Bewertung

Review: #1.04 Step in the Arena

Foto: Marvel's Luke Cage - Copyright: Netflix.® All Rights Reserved
Marvel's Luke Cage
© Netflix.® All Rights Reserved

"No one can cage a man if he truly wants to be free."

Den Netflix Marvel Serien gelingt das Kunststück in ihren Superheldengeschichten mit Genre-Tropen zu spielen und die außergewöhnlichen Fähigkeiten ihrer Hauptprotagonisten fast beiläufig in das Narrativ zu integrieren. Bei "Jessica Jones" hatten wir es von der Erzählweise, der Inszenierung und dem Tonfall mit einem klassischen Film-Noir zu tun, bei dem die Hauptprotagonistin eben als besondere Eigenschaft übermenschliche Kräfte hatte. In den ersten drei Folgen von "Luke Cage" war dessen Unverwundbarkeit zwar auch stets präsent und ein wichtiger Teil seiner Etablierung als Figur, trotzdem hatte auch diese Serie nicht das Flair einer klassischen Marvel-Superheldengeschichte, welche vergleichbar wäre mit den viel grelleren, verspielteren und auch familientauglicheren großen Kinoblockbustern.

Die vierte Folge sticht nun aber noch einmal besonders heraus, wird hier doch die für jedes größere Superhelden-Narrativ substanziell-wichtige Origin-Story erzählt, die zum Ende zwar vertraute Bilder der Entstehung eines neuen Superhelden generierte, diese aber geschickt mit einer packenden Befreiungsgeschichte verband, die von Minute zu Minute eine immer größere Wucht entfaltete und den Zuschauer in seiner körperlich spürbaren Intensität schier überrollte. Angesetzt wurde hier zunächst direkt nach der Attacke von Cottonmouth, der wie es sich für einen comichaften Schurken gebührt, mit einer Panzerfaust den Häuserblock von Luke Cage zerstörte und ihn zusammen mit seiner Vermieterin in einem Trümmerhaufen vergrub. In den Trümmern liegend erinnert sich Luke nun an seine Vergangenheit, eine Zeit, als er noch den Namen Carl Lucas trug und sich nach einer Verurteilung dem brutalen Gefängnisalltag stellen musste.

Spiegelbildlich zum Zustand Lukes zu Beginn der Serie, will er im Gefängnis zunächst unabhängig bleiben und nur Verantwortung für sich selbst tragen. Auch hier wird er bereits von Dämonen der Vergangenheit verfolgt, die ihn wohl fälschlich in das abgelegene Gefängnis Seagate brachten. Ähnlich wie in der gegenwärtigen Erzählung gelingt es aber auch Carl Lucas im Gefängnisalltag nicht, sich längerfristig von den Geschehnissen und vor allem Menschen zu distanzieren und zurückgezogen seine Strafe abzusitzen. Er freundet sich schnell mit dem Insassen Squabbles an, der für ihn ähnlich wie Pop schnell zu einem engen Vertrauten wird. Dazu geht er langsam auch auf die Gefängnispsychologin Reva zu, die – wie wir bereits aus wissen – zu seiner großen Liebe werden wird. Dieses sich Öffnen und das Aufbauen von Beziehungen, die im brutalen Gefängnisalltag essentiell sind, macht ihn gleichzeitig auch verletzlich und führt dazu, dass der sadistische Wärter Albert Rhackham ihn dazu zwingen kann in brutalen Kämpfen anzutreten. Dieses Aufeinanderhetzen der Insassen und der Versuch von Seiten Rhackhams den resistenten Hünen Carl Lucas dadurch nach und innerlich, wie äußerlich zu brechen mündet in harten, dreckigen und vor allem blutigen Kampfsequenzen, die ein perfide Art der Unterdrückung offenbaren. Hier wird ganz deutlich und schmerzlich direkt eine Brücke zur Zeit der Sklaverei gezogen, die in den Hallen von Riverdale nie zu Ende gegangen ist.

Das Gefängnis ist hier also eine Institution der Unterdrückung und erzwungenen Unterwerfung, aus der sich Carl Lucas durch seine Transformation zu Luke Cage schlussendlich befreien kann, in dem er die Mauern des Gefängnisses und seiner dort angelegten Fesseln mit den bloßen Fäusten niederreißt. Davor verliert er aber mit Squabbles wieder einen engen Vertrauten, der dem Machtspiel zwischen ihm und Rhackham zum Opfer fällt. Schließlich gelingt Rhackham auch die körperliche Brechung von niedergestreckten Carl Lucas, der nur durch eine experimentelle Heilung des Arztes Burstein am Leben erhalten wird. Durch eine Intervention des Experiments durch Rhackham, welcher Lucas Tod sehen will, nimmt das Experiment – wie so oft bei der Entstehung von Superhelden – aber einen unerwarteten Verlauf und lässt nicht nur alle Wunden heilen, sondern macht aus dem ehemaligen Polizisten, nun Insassen eine unverwundbare Kampfmaschine, die sich später Luke Cage nennen wird.

Neben der Erzählung der Transformation zum Superhelden erzählt die Folge aber auch den Beginn der Liebesgeschichte zwischen Luke und Reva, die dann aufgrund von Kilgrave in der Serie "Jessica Jones" so brutal beendet wird. Das sich langsam aufbauenden Vertrauen zwischen dem Gefängnisinsassen und der Psychologin sorgt für die ruhigeren, berührenden Momente und mündet nach dem Ausbruch von Lucas schließlich in einem Gespräch, welches zeigt, wie Carl Lucas zu seinem einprägsamen Namen Luke Cage gekommen ist: Lukes Vater war ein Pfarrer und hat seinem Sohn stets einen Vers aus dem Lukas-Evangelium vor Augen gehalten, gleichzeitig ihm mit dem Spruch "No one can cage a man if he truly wants to be free." ein prägendes Lebensmotto mit auf den Weg gegebenen, welches ihn stets daran erinnert für ein freiheitliches Leben einzutreten.

Die letzten zehn Minuten dieser Folge können dann auch sicher zu den stärksten der bisherigen Serie gezählt werden, nicht nur durch die beeindruckenden Montage, in der gleichzeitig gezeigt wird wie Luke die Gefängnismauern niederreißt und in der Gegenwart aus den Trümmern des zerstörten Gebäudekomplexes emporsteigt, sondern auch durch das Aufzeigen der Besonderheit der Beziehung von Luke und Reva, die beide versuchen müssen sich ein neues Leben aufzubauen. Die Ermittlungsarbeit von Misty gerät da zur Nebensache, was aber auch notwendig ist, um die Entstehungsgeschichte von Luke Cage den notwendigen Raum zu geben.

Fazit

Die vierte Folge tritt zurück vom dominierenden Plot der ersten drei Folgen und nimmt sich Zeit aufzuzeigen wie aus dem ehemaligen Polizisten und Gefängnisinsassen schließlich der unzerstörbare Luke Cage wurde. Diese Geschichte wird einerseits als mitreißendes, hartes und teils sehr blutiges Charakterdrama erzählt und andererseits als mit großen Gesten und Bildern operierende Befreiungsgeschichte. Mit dieser Folge erreicht "Luke Cage" nun vorläufig seinen Höhepunkt. Auch für sich genommen eine ganz starke Stunde serieller Unterhaltung.

Moritz Stock - myFanbase

Die Serie "Marvel's Luke Cage" ansehen:


Vorherige Review:
#1.03 Who's Gonna Take The Weight?
Alle Reviews

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier mit anderen Fans von "Marvel's Luke Cage" über die Folge #1.04 Step in the Arena diskutieren.