Review: #1.10 Einsame Spitze
Abseits der Rivalität auf der gemeinsamen Tour, haben unsere Protagonistinnen ihre jeweils ganz eigenen privaten Probleme zu bewältigen. Der Wahlabend lässt Sieger und Verlierer mit unterschiedlichsten Gefühlen zurück, während am Horizont bereits neues Unheil heraufzieht. Zudem wird uns ein Einblick in die Vergangenheit eines Charakters gewährt, während ein anderer schon Allüren an den Tag legt, bevor die Karriere überhaupt richtig begonnen hat.
"I only plan to get married once to the right woman. And it’s not you."
Der Abschied von Sean ging jetzt doch schneller über die Bühne als ich dachte. Und ich muss zugeben, die Auflösung des Heiratsdilemmas ist den Autoren wirklich gut und stimmig gelungen. Anfangs der Folge war ich durchaus auf Juliettes Seite und war sogar recht beeindruckt, dass sie mit einer offiziellen Scheidung auch bereit war, die Verantwortung für ihr überstürztes Verhalten zu übernehmen. Aber Seans Absicht mit der geforderten Annullierung der Ehe war einfach noch überzeugender. Wir haben ihn ja schon beim Thema "kein vorehelicher Sex" mit einem konservativen Werte- und Familienbild erlebt, welches er auch hier zugrunde legt. Er will eben nur einmal in seinem Leben heiraten und zwar die Liebe seines Lebens. Mit einer Scheidung in seinen Papieren, würde diese Traumvorstellung jedoch unmöglich.
Im Verlauf der Folge setzt aber auch bei Juliette ein Lernprozess ein, der sie ihren Fehler mit der Hochzeit eingestehen lässt. Sie wirkt von der ganzen Geschichte wirklich betroffen, entschuldigt sich sogar bei Sean. Ein von ihr bislang unbekanntes Verhalten, das ihr bestimmt alles andere als leicht fiel. Zum „Dank“ führt ihr Sean mit seinen wahrscheinlich letzten an sie gerichteten Worten noch einmal vor Augen, dass sie im Grunde ganz alleine da steht und von Anfang an recht hatte. "You know you once told me that I wouldn’t like you very much if I got to know you. You were right."
Einen meines Erachtens nicht ganz unbeteiligten Anteil an Juliettes Lernprozess dürfte auch Liam gehabt haben. Wiederholt hatten sich die beiden in der Folge gezankt und es war Liam, der Juliette darauf hinwies, dass sie immer andere darum bitte, ihre Probleme zu lösen oder darauf bestehe, stets im Recht zu sein ("Oh that’s right, you’re never wrong. I forgot."). Ich glaube, sie hat sich zumindest unterbewusst auch seine Worte zu Herzen genommen, die letztendlich zu ihrer Entschuldigung führten.
"I put ‘em on, clicked my heels three times and I didn’t turn into Deacon. (…) Trying to turn me or anybody else into him is not gonna solve your problems."
Liam trifft es in dieser Folge überhaupt stets gut auf den Punkt. Sei es mit mehr oder weniger salopp vorgebrachten Ratschlägen oder auch mit seinen herrlich sarkastischen Kommentaren, die nicht nur ins Schwarze, sondern auch genau meinen Humor treffen. Er ist aber nicht nur witzig und frech, sondern dazu auch mit einer sehr guten Menschenkenntnis ausgestattet. Was er bei Juliette noch provokant, sarkastisch zum Ausdruck bringt ("The song isn’t going to get better with practice."), äußert er gegenüber der von ihm respektierten Rayna in einem ruhigen, sachlichen Ton und dabei stets ehrlich und geradeaus. Überhaupt ist die Chemie zwischen den beiden auf einer angenehm platonischen Ebene richtig klasse.
Mit seiner Einschätzung bezüglich Raynas Problem liegt Liam dann auch für mich goldrichtig: indem Rayna ihn mit Cowboy-Boots ausstattet, macht sie aus ihm noch lange keinen neuen Deacon und bekämpft so auch nicht ihre Angst auf der Bühne vor der ungewohnten und neuen Situation. Rayna benötigt hier einen sicheren Rückhalt, den sie durch fehlendes Vertrauen zum neuen Gitarristen nicht verspürte. Bei Liam verspürt sie inzwischen diese Sicherheit und freut sich daher über seine (Aus-)Hilfe.
Mir gefiel im Zusammenhang mit Rayna auch ihre gegenüber Liam geäußerte Einstellung zu ihren Fans. "We came up here to remind ourselves that people paid good money for these seats even though they weren’t ever gonna be that close to the music. We want to remind ourselves to play out to them." Das ist ein wirklich schöner Gedanke, der Raynas Bodenständigkeit und ihre Dankbarkeit an ihre Fans verdeutlicht. Ohne ihre Fans könnte sie nicht ihren Traum leben und Musik machen. Daran sollte sich wirklich jeder Künstler immer wieder erinnern.
"Congratulations Mister Mayor."
Teddy ist nun also Nashvilles neuer Bürgermeister. Und dabei ist es nicht einmal Lamars erneut skrupelloses und drastisches Verhalten mit dem in Unwissenheit von Teddy getätigten Stimmenkauf, das ich an diesem Handlungsstrang am erwähnenswertesten finde. Übrigens macht auch Raynas Schwester Tandy hier alles andere als eine gute und sympathische Figur. Durch ihre Nähe sowohl zu Rayna als auch zu Lamar ist es undurchschaubar, auf wessen Seite sie wirklich steht.
Für mich besonders gut umgesetzt war aber der krasse Gegensatz im Familienleben der beiden Wahlkontrahenten. Während Coleman von seiner Frau am Vorabend der Wahl liebend unterstützt und aufgebaut wird, muss Teddy den Abend alleine zu Hause verbringen, unwissend, ob Rayna überhaupt zur Wahl kommen wird. Noch dazu muss er sich im Fernsehen die Erfolgsmeldungen seiner Frau anhören. Dabei muss er sich förmlich als "Verlierer" fühlen. Verdeutlicht wird dieser Kontrast auch noch einmal im größten Triumph Teddys. Während Colemans Frau in der Niederlage auf der Bühne ihrem Mann erneut zur Seite steht, sitzen Rayna und Teddy nahezu regungslos nebeneinander auf der Couch und können einander nicht einmal ansehen, geschweige denn die Hand halten. Das Unbehagen ist Ihnen förmlich ins Gesicht geschrieben. Die emotionale Entfernung der beiden, trotz der räumlichen Nähe, ist hier wortlos perfekt in Szene gesetzt worden. Vor Teddys Anhängerschaft darf Rayna dann noch einmal die "Good Wife" spielen. Ihr versteinertes Lächeln spricht dabei eine deutliche Sprache.
Der Wahlabend hinterlässt nun einige, spannende Fragen: Wie lange werden Rayna und Teddy das traute Familienleben noch aufrecht erhalten können? Wird der Wahlstimmenkauf von Lamar auffliegen? Und welche Rolle wird Peggy künftig noch in Teddy Leben spielen können? Die Anziehung der beiden lässt sich auf jeden Fall nicht abstreiten.
"Don’t you think a day goes by that I don’t feel guilty about leaving you? But I’m not the one who robbed the damn store."
Gut gefiel mir der Einblick in Gunnars Vergangenheit. Nach inzwischen neun Folgen wussten wir eigentlich gar nicht viel über ihn und schon gar nicht, wo er herkommt oder wo seine Familie abgeblieben ist. Ganz verwundern tut es dann letztlich auch rückblickend nicht, dass er anfangs gegenüber Scarlett nicht mit der Sprache herausrücken wollte, als es um seine Familienangelegenheiten ging. Mit einem großen Bruder, der acht Jahre im Gefängnis saß, hatte ich nun auch nicht gerechnet. Umso schöner ist aber Scarletts Reaktion, die mit der Wahrheit über Jason sehr unbeeindruckt und relaxed umgeht. Damit hätte Gunnar im Grunde eigentlich rechnen können.
Mich haben Jason und Gunnar auf jeden Fall sofort mit ihrem gemeinsamen Song überzeugt. Jason hat eine tolle Stimme und die Szene bot einfach einen schönen und intimen Moment, dem wir glücklicherweise beiwohnen durften. Daher ist es umso mehr schade, dass Jason trotz der langen Haft, offenbar nicht geläutert wurde. Für Gunnar scheint sich so die Vergangenheit zu wiederholen. Der große Bruder war sein Vorbild, zu dem er aufsehen konnte und durch den Ladenüberfall wurde er von ihm tief enttäuscht. Und auch wenn Gunnar es nicht schafft, Jason jetzt zur Vernunft zu bringen, erleben wir noch eine weitere schöne Szene der beiden. Denn auch Jason ist stolz auf seinen kleinen Bruder, der es im Gegensatz zu ihm vermeiden konnte, auf die schiefe Bahn zu geraten. Ich bin mir sicher, dass wir Jason damit aber nicht das letzte Mal gesehen haben und würde mich hier auch über mehr von ihm freuen, da er einen durchaus sympathischen Eindruck machte. Es lässt sich außerdem darüber spekulieren, ob Jason mit der Pistole wirklich das nächste krumme Ding drehen will oder ob er sich diese nicht eher zu Verteidigungszwecken besorgt hat.
"Promise me that you’ll be kind to yourself."
Deacon und die große Bühne im Scheinwerferlicht: die beiden kommen wohl nicht mehr zusammen. Er hadert noch immer mit sich und dem Rampenlicht und bestätigt meine Vermutung aus #1.09 Liebesgeflüster, dass er das Bluebird eben doch bevorzugt. Ganz zum Unverständnis von Scarlett, die vom Erfolg ihres Onkels und dem Umfeld, in dem er sich nun bewegt, sehr beeindruckt ist. Dabei gefiel mir einmal mehr die Vertrautheit und der Umgang von Deacon und Scarlett. Das hat wirklich etwas von einer Vater-Tochter-Beziehung. Die Vaterrolle konnte Deacon dann auch direkt ausüben, als er Scarlett von den heftigen Annäherungsversuchen des wirklich widerlich auftretenden Cy befreien muss. Damit ist dann auch das inzwischen ungeliebte Engagement von Deacon bei den "Revel Kings" abrupt beendet. Zum Glück kann ich da nur sagen, denn so richtig überzeugt war ich von diesem Handlungsstrang ja von Anfang an nicht. Dass Deacon dann auch nicht mit Scarlett und Gunnar zurück nach Nashville fährt, lässt mich zudem hoffen, dass er schneller als gedacht wieder im Umfeld von Rayna und Juliette auftauchen könnte.
"Your job is to work for me. And I wanna work with Dominic. So you can either get on board or get out of our way."
Dass Avery gerne an Selbstüberschätzung und Besserwisserei leidet, ist inzwischen ja nichts Neues. Auch in dieser Folge lässt er es sich wieder einmal nicht nehmen, den gut gemeinten Rat von anderen beiseite zu schieben. Man kann ja von Marilyn und ihrer Art, junge, männliche Klienten für sich zu gewinnen, halten was man will, ich bin aber doch überzeugt, dass sie einen guten Job macht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dominic Avery mit dem Vertrag ausnehmen will, ist doch ziemlich groß. Dass Avery im professionellen Musikbusiness noch unerfahren ist und sich somit leicht und gerne von Worten und schönen Dingen blenden lässt, dürfte auch Dominic nicht entgangen sein. Er weiß dies entsprechend für sich zu nutzen und Marilyn gegen ihren Klienten auszuspielen. Ich kann da wirklich nur einmal mehr den Kopf schütteln ob Averys Naivität. Da hat er noch nicht einen Song, geschweige denn ein Album veröffentlicht, und er tut so, als wisse er, wie das Geschäft läuft. Ganz ehrlich, ich glaube Avery wird schon sehr bald unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden.
Ein Lob will ich auch einmal an die Produktion aussprechen. Die Aufnahmen rund um das Konzert von Rayna und Juliette sahen durchweg beeindruckend hochwertig aus. Das betrifft sowohl den Zeitraffer beim Bühnenaufbau, die Aufnahmen in der noch leeren Arena und erst recht die Konzertaufnahmen selbst, die mit dem Publikum wirklich so aussahen, als wäre eigens in einer vollbesetzten Arena gedreht worden. Etwas ungewöhnlich, aber durchaus interessant umgesetzt, war auch das Videotelefonat von Rayna mit ihren Töchtern, bei dem die Kameraführung der Bewegung der Mobiltelefone folgte.
Fazit
Juliettes kurze Hochzeitsepisode wird schnell aber konsequent und stimmig zu Ende geführt, während Rayna und Teddy in ihrer Ehe sicher noch länger den Schein bewahren werden. Dennoch erhoffe ich mir wieder mehr Konzentration auf die Rivalität der beiden Sängerinnen. Der Wahlabend und die dazugehörigen Personenkonstellationen wurden klasse inszeniert. Mit Lamars Stimmenkauf und der Rückkehr von Peggy stehen bereits die nächsten Probleme ins Haus. Grundsätzlich ändert das aber nichts daran, dass ich mit diesem Handlungsstrang nach wie vor am wenigsten anfangen kann. Dass Deacons Ausflug in die Rock-Band bereits wieder vorbei ist, freut mich ganz besonders. Wohin die Reise mit Gunnars Bruder gehen wird, ist mir zwar noch unklar, aber mein Interesse daran ist durchaus geweckt.
Jan H. - myfanbase
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: I’m Sorry for You My FriendErstausstrahlung (US): 16.01.2013
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Erstausstrahlung (Pay-TV): 30.04.2013
Regie: Sanaa Hamri
Drehbuch: Dana Greenblatt
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