Bewertung

Review: #1.09 Liebesgeflüster

Foto: Hayden Panettiere, Nashville - Copyright: 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate
Hayden Panettiere, Nashville
© 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate

Dass das Familienleben nicht immer einfach ist, erfahren zwei Hauptcharaktere auf ganz unterschiedliche Weise. Außerdem stellt ein Rückfall in alte Zeiten die Weichen für die Zukunft und der Tour-Trubel hinterlässt seine Spuren bei Deacon.

"You know what they say, you don’t marry the man, you marry the family."

Die fünfwöchige Winterpause ist vorbei und damit erhalten wir endlich die Antwort auf den Cliffhanger um Juliettes Antrag an Sean. Ein kleiner Zeitsprung löst die Situation für mich überraschend unspektakulär auf. Man hat die Hochzeit abseits der Kameras bereits vollzogen. Doch damit ist Juliettes Bemühen um Anerkennung und Anschluss an Seans Familie noch nicht vorbei. Seans Mutter ist bereits um Schadensbegrenzung bemüht und fordert die kirchliche Trauung. Juliette scheint mir hiervon durchaus überrumpelt und eingeschüchtert, scheut sich aber auch nicht, den Kampf mit dem "Schwiegermonster" aufzunehmen. Doch dieser Kampf wird meines Erachtens nicht auf gleicher Augenhöhe geführt. Juliette betritt in Sachen Family Business Neuland und Seans Mutter weiß geschickt mit mehr oder weniger kleinen Provokationen die Dinge zu ihren Gunsten zu lenken und Juliette damit den ein oder anderen Stich zuzufügen. So kann Juliette den Angriff in Sachen Jolene ("I’m sure those rehab facilities are quite strict with patients leaving.") nicht 100%ig parieren und manövriert sich damit gegen ihren Willen in das Dilemma, ihre Mutter über die Hochzeit informieren zu müssen.

Das Treffen überzeugt einmal mehr durch Jolene, der man den Fortschritt ihres Entzugs bereits deutlich anmerkt. Während Juliette mit ihrer überstürzten Ehe die Realität und die Konsequenzen noch gar nicht erfasst hat, ist es ausgerechnet ihre Mutter, die die klaren Gedanken fassen kann. Kein Eheversprechen kann das Loch ausfüllen, das Juliette in ihrem Innersten verspürt. Wahre Worte einer doch liebenden Mutter, die auch aus eigener Erfahrung sprechen kann. Dass Juliette sich (zunächst) gegen die Worte ihrer Mutter sträubt, kommt da nicht überraschend. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass sie sich diese letztendlich doch zu Herzen genommen hat, den Wahnsinn hinter ihrer Aktion erkennt und daher Sean vergeblich vor dem Altar warten lässt. Eine glückliche Familie kann man sich eben nicht von heute auf morgen überstürzt und erzwungen besorgen. Indem sie die von Sean überreichte Familienkette ablegt, befreit sich Juliette von dieser Last. Auch ihre neue Familie ist nicht die von ihr gesuchte.

Ich kann mir nun auch absolut nicht mehr vorstellen, dass Sean und Juliette noch eine Chance haben. Und so tut es mir fast ein wenig Leid um Sean, aus dem die Autoren einfach zu wenig gemacht haben. Letzten Endes blieb die Figur einfach zu blass und brav. Sean mag ein durch und durch sympathischer Kerl sein, der meines Erachtens auch ein idealer Familienmensch und -vater sein wird, aber es fehlen ihm auch ein wenig die Ecken und Kanten. Für Juliette ist er letztendlich nur eine weitere Eroberung, aber sie braucht in einer Beziehung doch einen herausfordernderen Gegenpart. Aber vielleicht weiß Sean uns infolge der "Runaway Bride"-Aktion von Juliette ja noch zu überraschen.

"And I just think we need to be honest with each other. Because I don’t think this is about what’s been going on the last few weeks, I think it’s been going on the last few years."

Mit schwierigen Familienverhältnissen muss sich wieder einmal auch Rayna auseinandersetzen. Was sich im Winterfinale bereits ankündigte, bestätigt sich nun im Gespräch mit Liam ("My marriage, my family, it’s a mess."). Die kurzfristig anberaumte Tour mit Juliette ist für sie eine Möglichkeit, sich sowohl der Situation um Teddy und die (vermeintlich) verhängnisvollen Fotos, aber auch der Umklammerung ihres alles kontrollierenden Vaters zu entziehen.

Positiv überrascht bin ich von Teddy, der sich vehement gegen die erpresserischen Äußerungen Lamars und damit auf die Seite seiner Frau stellt. So haben wir Teddy schon früher kennen gelernt. Beim Angriff auf seine Familie kennt er keinen Spaß. Selbst vor Lamar scheut daher nicht zurück, auch wenn er ihm letztendlich nicht gewachsen sein wird. Lamar kennt aber auch wirklich keine Skrupel. Nicht einmal vor der eigenen (Enkel-)Tochter macht er halt. Seit der Pilotfolge dürfte das auch das erste Mal gewesen sein, dass die Vaterschaft um Maddie wieder ein Thema ist und sich hier sogar bestätigt, dass Teddy nicht ihr leiblicher Vater ist. Aufgrund Raynas Historie mit Deacon bleibt da eigentlich nur eine Schlussfolgerung. Mich wundert in dem Zusammenhang nur, dass Lamar über die Kenntnis von Teddy so überrascht war. Er ist doch sonst immer so gut über alles informiert.

Auf jeden Fall war ich zufrieden, dass sich ein möglicher Streit um das Sorgerecht für die Kinder schnell wieder in Wohlgefallen auflöste. Ich bin zwar kein überzeugter Anhänger der Lösung, dass man wegen der Kinder den Familienschein bewahren will, dennoch scheint mir das im Moment die sinnvollste Lösung zu sein. So stellen am Ende Rayna und Teddy fest, dass sie sich zwar lieben, aber wenn sie ehrlich zu sich selbst sind, eben nicht glücklich waren. Nach all den Jahren eine harte Erkenntnis. Auf jeden Fall empfand ich das als sehr traurigen, aber ehrlichen Moment, der beide betroffen wirken ließ. Es muss schwer sein, sich das einzugestehen und damit quasi das Scheitern der Ehe zu besiegeln.

"Oh, follow politics, do you?" – "Just the scandals." – "Right, you know something about that."

Ein Highlight für mich waren die Szenen im Studio zur Beginn der Episode, sowohl beim Warten auf Juliettes Ankunft, als auch das Gespräch der beiden Rivalinnen. Diese waren durchgehend mit Ironie und Sarkasmus gespickt, so dass eine Spitze die nächste jagte. Liams "spoilt pop tart” oder Raynas “You all should communicate better" in Bezug auf Glenns Reaktion auf Juliettes überraschende Hochzeit, sind hier nur einige Beispiele. Auch Juliettes Angriff auf Rayna ("Everything ok at home?") wird von ihr kurz darauf perfekt pariert ("Well, marriage is complicated"). Ich habe dieser Zickerei liebend gern zugesehen und bin der Meinung, dass es genau das ist, was die Serie braucht: die Konzentration auf die Rivalität der beiden. Der schnelle Start der gemeinsamen Tour stellt zumindest schon einmal die Weichen für mehr.

"I cannot believe I let myself forget how selfish you are. (…) You hurt people. People who do not deserve to be hurt."

Avery kann auch diese Woche keine Sympathiepunkte bei mir sammeln. Seine Entscheidung für die Solo-Karriere und gegen seine Band kam für mich jetzt alles andere als unerwartet. Scarlett hat es mit ihren Worten gut auf den Punkt gebracht, ebenso JT ("Not everybody is a fame whore."). Averys irritierte und durchaus verletzt wirkende Reaktion zeigt nur noch einmal mehr, in welch realitätsfernen Sphären er inzwischen schwebt ("I had to let him go, that’s a difference."). Welcher Unterschied soll das jetzt genau sein? Er kann doch nicht ernsthaft glauben, dass sich alles nur um ihn dreht und ihm alle bei seiner Entscheidung zujubeln. Grundsätzlich kann ich zwar schon zugestehen, dass man sich unter Freunden auch für den jeweils anderen freuen kann, aber häufig sind das Fälle, in denen man eben unabhängig von seinen Freunden zu diesem Erfolg gekommen ist. Ich kann die Enttäuschung von JT und seinen Kumpels auf jeden Fall gut verstehen.

Etwas schade empfand ich, dass Scarlett Avery gegenüber noch einmal einen Moment der Schwäche zeigte. Unter dem Aspekt ihrer allgemeinen Labilität kann ich das aber noch akzeptieren. Die Trennung sollte damit aber nun langsam einmal endgültig besiegelt sein. Zumindest wirkte Scarlett sogleich davon befreit. Bei ihrem Auftritt mit JT und Band erleben wir sie von einer ganz anderen Seite. Das meine ich nicht nur gesanglich, sondern auch in Bezug auf ihre Bühnenpräsenz, die sie uns als gelöste, wilde und selbstbewusste junge Frau präsentiert.

"Not to question your musical genius but you and Scarlett, ironic as it may be coming from me, you’re better together than you’re apart."

Den umgekehrten Weg beschreitet Scarlett dagegen mit Gunnar. Während sie zu Beginn der Folge beim gemeinsamen Liedtexten noch vor dem bockigen und eifersüchtigen Gunnar die Flucht ergreift, finden die beiden auf unterschiedlichen Wegen am Ende wieder zusammen. Dabei überrascht vor allem Hailey, die sich nach der Trennung von Gunnar nun auf ihre Karriere zu fokussieren scheint. In ihren offenen Worten an Gunnar steckt zumindest die Wahrheit. Es gefällt mir gut, wie sie das Scheitern ihrer noch kurzen Beziehung akzeptiert und Gunnar nichts Schlechtes wünscht. Sie hat offenbar für sich akzeptiert, dass Gunnar und Scarlett füreinander bestimmt sind.

Dagegen findet Scarlett über ihre unrühmliche Episode mit Avery und dem Bandauftritt zurück zu dem, was ihr wirklich am meisten Freude bereitet, die Arbeit mit Gunnar an ihren eigenen Songs ("Singing somebody elses songs just made me think how much fun I have singing ours."). Und so ist es dann auch der Song "Change Your Mind", der das Ende der Folge mit der tollen Szenen-Montage untermalt und mich fast zu Tränen rührt. Ein Songtitel, der außerdem sinnbildlich für viele Charaktere steht, die im Laufe der Episode ihre Meinung geändert haben.

"Me and happy, we don’t get along too good."

Von allen Storylines diese Woche, gefiel mir die von Deacon am wenigsten. Ich hatte ja schon letztes Mal geäußert, dass mir ein weiterer separater Handlungsstrang nicht so zusagt. Und weder inhaltlich noch von den beteiligten Figuren, konnte mich da auch nur ansatzweise etwas fesseln. Die Bandkollegen bleiben doch ziemlich farblos und selbst Cy ist mir zu eindimensional auf prollig getrimmt. Mich überrascht es auch nicht, dass Deacon sich in seiner neuen Rolle nicht richtig wohl zu fühlen scheint. Die Lautstärke und Größe der Hallen ist natürlich kein Vergleich zur Intimität des Bluebirds und selbst bei Raynas Konzerten ging es doch beschaulicher zu. Auch der Trubel um die Band und ihn selbst mit Presse- und Fototerminen bereiten ihm Unbehagen. Mir scheint, im Schatten von Rayna war Deacon bestens aufgehoben.

Auch die ihm von früher bekannte Reporterin Carmen Gonzalez brachte der Handlung kaum neue Erkenntnisse. Für Deacon bot sie sicher eine willkommene und hübsche Ablenkung von Rayna. Immerhin wurde uns noch ein Einblick in Deacons Seelenleben gewährt. Glücklich zu sein ist etwas, das er in seinem Leben wohl nur selten und kurz verspürte. Und dann war da noch eine Andeutung zu einem Autounfall, der möglicherweise der Auslöser für seinen Entzug war? Was da wohl genau passiert ist? Ich denke, das werden wir mit Sicherheit noch erfahren. Dennoch wünsche ich mir eine baldige Rückkehr von Deacon nach Nashville beziehungsweise in die Nähe von Rayna und Juliette.

Fazit

Das lange Warten hat sich gelohnt, denn Nashville meldet sich mit der, meines Erachtens, bislang besten Folge aus der Winterpause zurück. Die Rivalität zwischen Rayna und Juliette wird mit einer gehörigen Portion an Ironie und Sarkasmus bestens thematisiert, dazu kommen deren private Schicksale, die insbesondere in Juliettes Fall sowohl spannend als auch charaktertypisch erzählt werden. Der nun endgültige Bruch von Scarlett mit Avery bringt sie persönlich enorm voran und sorgt für ein eindrucksvolles Duett mit Gunnar. Davon in Zukunft gerne mehr. Dagegen fiel die Handlung um Deacon ein wenig ab, trübt aber den mehr als positiven Gesamteindruck nur gering.

Jan H. - myfanbase

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