Bewertung
Dear Reader

Idealistic Animals

Mit dem zauberhaften "Replace Why With Funny" gelang Dear Reader 2009 eines der beeindruckendsten Debütalben des Jahres. Seitdem hat sich viel verändert. Denn nach der Trennung von Bandkollege Darryl Torr und ihrem Umzug von Südafrika in die deutsche Hauptstadt stand Singer/Songwriterin Cherilyn MacNeil plötzlich ganz alleine da. Nun ja, nicht ganz, fand sie in Berlin Zoo doch offenbar 11 tierische Gefährten, zu deren Ehren sie ein neues Album aufnahm.

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So wie schon das überaus knuffige Artwork des Vorgängers die zuckersüße Melancholie der Songs auf der Platte sehr gelungen widerspiegelte, so fängt auch das Albumcover von "Idealistic Animals" die Atmosphäre der dahintersteckenden Musik perfekt ein. Denn schon im Opener "FOX (Take Your Chances)" fühlt man sich angehörs der elegischen Basslines, der wabernden Elektronik und der gespenstischen Chöre im Hintergrund mental sogleich in einen geheimnisvollen Märchenwald versetzt. Von der obersten Baumkrone ruft ein Uhu, hinterm Busch lauern schlaufuchsige Streicher und auch ein kleiner, verängstigter Elefant scheint sich in diese sagenhafte Welt verlaufen zu haben, tönt von fern doch der Klang einer verhaltenen gedämpften Trompete.

Diese düstere und doch nahezu magische Stimmung kommt einem irgendwie sehr bekannt vor und spätestens wenn im darauffolgenden "MONKEY (You Can Go Home)" wohlvertrautes Klavierklimpern einsetzt und gegen Ende ein anarchisches Schlagzeug die wilden Tiere zu verscheuchen versucht, weiß man instinktiv: Da war wohl wieder Ramona Falls' ("Intuit") Mastermind und Ex-Menomena-Mitglied Brent Knopf ("Mines") als Produzent am Werk. In der Tat wurde das Album von Knopf in dessen Heimat Portland, OR abgemischt und von seinen unverwechselbaren Sound-Visionen hörbar stark beeinflusst. Mit dieser Erkenntnis erübrigen sich eigentlich jegliche potentielle Zweifel an der Qualität von Dear Readers Zweitwerk, denn Brent Knopf ist sowas wie das Rumpelstilzchen der Musikmärchenwelt – was auch immer er anfasst, wird zu Gold.

Dabei handelt es sich im Fall von "Idealistic Animals" aber um recht mattes Gold, denn der prächtige Glanz des Debüts weicht auf der neuen Platte vielmehr einem zarten, wenn auch sehr edlen Schimmern. Zwar gibt es sie hier und da immer noch, die jauchzenden Momente, die einem durch ihr fröhliches Strahlen gleich ein fettes Grinsen ins Gesicht zaubern – zum Beispiel in Form von funkigen Bläsern in "MOLE (Mole)" oder groovigen Ohrwurmmelodien im unwiderstehlichen "BEAR (Young's Done In)". Insgesamt wirkt das Album jedoch sowohl musikalisch als auch textlich deutlich melancholischer, dichter, komplexer und dementsprechend auch nicht ganz so zugänglich wie der Vorgänger. So fungiert das zum Refrain umfunktionierte Seufzen Miss MacNeils in "EARTHWORM (All Hail Our Ailing Mother)" gewissermaßen als Sinnbild für das gesamte Album. Denn auf "Idealistic Animals" steht allem voran die Schwermut im Mittelpunkt, auch wenn ihr mithilfe eines ganzen Sammelsuriums an Instrumenten stets ein mal mehr, mal weniger flauschiges Fell übergezogen wird. Man braucht also ein bisschen Geduld, weil einen die teils scheuen, teils angriffslustigen Tiere nicht sofort an sich heranlassen. Wenn man sie aber erst einmal gezähmt hat, würde man sich in MacNeils Märchenwald am liebsten gleich ein kleines, kuscheliges Lebkuchenhäuschen bauen.

Fazit

Trotz seiner offenkundig metaphorischen Wesensart ist "Idealistic Animals" ein Album, das sein Herz auf der Zunge trägt. Sängerin Cherilyn MacNeil fiel nicht nur buchstäblich vom Glauben ab, sie trennte sich auch noch von ihrem langjährigen Bandkollegen und zog alleine in ein völlig fremdes Land. Da scheint es kaum verwunderlich, dass auf ihrem neuesten Werk alle möglichen Zweifel und Ängste an die Oberfläche sprudeln. So versprüht das Album zwar nur selten den leichtfüßigen Charme des Vorgängers, wirkt dafür aber insgesamt deutlich erwachsener.

Anspieltipps

MONKEY (You Can Go Home)

MOLE (Mole)

WHALE (Boohoo)

BEAR (Young's Done In)

Artistpage

DearReaderMusic.com

Tracks

1.FOX (Take Your Chances)
2.MONKEY (You Can Go Home)
3.MOLE (Mole)
4.EARTHWORM (All Hail Our Ailing Mother)
5.GIRAFFE (What's Wrong With Us)
6.MAN (Idealistic Animals)
7.CAMEL (Not Black Or White But Camel)
8.WHALE (Boohoo)
9.BEAR (Young's Done In)
10.ELEPHANT (Hearter)
11.KITE (Soon We'll Light Up)

Paulina Banaszek - myFanbase
13.09.2011

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