Bewertung

Review: #4.20 Alte Wunden

Foto: Clare Bowen, Nashville - Copyright: 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate
Clare Bowen, Nashville
© 2012 Andrew McPherson/ABC/Lionsgate

Nun steht es also fest: der US-amerikanische Sender ABC wird keine fünfte Staffel von "Nashville" in Auftrag geben. Sollte sich also nicht noch unerwarterterweise ein Retter in Form einer Streaming-Plattform finden, so haben wir mit "#4.20 It’s Sure Gonna Hurt" bereits die vorletzte Folge der Serie präsentiert bekommen. Angesichts der vielen offenen Handlungsstränge die nach dieser Episode bleiben, ist also kaum mit einem runden Serienfinale zu rechnen. Das offenbart, wie spät diese Entscheidung von ABC gefallen sein muss, zeigt zugleich aber auch, wie fahrlässig die Serienmacher gehandelt haben, die angesichts der schon lange kritischen Einschaltquoten sehr wahrscheinlich nicht dafür gesorgt haben, den Figuren bereits im Staffelfinale vorsorglich ein zufriedenstellendes Ende ihrer Geschichten zu spendieren. Das ist nicht nur für die Schauspieler schlimm, die wahrscheinlich so schnell kein neues Engagement für die kommende US TV-Season im Herbst ergattern können, sondern natürlich auch für die treuen Nashville-Fans, denen nach vier Jahren und 86 Folgen kein runder Serienabschluss vergönnt sein wird. Der ein oder andere Cliffhanger und unaufgelöste Handlungsstrang wird nach der ohnehin schon schwachen vierten Staffel für zusätzliche Frustration sorgen und den plötzlichen Abschied von dem ein oder anderen liebgewonnen Seriencharakter erschweren.

Werfen wir also einen Blick auf die aktuellen Handlungen und wagen eine Prognose für das Finale:

Scarlett & Gunnar

Könnte man für eine einzige Szene neun von neun Punkten vergeben, so würde ich diese ohne zu zögern an Clare Bowen für ihre herzzerreißende Szene im Rahmen ihres Fotoshootings vergeben wollen. Wer die Verfilmung von "Les Misérables“ aus dem Jahr 2012 gesehen hat, erinnert sich vielleicht wie ich an die viereinhalbminütige Szene, in der allein eine Nahaufnahme von Anne Hathaways Gesicht bei der Performance ihres Songs "I dreamed a dream" bildfüllend zu sehen war und ihr wohl auch gerade deswegen verdientermaßen einen Oscar bescherte. Den kann Clare zwar nicht verliehen bekommen, aber eines Emmys würdig, wäre diese Szene durchaus. Nun weiß ich zwar nicht, ob die Autoren sich auch an diesen zitierten Auftritt erinnert fühlten, aber im TV kann ich mich nun wirklich nicht daran erinnern, zuletzt eine derart intensiv emotionale Szene gesehen zu habe, in der allein über die Mimik so viel Schmerz, Leid, aber auch Sehnsucht vermittelt wurde. Nun ist es ja grundsätzlich keine neue Erkenntnis, dass Scarlett Gunnar noch immer liebt, aber gerade in den vergangenen beiden Folgen wurde quasi mit allen kaum nachvollziehbaren Mitteln daran gearbeitet, das bereits wieder gefundene Glück schon wieder zu zerstören. Hier bricht es aber nun aus Scarlett heraus. Es zeigt sich, wie sehr sie von Gunnars Ablehnung verletzt ist und wie sehr sie sich seine Nähe wünscht, aber nicht weiß, wie sie diese zurückgewinnen kann. Nun würde ich mir wirklich wünschen, man würde Scarlett alsbald von ihrem Leid befreien und sie wieder mit Gunnar vereinen, stattdessen wird diese herausragende Szene von den Autoren dadurch befleckt und in ihrer Wirkung zerstört, dass man ihr im nächsten Schnitt gegenüberstellt, wie Gunnar und Autumn, ausgerechnet Autumn (!!!), gemeinsam im Bett landen. Da dachte man sich wohl wie dramatisch das wirken würde, für mich war es aber nur ein großes Ärgernis, der diesen tollen Moment kaputt machte.

Finalprognose: Scarlett wird vermutlich von Gunnars Nacht mit Autumn erfahren und ein Happy End der beiden wird uns vergönnt bleiben.

Rayna & Deacon

Bei den beiden geht es mir gerade einfach viel zu schnell. Eben wollte Deacon noch zur Flasche greifen und jetzt sitzen sie schon beim Eheberater? Wenn ich jetzt aber einmal von diesem zeitlichen Aspekt absehe, dann ist es für mich jedoch eine positive Entwicklung, die hier eingeschlagen wird. Ich hatte wirklich die Befürchtung, dass diese von Maddie ausgelöste Krise die Beziehung der beiden ernsthaft beschädigen wird, bis hin sogar zu endgültigen Trennung. Doch die (kleinen) Anzeichen stehen auf Versöhnung und es ist einfach schön zu sehen, dass die beiden ihr Eheversprechen auch in schweren Zeiten aufrecht erhalten wollen. Noch schöner wäre es zudem gewesen, wenn der jeweils andere in der Sitzung voneinander gehört hätte, was im Einzelgespräch mit dem Therapeuten über seinen Partner gesagt wurde. Beide haben hier schöne und berührende Worte gefunden, die uns zeigen, wie sehr die beiden aneinander hängen, auch wenn sie in der momentanen Situation nicht in der Lage sind, dies zu äußern. Und so war dann die letzte Szene im Ehebett auch ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Rayna streckt ihre Hand nach Deacon aus und dieser ergreift sie, wenn auch mit ihr zugedrehtem Rücken. Ein Anfang ist gemacht. Maddie in dieser Folge nicht zu Gesicht bekommen zu haben, war übrigens eine Wohltat.

Finalprognose: Vielleicht wird es noch nicht die ganze große Versöhnung, aber Rayna und Deacon sind auf einem guten Weg und das beruhigt mich ungemein. In Sachen Maddie wird es aber wohl in der Kürze der Zeit keine Kehrtwende mehr geben.

Will & Luke

Zwischenzeitlich kamen mir tatsächlich kurz Zweifel, ob Luke nicht doch noch einmal von seinem Kreuzzug zurücktreten wird. Aber irgendwie war es auch kaum vorstellbar, dass Colt wirklich enttäuscht von seinem Vater sein könnte. Das Gegenteil ist also der Fall und ich habe mich mit und für Luke gefreut, dass er dies aus dem Mund seines Sohnes hören durfte. Die Versöhnung der beiden scheint damit endgültig vollzogen. Bei Will habe ich mich dagegen schon länger gefragt, wie lange er der Öffentlichkeit noch aus dem Weg gehen will. Wenn man ein Album vermarkten will, lässt sich ein Gespräch mit der Presse wohl kaum vermeiden. Ich dachte wirklich, darüber könnte er inzwischen stehen. Stattdessen wurde hier von den Autoren wieder einmal ein Schritt zurück bei der Charakterentwicklung vollzogen und es stellte sich ein "alles schon einmal gesehen"-Erlebnis ein. Es ist zwar löblich, dass Will seine Meinung am Ende geändert hat, aber das ist nun wie gesagt auch nicht das erste Mal. Erwähnenswert ist vielleicht auch noch, dass man die in der vergangenen Folge eingeleitete Annäherung mit seinem Vater erneut aufgegriffen hat, da die beiden inzwischen wohl schon mehrfach telefoniert haben. Das macht die Geschichte aus der vorherigen Episode glaubwürdiger und runder.

Finalprognose: Womöglich ist Wills Geschichte die einzige, die nach einem öffentlichen Statement ein zufriedenstellendes Ende nehmen könnte. Ich persönlich würde ihm ja auch eine neue Beziehung wünschen, aber dazu wird es wohl nicht mehr kommen. Die Handlung um Luke und Colt hat ja bereits in dieser Episode einen versöhnlichen Abschluss erhalten. Ein neues Kapitel könnte für ihn im Finale aufgeschlagen werden.

Avery, Juliette & Layla

Alle Zeichen sprechen dafür, dass Juliette und Avery wieder zusammenfinden werden. Das war ja schon richtig unprofessionell, wie Avery während seinem Auftritt mit Layla im Bluebird (wahrscheinlich auch hier bereits ein Abschied) andauernd auf sein Handy starrte, in der Hoffnung, Juliette könne anrufen. Aber noch scheint ihn Layla mit ihren kleinen Manipulationen davon abhalten zu können. Unterdessen war jedoch schnell klar, dass Juliette und Noah überhaupt nicht zusammen passen wollen. Meine Kritik bleibt: Noah hat einfach kein oder zumindest ein langweiliges Profil. Er ist der Prototyp des "nice guy" schlechthin, der sich nun also auch noch als begabter Koch und vorbildlicher Babysitter entpuppt. Das ist selbst Juliette zu viel des Guten. Immerhin müssen wir uns dieses Kapitel nun nicht weiter mit ansehen.

Finalprognose: Der Weg zur Wiedervereinigung ist bereitet. Ich glaube jedoch nicht, dass es im eigentlich geplanten Staffelfinale bereits dazu kommen wird.

Fazit

Bis auf wenige Ausnahmen sind die derzeitigen Handlungsstränge noch derart offen, dass ein versöhnlicher Abschluss für die meisten Charaktere in der finalen Folge leider ausgeschlossen sein dürfte. Ein unvernünftige Entscheidung der Autoren, dieses Risiko einzugehen und damit die Fans nach vier Staffeln vermutlich schwer zu enttäuschen. Mit der herausragenden Szene von Clare Bowen alias Scarlett hat die Episode aber auch ein ganz klares Highlight zu bieten, so dass es noch zu einer überdurchschnittlichen Punktzahl reicht.

Jan H. – myFanbase

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