endlich wieder, nur um sich – und das macht die Geschichte noch tragischer – kurze Zeit später für immer zu verlieren. Genial, wie Sayid mit Tränen in den Augen blinzelte, so als könnte er es kaum glauben, dass es tatsächlich Nadia ist. Neben der nicht weniger emotionalen Sequenz, in der das Flugzeug auf der Militärbasis landete und sich alle in die Arme fielen, ist das Wiedersehen von Sayid und Nadia definitiv ein Highlight dieser Episode.

"Jesus Christ is not a weapon."

Das Flashforward geht noch weiter, als uns die Rettung von der Insel zu zeigen: es zeigt uns darüber hinaus auch, wie sich die Losties wieder in ihrem alten Leben zurechtfinden und füllt somit wichtige Puzzleteile innerhalb des Flashforward-Konstrukts, das man in der vierten Staffel so brillant aufgebaut hatte. So wohnt Hurley wieder bei seinen Eltern und holt sich immer noch gerne das Essen bei seinem alten Arbeitgeber Mr. Cluck's Chicken Shack (#2.04, #3.10). Doch schon bald wird Hurley von der Insel regelrecht verfolgt: zwar sind die Kokosnuss am Boden und die flüsternden Stimmen wohl nur der Überraschungsparty zuzuschreiben, die seine Eltern für ihn schmeißen, doch als Hurley auch noch die Zahlen 481516 und 2342 auf dem Tacho des Camaros entgegenstarren, ergreift er erstmal die Flucht.

Sun hat es stattdessen geschafft, sich endlich von ihrem Vater zu befreien: sie nutzte die Abfindung von Oceanic dazu, sich Anteile an der Firma ihres Vaters zu kaufen und so beachtliche Kontrolle über Paik Industries zu erlangen. Bei Mr. Paiks entsetztem Blick saß sicherlich nicht nur ich mit einem süffisanten Grinsen vor dem Bildschirm. Doch wo ist Jin? Ist er wirklich tot? Und was meint Sun, als sie sagt, dass Mr. Paik einer von zwei Menschen sei, die an dem Tod von Jin verantwortlich wären? Wer ist die zweite Person?

Zu guter Letzt sehen wir noch Jack, der zehn Monate nach dem Flugzeugabsturz, also etwas mehr als ein halbes Jahr nach der Rettung von der Insel, eine Grabrede für seinen Vater hält. Doch der richtig interessante Teil folgt danach: Jack wird von Mrs. Littleton, Claires Mutter, angesprochen, die doch tatsächlich wieder aus dem Koma (#3.12) erwacht ist. Sie erzählt Jack, dass Claire seine Halbschwester ist und Jack ist völlig von den Socken. Ob Kate das Gespräch mitgehört hat?

"You don't get to die alone."

Auf der Insel steigen wir direkt dort ein, wo in der letzten Folge die Ereignisse aufgehört haben: alle fragen sich, was das Satellitentelefon zu bedeuten hat, das vom Himmel gefallen ist und Sun kommt die glänzende Idee, doch einfach mal anzurufen, anstatt irgendwelche unüberlegten Aktionen zu starten. Am anderen Ende der Leitung hören sie allerdings nur Keamy, der die Orchid-Station erwähnt. Klar, dass Jack gleich mal losdüsen will, um den Hubschrauber zu suchen und Kate mitnimmt.

Dan hat unterdessen ein Déjà-Vu: er erinnert sich an die Orchid-Station und findet sie tatsächlich in seinem Tagebuch – wer genau hingesehen hat, wird erkannt haben, dass das von Daniel gezeichnete Symbol für die Orchid-Station dasselbe ist, wie das auf Bens Winterparka (#4.09). Dan scheint irgendwie zu wissen, was passieren wird, doch woher? Hat er alles schon einmal erlebt?

Kate und Jack jedenfalls machen sich auf in den Dschungel und treffen auf die Superdaddys Sawyer und Miles samt Aaron. Man verliert nicht viele Worte und tauscht sofort die nötigen Informationen aus – definitiv ein Punkt, der sich seit Staffel 1 stark gebessert hat. Jack will natürlich heroisch allein weitergehen, doch Sawyer stapft ihm genervt durch die Büsche hinterher. Sehr amüsante Szene. Die beiden finden schließlich den Hubschrauber, der unfreiwillig von Frank bewacht wird. Als dieser ihnen erzählt, dass Keamy Jagd auf Ben macht und damit auch auf Hurley, trifft Jack den Nagel auf den Kopf, als er frustriert Sawyers Lieblingszeile "Son of a bitch!" vor sich hinflucht.

"How many times do I have to tell you, John? I always have a plan."

Unser Traumtrio – Ben, Locke und Hurley – rennt währenddessen immer noch kreuz und quer über die Insel, auf dem Weg zur Orchid-Station. Dabei entdeckt Ben eine alte Kiste wieder, die unter anderem einen Spiegel, ein Fernglas und 15 Jahre alte Kracker beinhaltet, die Hurley gleich mal in sich hineinstopft ("You know those are 15 years old." – Herrlich). Ben benutzt den Spiegel, um irgendjemand, höchstwahrscheinlich den Anderen, eine Nachricht zu vermitteln. Was genau Ben plant, wird sich sicherlich noch in den nächsten zwei Folgen klären, aber eins ist schon mal klar: Ben hat immer einen Plan.

Die drei erreichen schließlich die Orchid-Station, eine Art Gewächshaus mit unterirdischem Geheimlabor. Keamy und seine Männer sind allerdings schon dort. Kein Problem für Ben: er erklärt einem überforderten Locke innerhalb von 10 Sekunden, was zu tun ist, steht auf – und ergibt sich!

Somit ist er auch schon wieder vorbei, der erste Teil des dreiteiligen Finales, dessen Ereignisse in einer unglaublichen Intensität und Dichte präsentiert wurden. Insgesamt aber schaffte diese Folge es, genau das zu tun, was sie tun sollte: die Weichen stellen für das Grande Finale, welches zweifellos in den nächsten beiden Episoden seinen Lauf nehmen wird. So bringt Dan die erste Truppe weg von der Insel zum Frachter, Sayid und Kate werden bei ihrem Trip durch den Dschungel von den Anderen geschnappt und Desmond grinst wie ein Honigkuchenpferd – allerdings nur so lange, bis er den Raum sieht, den Keamy bis oben hin mit C-4 vollgepackt hat.

Und das letzte Wort hat natürlich mal wieder Ben. Fantastisch.

"My name is Benjamin Linus. I believe you're looking for me?"

Maria Gruber - myFanbase

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