Bewertung

Review: #1.15 Gebrochene Herzen

Foto: Jonathan Jackson, Nashville - Copyright: 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate
Jonathan Jackson, Nashville
© 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate

Nach etwa zwei Dritteln der ersten Staffel stellt diese Folge eigentlich für alle Charaktere eine Art Zäsur da und sie müssen sich mit einem Neubeginn, einer neuen Ära auseinandersetzen. Für Avery bedeutet es, dass er dem schnellen Erfolg endgültig Lebewohl sagt, Juliette gesteht sich ihre Fehler ein und vor allem für Gunnar beginnt eine emotionale Zeit, denn der plötzliche Verlust seines Bruders führt zum Beginn seiner Beziehung mit Scarlett.

"Let it go, man, it is some dark crap and if you wanna hang onto something – hang onto her."

Am Ende der letzten Folge war ich zugegebenermaßen skeptisch bezüglich der überstürzten Ereignisse zwischen Scarlett und Gunnar. Es schien einfach so fehl am Platz zu sein, dass die beiden miteinander schlafen, direkt nachdem Gunnar von der Ermordung seines Bruders erzählt. Daher hat es mir gut gefallen, dass die gemeinsam verbrachte Nacht auch für die beiden eine unangenehme Situation war, mit der sie nicht sofort umgehen konnten und dass Scarletts Zuwendung nicht dazu geführt hat, dass die Welt für Gunnar plötzlich wieder in Ordnung ist. Denn dafür hat man in den vergangenen Folgen zu gut dargestellt, wie intensiv und eng die Beziehung zwischen ihm und Jason trotz oder vielleicht auch wegen aller familiären und persönlichen Probleme ist.

Die Wendung, dass Gunnar sich auf einen Rachefeldzug begibt und auf eigene Faust den Mörder seines Bruders finden will, hat den Bogen für mich dann allerdings fast schon wieder überspannt. Natürlich bringt ein tragisches Erlebnis wie der Tod des eigenen Bruders ganz andere Seiten einer Persönlichkeit zum Vorschein, aber das war mir dann doch etwas zu viel konstruiertes Drama und auch schauspielerisch hat mich zum Beispiel die Streitszene zwischen Scarlett und Gunnar in der Küche nicht ganz überzeugt. Gerettet wurde das Ganze dann allerdings definitiv durch Deacon, der Gunnar wieder zur Vernunft bringt und dabei wird endlich enthüllt, was der Grund für seinen eigenen Absturz vor vielen Jahren war. Deacon war also mitschuldig am Unfalltod eines Freundes und ist deshalb in seine Alkoholsucht und eine Depression abgeglitten, was ihn letztlich die Beziehung zu Rayna kostete. Ich hätte ehrlich gesagt keine Erklärung oder einen Grund für seinen Alkoholismus gebraucht, wobei natürlich auch fraglich ist, ob seine Alkoholsucht erst nach diesem Ereignis zu Tage getreten ist. Viel wichtiger finde ich, dass Deacons Neigung zur Depression, die im Verlauf seiner Tour mit den Revel Kings doch sehr deutlich wurde, eine längere Krankheitsgeschichte bekommt. Es gefällt mir, dass man immer wieder Einblicke in die Vergangenheit von Deacon und Rayna bekommt, da ihre gemeinsame Geschichte ganz offensichtlich extrem relevant für ihre Charakterentwicklung ist, aber wir als Zuschauer nur Bruchstücke davon kennen. Deshalb fand ich es sehr gelungen, dieses weitere Puzzleteil aus der Vergangenheit als Parallele zur aktuellen Story von Gunnar und Scarlett einzusetzen.

Obwohl Gunnars charakterlicher Aussetzer durch Deacon und Scarlett also wieder beendet wurde, wird es nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für die Beziehung zu Scarlett Konsequenzen haben. Denn aufgrund seines Nichtauftauchens bei dem Termin mit Marshall Evans wird anstatt des Duos nur Scarlett von Raynas neuem Plattenlabel aufgenommen. Deshalb bin ich bezüglich des neuen Traumpaars Scarlett und Gunnar auch am Ende dieser Folge wieder skeptisch: Ihr nächtlicher Moment in der Küche, als sie einander gestehen, dass ihre gemeinsame Nacht weder Mitleid noch ein Fehler war, hat mir zwar gut gefallen, aber ihre junge Beziehung wird in diesem frühen Stadium doch extrem belastet, indem sie nicht nur mit Jasons Tod, sondern auch mit Scarletts alleinigem beruflichen Erfolg klarkommen müssen.

"She has two parents and she needs us."

Wohin eine Beziehung führen kann, die von Anfang an unter keinem guten Stern steht, sieht man in dieser Folge deutlich an Rayna und Teddy, die große Schwierigkeiten haben, sich mit der neuen familiären Situation zu arrangieren. Es gefällt mir außerordentlich gut, dass ihre Geschichte nicht mit der Scheidung einfach beendet wird, sondern in aller schmerzlichen Konsequenz für die beiden und ihre Töchter weitererzählt wird. Dabei wird kein überspitzter Rosenkrieg dargestellt, sondern die Autoren schaffen es, die verzwickte Situation extrem authentisch und für alle Charaktere nachvollziehbar zu gestalten. Auch wenn Teddy zunächst wie die Antipathiefigur der Storyline wirkt, hat auch er gute Gründe für sein Verhalten. Schließlich hat er sich nach Jahren dazu durchgerungen, Rayna zu verlassen und will nun endlich die Farce beenden, ein glückliches Ehepaar zu spielen. Und dazu gehört eben nicht nur seine neue Beziehung zu Peggy, sondern auch die räumliche Trennung von Rayna. Dass er dabei so strikt ist und Rayna kurzfristig untersagt, mit ihrer verletzten Tochter nach Hause zu kommen, mag auf den ersten Blick extrem harsch wirken, aber letztlich versucht er damit nur, durch diese Regeln eine gewisse Struktur in die instabile, familiäre Situation zu bringen. Umso besser hat mir dann die Schlussszene gefallen, in der Teddy schließlich nachgibt und durch Raynas emotionale und gleichzeitig ungemein vernünftige Erklärung einsieht, dass sie trotz der Trennung in Bezug auf ihre Töchter nach wie vor ein Team sein und gemeinsame Entscheidungen treffen müssen.

Die Szenen zwischen Rayna und Maddie waren unglaublich berührend, sowohl im Krankenhaus, als es Rayna sichtlich das Herz bricht, dass sie sich nicht um das Wohlergehen ihres Kindes kümmern kann und dieses ihr buchstäblich entrissen wird, als auch am Ende der Folge, als sie Maddie die Gitarre schenkt, die sie damals von ihrer eigenen Mutter bekommen hat. Dass Maddie nun immer weiter in den Fokus dieser Trennungs-Storyline rückt, ist nicht überraschend, da mit dem Zerbrechen der Familie Jaymes/Conrad auch Teddys Vaterrolle für Maddie nicht mehr ganz so unantastbar ist. Aufgrund ihres Alters ist es nur logisch, dass sie sich mit der Trennung ihrer Eltern stärker auseinandersetzt als Daphne und es ist die Frage, wie viel Hinterfragen die fragile Familiensituation aushält. Ich hoffe jedenfalls, dass die Autoren auch weiterhin so sensibel mit dieser Storyline umgehen, da es bereits in dieser zweiten Folge nach der offiziellen Trennung zu tollen Charakterszenen und sehr emotionalen Momenten geführt hat.

"You don't take responsibility for anything, you hurt people around you all the time! Wake up!"

Bei Juliette setzt sich auch in dieser Folge die Achterbahnfahrt ihrer charakterlichen Entwicklung fort – wenn man bei diesem "Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück"-Schema überhaupt von einer fortlaufenden Entwicklung sprechen kann. Und ich muss ehrlich sagen: Mittlerweile ist Juliettes Verhalten so mühsam geworden, dass auch die kleinen Momente, in denen man einen tieferen Einblick in ihren Charakter bekommt, nur noch sehr wenig herausreißen können. Bei Juliette muss scheinbar immer alles eskalieren, bevor sie sich besinnt und zumindest kurzfristig etwas dazulernt.

So ist es dann zwangsläufig auch in dieser Folge, in der Juliette (mal wieder) nicht damit einverstanden ist, wie sie vom Plattenlabel promotet wird und daraufhin (mal wieder) ihren eigenen Kopf durchsetzt, ohne auch nur einen Moment über die Konsequenzen nachzudenken. Natürlich trägt diese Storyline durch Maddies Verletzung bei Juliettes Konzert erheblich zu der von Rayna und Teddy bei und natürlich ist es schön gemacht, wie sich ihr Egoismus bezüglich des Konzerts in den Therapiesitzungen und ihrem Egoismus bezüglich ihrer Mutter spiegelt. Aber die Autoren müssen langsam wirklich aufpassen, dass sie den Charakter Juliette nicht ihren anderen Storylines opfern, indem sie immer wieder zum Sündenbock gemacht wird.

Deshalb bleibt nur zu hoffen, dass die Fortschritte in dieser Folge nicht nur im Verhältnis zu Jolene, sondern auch in der Selbstreflektion von Juliette langfristiger sind. Denn dass die Autoren fähig sind, eine konsequente und gute Storyline für Juliette zu schreiben, zeigt sich in ihrer Freundschaft zu Deacon, die bislang wirklich schön aufgebaut und umgesetzt wurde. Deshalb finde ich es auch schade, dass mit Dante eine neue Figur diese Vermittlerrolle zwischen Juliette und Jolene einnimmt, in der Deacon bislang so toll fungiert hat. Wenn die Freundschaft zu Deacon nun auch noch eingeschränkt werden sollte, hat der Charakter Juliette bald alle Sympathiepunkte verloren.

"Good luck with your next big thing. It sure ain't me!"

Mein Underdog Avery kann hingegen in dieser Episode einiges von seinem Verhalten wieder gut machen, indem er sich weigert, im übertragenen Sinne seine Seele zu verkaufen und die Zusammenarbeit mit Dominic und Marilyn beendet. Dabei hat es mir sehr gut gefallen, dass es letztlich keine arrogante und selbstsichere Entscheidung war, wie in der Vergangenheit so viele in Bezug auf Scarlett und seine Freunde getroffen hat, sondern eine pure Verzweiflungstat. Averys Unsicherheit über seine musikalische Karriere wurde in den letzten Folgen sehr schön aufgebaut und es ist nur konsequent, dass er nun vor die Entscheidung Erfolg vs Identität gestellt wird. Denn nichts anderes würde Avery aufgeben, wenn er die Songs akzeptieren würde, die Dominic bis zur Unkenntlichkeit entstellt hat. Ich fand es sehr bewegend, wie er sowohl Marilyn als auch Dominic mit aller Eindringlichkeit davon überzeugen will, weshalb er seine Songs nicht irgendeinem momentanen Charts-Trend zuliebe verändern kann, da sie ein Teil von ihm sind und seine Musik ihn definiert.

Diese zutiefst künstlerische und aufrichtige Seite, die immer wieder zwischen Averys Arroganz durchblitzen konnte, kommt nun endgültig zum Vorschein und macht ihm selbst klar, dass er sich auf dem völlig falschen Weg befindet. Der radikale Schritt, seine Demos zu verbrennen, mag unüberlegt und hitzköpfig sein, aber es passt zu der Unbedingtheit des Charakters, die er von Beginn an an den Tag gelegt hat. Sein Abgang nach der letzten Auseinandersetzung mit Marilyn und Dominic mag mancher vielleicht als zu dick aufgetragen empfinden, aber für mich war die befreiende Wirkung, die es auf Avery hatte, völlig nachvollziehbar. Er hat sich selbst wieder gefunden und eingesehen, dass er sich trotz des kurzzeitigen Erfolgs weiter denn je von seinem eigentlichen Traum entfernt hatte und muss nun sämtliche Konsequenzen sowohl in Hinblick auf musikalische Karriere als auch in Bezug auf Scarlett tragen. Passend dazu steht er am Ende dieser Folge eben nicht auf einer großen Bühne, sondern findet sich bei der Open-Mic-Night im Bluebird wieder, wo nicht mal sein Name korrekt aufgerufen wird und die Liedzeilen "I'm gonna suffer the aching I've earned/Won't this wound ever the lesson I've learned" spiegeln Averys zwar befreite, aber in diesem Moment auch einsame und unsichere Situation sehr schön wieder.

"You just seem like you keep yourself available for Rayna."

Deacons Storyline rund um seinen neuen Hund und die Tierärztin Stacey trägt ungemein dazu bei, die doch sehr ernste und dramatische Folge durch einige charmante und humorvolle Szenen aufzulockern. Das fängt schon mit der Eingangsszene an, als Deacon in seiner Verzweiflung "Love Like Mine" anstimmt, um seinen Hund zu beruhigen und zieht sich anschließend durch die Unterhaltung mit Stacey und deren Abneigung gegen Countrymusik ("How do you know I play country music?" - "The cowboy boots, flanel shirt – if you are not country then you are lost, my friend!") und durch das Treffen mit Coleman ("That's not a practical birthday gift, man…" - "Tell me about it!") bis hin zu Deacons liebenswert-linkischer Verabredung mit Stacey am Ende der Folge.

Doch die lockere Stimmung bleibt nicht ganz ungetrübt, da Coleman völlig zu Recht Deacons Verhältnis zu Rayna anspricht. Schließlich steht der Kuss zwischen den beiden noch immer ungeklärt im Raum und es besteht kein Zweifel daran, dass Deacons Gefühle für Rayna nach wie vor ungemindert vorhanden sind. Auch wenn Stacey ein unglaublich sympathischer Charakter ist und man es Deacon absolut gönnen würde, dass er sein Glück mit einer anderen Frau findet, nachdem er jahrelang die Ehe von Teddy und Rayna mitansehen musste, frage ich mich deshalb doch, wieso er ausgerechnet jetzt auf die Idee kommt, sich voll und ganz auf eine neue Beziehung und nicht nur einen One-Night-Stand einzulassen. Nachdem er Rayna immer wieder vorgehalten hat, dass sie damals nicht auf ihn warten konnte, als er seinen Entzug machte, gibt er ihr nun ebenfalls keine Zeit, um die Scheidung von Teddy und vor allem das Zerbrechen ihrer Familie zu verarbeiten.

Aber vielleicht bekommen die beiden nun wirklich die Chance, ein bisschen auf Distanz zu gehen und sich nicht gleich in diese extrem komplizierte, belastete und intensive Beziehung zu stürzen. Es ist jedenfalls schön, Deacon zur Abwechslung auch mal lachend und befreit zu erleben – und wenn Stacey diese Seite an ihm hervorbringt, darf sie von mir aus gerne länger bleiben.

Fazit

Eine intensive Folge, die vor allem mit den authentischen und berührenden Storylines von Rayna und Teddy sowie Avery überzeugen kann und durch die humorvollen Szenen rund um Deacon wunderbar aufgelockert wird. Lediglich die stagnierende Storyentwicklung bei Juliette nervt mittlerweile ziemlich und mindert die Qualität der ansonsten durchweg guten Episode.

Lena Stadelmann - myFanbase

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