Die wichtigsten Serien von 2000 bis 2009: Drama
Mad Men (2007 bis heute)
Auf den ersten Blick ist es wohl vor allem der unnachahmliche Look von "Mad Men" der Aufmerksamkeit erregt und jeden Zuschauer an den Bildschirm fesselt. Doch hinter dem von Matthew Weiner entwickelten AMC-Drama über die Hauptakteure einer New Yorker Werbeagentur in den frühen 60er Jahren steckt weit mehr als bloß ein wahrlich beeindruckendes Produktionsdesign. Denn dieselbe Akribie und Detailverliebtheit, die schon beim Szenen-, Masken- und Kostümbild der Serie unverkennbar in Erscheinung tritt, legen die Drehbuchautoren auch bei der Konzeption ihrer Charaktere und Storylines an den Tag. Sehr subtil wurde das Publikum in den bisherigen drei Staffeln schrittweise an von menschlichen Makeln durchzogene und dennoch höchst faszinierende Figuren und komplexe zwischenmenschliche Beziehungen herangeführt, die in einem Zeitalter zu bestehen versuchen, in der Gefühle nicht offen kundgetan gehören. So bleibt in den gewieften Dialogen der Serie auch stets das Wesentliche unausgesprochen. Der Zuschauer muss immerzu zwischen den Zeilen lesen, was eine ständige Herausforderung darstellt, denn die Macher von "Mad Men" lieben es, auf verschlungenen Pfaden zu wandeln. Immer wieder schlagen sie unvorhergesehene Richtungen ein und wagen Abstecher in völlig unerwartete Gefilde, was beim Publikum nicht selten für heruntergeklappte Kinnläden oder konsterniertes Stirnrunzeln sorgt. In aufreizend schleichendem Erzähltempo werden anfangs undurchsichtige Entwicklungen jedoch stets aufgeklärt und verworfen geglaubte Storylines wieder aufgegriffen, so dass im Endeffekt alles perfekten Sinn ergibt dank der bereits zu Beginn jeder neuen Staffel sorgfältig durchdachten Handlungsbögen. Eine essentielle Rolle spielt dabei auch die Einbettung des Hauptgeschehens in den historischen Kontext der politisch wie gesellschaftlich höchst spannungsreichen Sechziger, die auf sehr glaubwürdige und schonungslos authentische Weise erfolgt. So wirken bestimmte Verhaltensmuster der "Mad Men" oft regelrecht beschämend oder gar schockierend auf den Zuschauer, ist derart hemmungsloser Zigaretten- und Alkoholkonsum, fragwürdige Kindererziehung, mangelndes Umweltbewusstsein und insbesondere die herrschende Ungleichheit der Geschlechter fast fünfzig Jahre später schlichtweg kaum zu fassen. Aus heutiger Perspektive präsentiert die Serie also eine scheinbar völlig verkehrte Welt, in der die mit Abstand selbstbewussteste Frau keinerlei Drang nach Emanzipation hegt und ausgerechnet der heimliche Homosexuelle von all seinen Kollegen am meisten Respekt und Zuneigung für seine Gattin zu empfinden scheint. Gleichzeitig ist dies aber auch eine Welt, die man einfach nicht mehr missen möchte, ist man einmal erst in sie eingetaucht. Denn Anspruch und Unterhaltung lagen in den letzten zehn Jahren nie so nah beieinander wie hier – was drei Golden Globes in Folge eindrucksvoll beweisen. | Paulina Banaszek
O.C., California (2003 bis 2007)
"Welcome to the O.C., bitch!" Mit diesem Satz, der 2006 von TV Land unter die 100 besten TV-Zitate gewählt wurde, wurde Josh Schwartz zum jüngsten Serienschöpfer aller Zeiten, als "The O.C." 2003 auf Fox anlief. Wieso es ausgerechnet diese Serie als einziges Teen-Drama in die Top 10 geschafft hat? Nun, weil sie sich erstens trotz all den unleugbaren Dramen, die sich in den vier Staffeln abgespielt hat, nie zu ernst nahm, sondern mit einem ironischen Augenzwinkern und unzählbaren selbstreflektiven Verweisen das Genre Teen-Drama mindestens genauso sehr auf den Arm genommen, wie die genretypischen Klischees bedient hat. Zweitens ist der kulturelle Einfluss dieser Serie nicht von der Hand zu weisen, die es zu ihrem Ziel erklärt hat, Musik zu einem eigenen Charakter zu machen und diese Prämisse mit der Förderung (bis dahin) relativ unbekannter Indiebands und sechs erfolgreich veröffentlichten Soundtracks eindrucksvoll umgesetzt hat. Music Supervisor Alex Patsavas hat es geschafft, der Serie eine charakteristische und einzigartige Soundkulisse zu verpassen und dabei dem Erfolg von Bands wie Rooney, The Killers und natürlich Death Cab For Cutie den Weg zu bereiten. Und drittens gibt es nicht viele Drama-Serien, die sich auf dem Höhepunkt ihrer Kreativität verabschieden, was "O.C., California" mit der vierten und letzten Staffel definitiv gelungen ist. Hochgradig skurril, wagemutig, zynisch wie nie zuvor und trotzdem liebenswert – so bedauernswert die Absetzung der Serie auch war, so hat sie unter Serienfans doch auch deshalb Kultstatus erreicht, weil der Schlussstrich zu einem Zeitpunkt gezogen wurde, bevor sie ihren Biss und dieses besondere Etwas, das sie von anderen Teen-Dramen abhebt, verloren hat. | Lena Stadelmann
Six Feet Under (2001 bis 2005)
Wenn es einen Sender in den letzten zehn Jahren gab, der für Qualität und Innovation stand, dann ist es zweifelsohne HBO. Es ist schon sehr mutig und gewagt eine Serie in das Programm zu nehmen, die sich um eine Bestatterfamilie und explizit primär um den Tod dreht. Das Nachdenken und das damit verbundene Auseinandersetzten mit dem Tod ist für viele eine sehr unangenehme Sache, die zumeist lieber verdrängt wird und mit der man sich nicht jede Woche in einer Fernsehserie konfrontiert sehen will. Doch Serienschöpfer Alan Ball und sein Team schafften es, dass der Zuschauer trotz dieses düsteren, unangenehmen und tabuisierten Themas Gefallen an der Serie und vor allem der Geschichte dieser außergewöhnlichen Familie fand. Dieser Erfolg war unter anderem der Verdienst der unglaublich starken Besetzung, die jeden dieser vielschichtigen komplexen Charaktere mit Leben erfüllte und sie trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer vielen menschlichen Schwächen so sympathisch und authentisch machten. Die Serie drehte sich im Kern zwar immer um das Thema Tod, war im Grund aber eine Serie über das Leben: Über die Suche nach Glück, Liebe, Geborgenheit und den Stellenwert der Familie. Bei "Six Feet Under" fällt es auch schwer, von einer typischen Serie zu sprechen, es war vielmehr eine Familiensaga, wie man sie selten im Medium Fernsehen zu sehen bekommt. Von Anfang an für fünf Staffeln ausgelegt, war von Vornherein klar, wohin die Reise gehen wird und so hatte man es mit einer stringenten Erzählstruktur zu tun, die nicht staffelweise, sondern nur als Ganzes betrachtet werden kann und mit einem furiosen, durchweg hochklassigen Finale schloss. Selten konnte ein im Fernsehen ausgestrahltes Format eine solche emotionale Wucht entfalten, die den Zuschauer extrem stark mitnahm, an den Nieren zerrte und nicht selten zu Tränen rührte. Die Serie war häufig von einer tiefschwarzen Wolke überzogen, war aber stellenweise auch sehr humorvoll und begeisterte mit authentischen Liebesgeschichten, die sich von den üblichen Hollywood-Konventionen abgrenzten und realitätsnah dargestellt wurden. In den nächsten zehn Jahren wird sich jede Dramaserie an dieser messen müssen, denn hier wurde ein Musterbeispiel der komplexen, vielschichtigen, grandios gespielten, ehrlich-authentischen, sich keinen gesellschaftlichen Konventionen beugenden televisionären Erzählkunst geschaffen, das seines gleichen sucht. | Moritz Stock
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